Telefonseelsorge als „verlässliche Partnerin in Krisen“

Die kirchliche Telefonseelsorge hat eine hohe Wirksamkeit. Das belegt eine neue Studie, die die bayerische Landeskirche vorgestellt hat. Landesbischof Christian Kopp bezeichnete den Arbeitsbereich als „unverzichtbar“.
Von Johannes Blöcher-Weil
Die Telefonseelsorge hat eine hohe Wirkung für die Betroffenen

Das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap) der Ruhr-Universität Bochum hat in einer wissenschaftlichen Studie die Telefonseelsorge der Bayerischen Landeskirche untersucht. Dabei fanden die Forscher heraus, dass die 17 Telefonseelsorge-Stellen in Bayern ein „hochgeschätztes, professionelles und gesellschaftlich relevantes Angebot“ sind.

Insgesamt hätten über 200.000 Menschen im vergangenen Jahr die Telefonseelsorge in Anspruch genommen. Darunter fielen laut Erhebung über 179.000 Telefonate, fast 10.000 Mails, über 4.000 Chats sowie 15.000 Beratungsgespräche vor Ort. Die Studie hatte die bayerische Telefonseelsorge in Auftrag gegeben.

Großes Plus des Angebots seien demnach die Anonymität und die ständige Erreichbarkeit: 24 Stunden am Tag und 365 Tage. Obwohl viele Mitarbeiter an ihre Grenzen gingen, arbeiteten sie mit hoher Zufriedenheit. Die Soziologin und Co-Autorin der Studie, Miriam Zimmer, spricht von einer einzigartigen Form der Zuwendung.

Brücke in die Gesellschaft

Laut Studie sei für viele die Telefonseelsorge der Ort, an dem Kirche erfahrbar bleibe, auch ohne Bindung an die Institution. Am häufigsten gehe es in den Gesprächen um das Thema Einsamkeit. Während per Telefon vor allem Menschen über 40 Jahren Hilfe suchten, seien es bei den Chats über 70 Prozent unter 40.

Um auch jüngere Menschen zu erreichen, setzt das Angebot zunehmend auf digitale Kanäle. Nur den Einsatz von Künstlicher Intelligenz lehnen die Verantwortlichen ab, da sie ganzheitlich für den Menschen da sein wollen. Das Angebot baue eine Brücke zwischen Kirche und Gesellschaft. Bei drei Viertel der Ehrenamtlichen und 70 Prozent der Hauptamtlichen handelt es sich um Frauen. Der größte Teil von ihnen sind Christen, ein Viertel der Mitarbeiter ist aus der Kirche ausgetreten.

Eine hohe Relevanz habe die Telefonseelsorge in Krisenzeiten. Um die Wirksamkeit der Telefonseelsorge zu erhöhen, werde empfohlen, etwa mit anderen Krisen- und Sozialdiensten zu kooperieren. Durch die schwindenden Ressourcen der Kirchen gehe es in Zukunft vermutlich oft auf ökumenischer Ebene. Möglich sei aber auch, in Zukunft auf mehrsprachige Angebote zu setzen. Für die Studie hatten insgesamt 808 Mitarbeiter, Träger und Stakeholder Auskunft gegeben, die meisten davon Ehrenamtliche.

Sinnstiftender ökumenischer Dienst

Aus Sicht der Wissenschaftler verbinde das Angebot auf besondere Weise Seelsorge und Beratung und werde von Anrufern, Fachstellen, Trägern und Mitarbeitern als verlässliche Partnerinnen in Krisen wahrgenommen. Für Bayerns Landesbischof Christian Kopp zeigten die Ergebnisse eindrucksvoll, „wie unverzichtbar die Telefonseelsorge für unsere Gesellschaft ist“.

Telefonseelsorge in Bayern stehe für „schnelle Zuwendung, Vertrauen und Hoffnung – und macht sichtbar, wie Kirche dort wirksam wird, wo sie den Menschen in seiner Verletzlichkeit ernst nimmt“. Kopp würdigt insbesondere die vielen Ehrenamtlichen, deren Einsatz für eine Kirche mitten im Leben stehe.

Viele Ehrenamtliche erlebten ihren Dienst als sinnstiftend und einfach notwendig. „Sie stehen für eine Kirche und Gesellschaft, in der Menschen füreinander da sind“, sagte der Landesbischof. Zugleich warb er dafür, die Zukunft der Telefonseelsorge zu sichern, auch weil durch die sinkenden Kirchensteuern und die zunehmender Belastungen für Haupt- und Ehrenamtliche die Qualität dieser Arbeit auf dem Spiel stehe.

Sie sei aber der Kern kirchlicher Arbeit in der Gesellschaft. Kopp hob dabei besonders die enge Zusammenarbeit beider Konfessionen hervor: „Dass evangelische und katholische Kirche hier seit Jahrzehnten Hand in Hand wirken, ist gelebte Ökumene. Davon brauchen wir in Zukunft mehr.“

Telefonseelsorge

Die Telefonseelsorge ist ein gemeinsames Angebot der Evangelischen und Katholischen Kirche. Sie ist telefonisch aus dem deutschen Festnetz und dem Mobilfunknetz rund um die Uhr unter den Rufnummern 0800/1110111 und 0800/1110222 sowie 116123 erreichbar. Auch im Internet können sich Betroffene per Mail und Chat mit ihren Anliegen an die Seelsorge wenden. Die Telefonseelsorge ist ein Netzwerk von über 100 regionalen Telefonseelsorge-Stellen. Dort arbeiten rund 300 festangestellte  Mitarbeiter und etwa 7.700 ausgebildete Ehrenamtliche mit unterschiedlichen Lebens- und Berufskompetenzen.

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