Studie: Glaube und Wissenschaft für Wissenschaftler kein Widerspruch

Die meisten Wissenschaftler sind der Meinung, dass Religion und Wissenschaft gut miteinander auskommen. Das ergab eine Umfrage der Rice University in Houston, Texas. Der Berliner "Tagesspiegel" befragte sechs deutsche Wissenschaftler zum selben Thema.
Von PRO
Über fünf Jahre hinweg untersuchte die Soziologin Elaine Ecklund von der Rice University mit ihren Kollegen die Meinung von Hochschulprofessoren zum Verhältnis von Glaube und Wissenschaft. Die Forscher befragten 275 ordentliche Professoren und forschende Dozenten an 21 Universitäten in den USA. Sie gehörten den Fachbereichen Biologie, Physik, Chemie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaft, Psychologie und Politikwissenschaften an.

Nur 15 Prozent sagten, dass Religion und Wissenschaft schon immer in einem Konflikt stünden. Ebenso viele gaben an, dass beide Disziplinen noch nie konträr zueinander standen. Die Mehrheit von 70 Prozent erklärte, Religion und Wissenschaft würden sich nur manchmal einander ausschließen. Den Bericht mit dem Titel "Scientists Negotiate Boundaries Between Religion and Science" haben die Forscher in der September-Ausgabe der "Journal for the Scientific Study of Religion" veröffentlicht.

Die interviewten Professoren waren aus 2.198 Wissenschaftlern ausgewählt worden, die zuvor an einer Umfrage teilgenommen hatten. Die Hälfte dieser vorher befragten Wissenschaftler sagte, sie identifiziere sich mit einer bestimmten Religion, die andere Hälfte gab an, keiner Religion anzugehören.

Der weit verbreiteten Behauptung, Wissenschaft sei mit dem Glauben unvereinbar, können sie nicht zustimmen, sagte Ecklund laut einem Bericht der "Huffington Post". "Wenn es um die Frage nach dem Sinn des Lebens geht und wie man die Wirklichkeit verstehen kann, wie die Erde und das Leben auf ihr entstanden, finden viele, dass Religion und Wissenschaft in einem unlösbaren Konflikt stehen", so Ecklund. Doch die Mehrheit der befragten Wissenschaftler gab bei ihrer Studie an, sowohl die Wissenschaft als auch die Religion als "gültige Wege zum Wissen" anzusehen.

"In der Öffentlichkeit entsteht oft die Ansicht, dass die Säkularisierung fortschreitet und die Religiosität abnimmt, je bedeutender die Wissenschaft wird. Ergebnisse wie diese über angesehene Wissenschaftler, von denen viele immer glauben, dass sie säkular denken, stellen die Ansichten über die Säkularisierung und Wissenschaft in Frage", so Ecklund.

Die Interviews, die auf 5.000 Seiten abgetippt wurden, hätten ihr Folgendes gezeigt: Wissenschaftler, die Glaube und Wissenschaft miteinander vereinbaren können, seien oft der Überzeugung, dass "Wissenschaft von Gott kommt und Gott sie erschaffen hat… oder dass die Wissenschaft und der Glaube zwei völlig voneinander losgelöste Wege sind, die Realität zu betrachten". Solche Wissenschaftler hingegen, für die Glaube und Wissenschaft unvereinbar miteinander sind, hätten oft ein eingeschränktes Bild von Religion. Sie dächten dabei meistens an konservative evangelikale Christen in Amerika, so Ecklund.

Sechs deutsche Forscher zu "Glaube und Wissenschaft"

Auch den Berliner "Tagesspiegel" hat interessiert, inwiefern deutsche Wissenschaftler Glaube und Religion miteinander vereinbaren können. Aus Anlass des Papstbesuches in Deutschland fragte die Zeitung sechs Wissenschaftler, für wie vernünftig sie den Glauben halten.

"Natürlich haben Glaube und Vernunft gar nichts miteinander zu tun, und das weiß auch der Herr Ratzinger. Insofern stehen sie auch nicht im Widerspruch", ist Günter M. Ziegler, Mathematiker an der Freien Universität (FU) Berlin, überzeugt. Glaube stehe immer außerhalb des Vernünftigen, aber das mache den Glauben nicht unnötig. Ziegler erinnert an den Mathematiker Kurt Gödel, der vor 80 Jahren seine Arbeit über formal unentscheidbare Sätze veröffentlichte. Sie habe die unüberwindbare Grenze des Beweisens aufgezeigt. "Wenn nur Theologen und Moralprediger die Grenzen ihrer Erkenntnis und ihrer Aussagen und Vorschriften ähnlich scharf erkennen könnten…", fügt Ziegler hinzu.

Glaube durch "Kult der Vernunft" ersetzt?

Gerhard Roth, Hirnforscher an der Uni Bremen, ist der Meinung, man müsse die Begriffe Glaube und Vernunft genau definieren, bevor man über ihre Vereinbarkeit spreche. Der  "institutionalisierte Offenbarungsglaube", wie er von der katholischen Kirche und ihrem Papst vertreten wird, sei mit wissenschaftlicher Vernunft unvereinbar, so Roth. Denn dessen Thesen seien nicht logisch widerspruchsfrei und hinreichend empirisch zu belegen. Roth weiter: "Wenn hingegen Glaube als eine individuell-subjektive Überzeugung oder Ahnung verstanden wird (woher diese sich auch immer speisen mögen), dann können Glaube und wissenschaftliche Vernunft wohl nebeneinander bestehen, weil sie unterschiedliche Geltungsbereiche haben."

