Theologe: Pfingstmontag soll Jom Kippur weichen

Die Kirchen sollen nach dem Anschlag von Halle auf einen christlichen Feiertag zugunsten eines jüdischen verzichten. Das schlägt der Theologe Friedrich Wilhelm Graf vor. Er sieht darin einen Beitrag der Kirchen gegen den Antisemitismus.
Von Norbert Schäfer
Das Gebet, wie hier an der Klagemauer in Jerusalem, ist für gläubige Juden an den hohen jüdischen Feiertagen besonders wichtig

Die Kirchen sollen darauf dringen, dass Jom Kippur ein staatlicher Feiertag wird. Das fordert Friedrich Wlhelm Graf, evangelischer Theologe und emeritierter Professor für Systematische Theologie und Ethik, in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom Freitag. Die Verankerung des jüdischen Feiertages als gesetzlichen Feiertag soll nach dem Anschlag auf eine Synoagoe in Halle im Oktober als Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus in der modernen Gesellschaft dienen.

Die staatlich geschützten religiösen Feiertage in Deutschland seien ausschließlich „von der christlichen Zeitordnung, dem Kirchenjahr geprägt“. Graf geht davon aus, dass Einwände von Seiten der Wirtschaft gegen die Einführung eines weiteren Feiertages „gehört und geteilt“ würden. Als Lösung schlägt der Theologe vor, dass die christlichen Kirchen in „ökumenischer Eintracht“ auf den Schutz eines ihrer Feiertage verzichten. Dafür biete sich nach Grafs Meinung der Pfingstmontag an.

„Entrüstungsrhetorik“ reicht nicht aus

Der Wegfall des besonderen Schutzes für einen Feiertag berühre nicht den „religiösen Gehalt des heiligen Tages“, argumentiert der Theologe. Als Beispiel nennt Graf den Wegfall des protestantischen Buß-und Bettages, der 1994 zugunsten der Pflegeversicherung gestrichen wurde und seit 1995 außer in Sachsen kein gesetzlicher Feiertag mehr ist. Seitdem nähmen in der Bayerischen Landeskirche mehr Gläubige an den Gottesdiensten dieses Tages teil als vorher.

Von Muslimen wünscht sich Graf, dass sie zunächst die Forderung der Kirchen nach der Einführung eines jüdischen Feiertages ohne eigene Forderungen unterstützen. Darin wäre auch eine „entschiedene Absage an den Antisemitismus in manchen islamistisch geprägten Milieus“ erkennbar. Dann könnten sich Muslime auch überzeugender für einen eigenen muslimischen Feiertag einsetzen.

Graf schreibt an die Kirchen und die Politik gerichtet: „Wer nicht bloß konventionelle Entrüstungsrhetorik über den Anschlag von Halle bieten will, sollte sich jedenfalls mehr als nur den Ruf nach effizienterem staatlichen Handeln einfallen lassen.“

Am Großen Versöhnungstag Jom Kippur, der von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang dauert, fasten gläubige Juden und verbringen Zeit in der Synagoge, wo sie ihre Bitten um Vergebung vor Gott bringen. Der Feiertag gilt in der jüdischen Welt als das höchste Fest im jüdischen Kalender.

Von: Norbert Schäfer

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