Syrischer Christ wird neues Stadtoberhaupt

Einst floh er mit seiner christlichen Familie aus Syrien, nun wird er Frankfurts neuer Oberbürgermeister: Mike Josef (SPD) hat sich in der Stichwahl durchgesetzt.
Von Johannes Blöcher-Weil

Mike Josef hat sich bei der Wahl zum Rathaus-Chef in Frankfurt am Main durchgesetzt. Die Stichwahl entschied der syrische Christ, der für die SPD angetreten ist, gegen seinen Mitbewerber Uwe Becker von der CDU. Bei der Wahl vor zwei Wochen hatte Becker mit 34,5 Prozent der Stimmen noch deutlich vor Josef gelegen, der auf 24 Prozent kam. In der Stichwahl gewann Josef mit 51,7 zu 48,3 Prozent.

Josef lebte bis zu seinem vierten Lebensjahr in Syrien. Dort gehörte dessen Familie zur aramäischen Minderheit. In dem mehrheitlich muslimischen Land sah sie keine Perspektive mehr, verließ 1987 das Land und beantragte in Deutschland politisches Asyl. Josef ist bis zu seiner Amtseinführung noch Dezernent für Stadtplanung in Hessens größter Stadt. Von 2011 bis 2016 hatte der Diplom-Politologe in der Stadtverordnetenversammlung gesessen.

Christliche Feiertage waren wichtig für uns

In einem Interview mit dem Frankfurt Journal betonte Josef, dass in Syrien die christliche Tradition, Feste zu feiern stärker ausgeprägt sei als in Deutschland, „da wir diese als Minderheit noch viel mehr aufrechterhalten wollten“. Die christliche Minderheit habe in seinem Heimatland klar gesetzte Grenzen, aber Christen hatten dennoch eine eigene Kirche und der Staat hat die Feste zugelassen. „Entsprechend wichtig waren die Feiertage für uns“, sagt er im Rückblick.

In Deutschland wurde die Familie zunächst in Ulm sesshaft. Nach der Mittleren Reife gelang Josef erst im zweiten Anlauf das Fachabitur. Er studierte einige Semester „Soziales Lernen“ an der Fachhochschule Frankfurt und konnte damit 2004 doch ein Universitätsstudium in Frankfurt beginnen. Dort engagierte er sich in den politischen Gremien und kämpfte gegen Studiengebühren.

Seine religiöse Prägung bestimmt bis heute Josefs Wertesystem. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gab er an, dass er nicht jede Woche in die Kirche gehe oder regelmäßig in der Bibel lese, dass ihm der Glaube aber in vielen Lebenssituationen Kraft gebe. Vor schwierigen Entscheidungen bete er. Auch seine beiden Söhne erziehe er im christlichen Glauben.

In der SPD gilt Josef als Paradebeispiel dafür, dass Aufstieg durch Bildung möglich ist. Immer habe sich in seinem Leben rechtzeitig eine Tür geöffnet, beschreibt er gegenüber der FAZ. Die Familie seiner Frau gehört der griechisch-orthodoxen Kirche an. Er selbst ist mittlerweile evangelisch.

Auch der Mitbewerber ist Christ

Mitbewerber Uwe Becker ist übrigens bekennender katholischer Christ. Der Glaube und die Religion spiele in seinem Leben eine wichtige Rolle, „weil sie das Hier und Jetzt in einen größeren Zusammenhang stellen“. Der 53-Jährige ist seit 2022 Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten in Hessen.

Becker hatte sich in der Vergangenheit immer wieder dafür starkgemacht, den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag zu verankern. Die Streichung des Buß- und Bettages als gesetzlicher Feiertag sei ein Fehler gewesen: „Wir können nicht fortlaufend den Werteverfall unserer Gesellschaft beklagen und gleichzeitig die Ankerpunkte unserer christlich-jüdischen Traditionen lösen“, betonte er in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau. Becker ist Mitglied im Präsidium des Frankfurter Bibelhaus ErlebnisMuseums.

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