Die Soziologin Nina Degele von der Universität Freiburg ist überzeugt: "Glaube hat so viel mit Vernunft zu tun wie ein Fisch mit einem Fahrrad, nämlich herzlich wenig. Glaube ist Ausdruck eines menschlichen Bedürfnisses nach Sicherheit und unzweifelhafter Gewissheit. Vernunft stellt Rationalität und Zweifel in den Vordergrund."

Paul Nolte, Historiker an der FU Berlin und Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin, sagte gegenüber dem "Tagesspiegel", er halte es für ein Missverständnis, dass die Evolutionstheorie von Charles Darwin oder die Entdeckung ferner Galaxien Religion und Glauben widerlegen würden. "Historisch ist das ein Denkprodukt des 19. Jahrhunderts, in dessen Bann noch heute ein Richard Dawkins ebenso steht wie bestimmte Berliner Atheistenmilieus." Geschichts- und Kulturwissenschaften zeigten "immer wieder, dass Moderne und Religion, Glauben und Vernunft zusammengehören", so Nolte.

Der Glaube an Gott solle offenbar seit der Französischen Revolution durch einen "Kult der Vernunft" ersetzt werden, findet die Historikerin Birgit Aschmann von der Humboldt-Universität Berlin. Die Polarisierung habe weitreichende Folgen gehabt, "und ging zu Lasten der vermittelnden Positionen".  Weiter sagte Aschmann: "Der Glaube wird den Menschen so lange vernünftig erscheinen, wie er ihnen plausible Antworten auf ihre zentralen Lebensfragen gibt."

Ulrich Kutschera, Evolutionsbiologe an der Uni Kassel, lehnt eine Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft ab: "Religiöser Glaube basiert auf übernatürlichen Wundern, Mythen und Offenbarungen, die der Vernunft widersprechen und irrational sind", so der Biologe. Eine gegenteilige Meinung sei "schlichtweg eine verantwortungslose Irreführung". (pro)
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1468-5906.2011.01586.x/pdf
http://www.tagesspiegel.de/wissen/wie-vernuenftig-ist-der-glaube/4632162.html
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Eine Antwort

  1. Wissenschaft und Glaube – ein Widerspruch?
    Allgemein ist die Wissenschaft heute der Meinung, dass unser Universum vor 13,8 Milliarden Jahren durch den Urknall, der eigentlich gar kein Knall oder Explosion war, aus der Singularität (einem Punkt, kleiner als ein Atom, in dem das ganze Universum komprimiert war) entstanden ist. Fragt man, was davor war, sagen die Wissenschaftler, dass es kein davor gab, da Raum und Zeit erst durch den Urknall entstanden sind, die Naturgesetze noch nicht galten und deshalb darauf keine Antwort geben können. Wer oder was hat aber den Urknall ausgelöst? Da drängt sich doch die Frage auf, ob es nicht einen Schöpfer gibt, nach dessen genialen Plan sich unser Universum entwickelt hat. Jemand hat einmal gesagt, dass es uns gibt, ist genau so ein Wunder, als ob bei der Explosion einer Druckerei ein fertiges Buch entstehen würde. Tatsächlich hat sich unser Universum und speziell unser Sonnensystem so entwickelt, dass es auf der Erde schon seit langer Zeit Pflanzen, Tiere und Menschen geben kann. Dazu muss eine Vielzahl von Bedingungen lange Zeit erfüllt sein: Unser Sonnensystem befindet sich in einer ruhigen Region am Rande unserer Galaxis. Die Erde umkreist die Sonne in genau dem richtigen Abstand. Er gibt hier flüssiges Wasser, welches alle Lebewesen brauchen. Es ist eine atembare Atmosphäre vorhanden, die Erdachse ist um 23,44 Grad geneigt und wird durch den Mond stabilisiert, wodurch keine chaotische Klimaschwankungen entstehen. Das Magnetfeld der Erde schützt uns vor von der Sonne ausgehender schädlicher Strahlung. Die Riesenplaneten Jupiter und Saturn halten uns mit ihrer Gravitation ein Großteil von Asteroiden und Kometen vom Leib. Dennoch haben Asteroiden und Kometen wahrscheinlich das Wasser und die Bausteine des Lebens auf die Erde gebracht. Das Leben hatte genügend Zeit sich zu entwickeln. Der innere Aufbau der Atome ermöglicht das dauerhafte Bestehen von Materie. Man fragt sich, ist intelligentes Leben auf der Erde einmalig, oder gibt bzw. gab es in den Weiten des unendlichen Universums Himmelskörper (es können auch Monde sein), auf denen ähnliche Verhältnisse herrschen? Nach menschlichem Ermessen ist die Wahrscheinlichkeit dafür groß. Wären wir die einzigen intelligenten Lebewesen im Universum, dann wären wir etwas ganz Besonderes. Vielleicht sind wir das Organ des Universums, mit dem es sich selbst erkennt? Beide Gedanken sind faszinierend. Je weiter die Forschung schreitet, umso mehr Fragen tauchen auf. Heute spricht die Wissenschaft schon über die Möglichkeit, dass es weitere Universen mit eigenen Dimensionen und Naturgesetzen geben könnte. Denn was einmal entstanden ist, könnte auch mehrmals entstehen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch namhafte Wissenschaftler gläubig sind. Oft galten gläubige Menschen als rückständig oder gar dumm. Diese Einstellung scheint sich geändert zu haben. Ist das Leben durch einen unglaublichen Zufall entstanden? Oder steckt ein göttlicher Plan dahinter?

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