Verfassungsschutz beobachtet zwei christliche Gemeinden im Südwesten

Der baden-württembergische Verfassungsschutz beobachtet zwei fundamentalistische christliche Gemeinden wegen Hass gegen Homosexuelle und Demokratiefeindlichkeit. Im Landtag wird bereits nach Verboten der Gemeinden gefragt.
Von PRO
Beate Bube

Gleich zwei unabhängige christliche Gemeinden sind derzeit im Visier des baden-württembergischen Verfassungsschutzes: Die „Evangelische Freikirche Riedlingen“ bei Biberach wird seit gut einem Jahr beobachtet, die „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort“ in Pforzheim seit wenigen Wochen. Beate Bube, Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, sprach am Donnerstag im Stuttgarter Landtag von gesicherten Erkenntnissen extremistischer Äußerungen in beiden Gemeinden.

Zur Riedlinger Gemeinde lautet es im Verfassungsschutzbericht 2022, der am Donnerstag vorgelegt wurde: „Der hauptverantwortliche Prediger verbreitet – offline wie online – politische Inhalte und Positionen, die das Vertrauen in demokratische Entscheidungsprozesse sowie staatliche Repräsentanten und Institutionen in verfassungsfeindlicher Weise untergraben.“ Der Prediger gebe „extremistische Verschwörungsideologien wieder und stelle Vergleiche mit dem Nationalsozialismus an“. Prediger Jakob Tscharntke vermische gezielt christlich-fundamentalistische Ansichten mit der Ablehnung von Demokratie und Staat. So habe er während der Corona-Pandemie von einem „totalen Impfkrieg“ gesprochen und Politiker als „Unrecht- und Willkürherrschende“ bezeichnet, die von satanischen Mächten gesteuert würden.

Gemeinden in keinen Verband

Der evangelische Theologe Tscharntke hat in den vergangenen Jahren im Internet eine wachsende Anhängerschaft hinter sich geschart. So zählt der YouTube-Kanal der Gemeinde derzeit 25.000 Abonnenten. Allerdings haben sich Freikirche und Prediger offenbar vor wenigen Wochen nach einem Machtkampf mit einem zweiten Prediger in der Gemeinde getrennt. Tscharntke war bis Mitte der 1990er Jahre Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, verließ die Kirche aber nach Querelen mit der Kirchenleitung und wirkt seitdem als freikirchlicher Pastor.

Laut Verfassungsschutzbericht hat sich der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) bereits 2015 von dem hauptamtlichen Prediger wegen „pauschalisierender und herabwürdigender Äußerungen über Flüchtlinge“ distanziert. Seit Ende 2018 sei die „Evangelische Freikirche Riedlingen“ kein Teil des BEFG mehr und repräsentiere nach BEFG-Angaben keine der Freikirchen in Deutschland, heißt es im Verfassungsschutzbericht.

Vorwurf der Volksverhetzung

Der Baptistenkirche Pforzheim betreibe eine „massive Abwertung von Homosexuellen“ und Queerfeindlichkeit, sagte Verfassungsschutzpräsidentin Bube vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Landtags. Menschen aus diesem Personenkreis würden als „Dreck, Abfall, wandelnder Schmutz“ bezeichnet, das sei Volksverhetzung. Die Gruppierung um den Prediger Anselm Urban, die ein Ableger einer US-Kirche ist und nicht zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Baptisten) gehört, befürwortet auf ihrer Webseite die Todesstrafe für homosexuelle Menschen. Unter anderem schreibt Urban dort: „Ich und wir als Baptistenkirche glauben, dass Homos mit der Todesstrafe bestraft werden sollen aufgrund der eindeutigen Aussage in 3. Mose 20,13.“ Die „deutsche Gesetzgebung“ sei von „Tunten-Politik“ beeinflusst und schränke die Religionsfreiheit ein. 

Die „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort“ will sich nach Bekunden Urbans der Staatsgewalt unterordnen, „weil Gott es will – solange die jeweiligen weltlichen Gesetze uns nicht zu Sünde anhalten“. Der Prediger will aber weiterhin seiner „Aufgabe nachkommen und uneingeschränkt Sünden und auch einzelne Personen beim Namen nennen – ‘Beleidigung‘ hin oder her.“

Bube sagte, ihre Behörde sei erst durch die Mail einer Mitarbeiterin der Evangelischen Landeskirche in Baden auf die Äußerungen der Pforzheimer Baptistenkirche aufmerksam geworden. Auf die Frage eines Abgeordneten, ob solche Gemeinden verboten werden können, sagte Bube: „Über Verbote redet man nicht, das macht man.“ Zuständig sei dafür aber nicht das Land, sondern der Bund.

Von: epd/Norbert Schäfer

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