„Spiegel“ über die dunkle Seite des Herrnhuter Weihnachtssterns

Zur Adventszeit leuchten sie fast überall: die bunten Papiersterne der Herrnhuter Brüdergemeinde. Aus diesem Anlass erinnert „Der Spiegel“ an die Sklaverei-Vergangenheit „eines der bedeutendsten Missionsorden der Neuzeit“.
Von Jörn Schumacher
Den Herrnhuter Stern stehe „für den Morgenstern, der die Nacht beendet und Christus versinnbildlicht“, erinnert die Wochenzeitung Die Zeit

Unter der Überschrift „Die dunkle Seite der Sternebastler“ berichtet „Der Spiegel“ über die Sklaverei-Vergangenheit der bekannten Missionsgesellschaft. „Ihre Missionare wollten einst Sklaven den christlichen Gott nahebringen. Und waren tief verstrickt in das System der Ausbeutung“, schreibt die Journalistin Jennifer Stange. Der derzeit an vielen Orten leuchtende Papierstern sei ein Wahrzeichen der Herrnhuter, „ein weltweiter Exportschlager eines der bedeutendsten Missionsorden der Neuzeit“.

Der „Spiegel“-Artikel erklärt, dass die Brüder-Unität in Herrnhut, einer Kleinstadt in der Oberlausitz, begann. „Zu Beginn des 18. Jahrhunderts legte Reichsgraf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf die Siedlung für Glaubensflüchtlinge der böhmischen Reformation an, mit denen der spätere Bischof 1722 die Brüder-Unität gründete.“

Fünf Jahre später erteilte er seiner Gefolgschaft den „Missionsbefehl“: 1732 brachen die ersten Missionare in die Karibik auf, später nach Nordamerika, Lateinamerika, Grönland, Alaska und nach Afrika. „Das Gros“ der etwa eine Million Gemeindemitglieder lebe heute in den ehemaligen Kolonien in Afrika, Lateinamerika und der Karibik. „Selbst in Europa prägen die Nachfahren von Versklavten die mitgliederstärksten Gemeinden der Brüder-Unität“, schreibt Stange.

„Die Herrnhuter führten Sklaven wie Gegenstände auf Inventarlisten.“

Zu Wort kommt im Artikel unter anderem der Historiker Jan Hüsgen, der 2016 zum Verhältnis der Missionsgesellschaft zur Sklaverei promovierte. Er weist nach, dass die Herrnhuter in den Kolonien selbst zu Sklavenhaltern geworden sind: „Wie Gegenstände wurden die brüdereigenen Sklaven in Inventarlisten geführt“, sagt Hüsgen im Beitrag. Viele hätten auf Zuckerrohrplantagen arbeiten müssen, andere dienten als Haus-, Feld- und Handwerkssklavinnen. Die Sklaverei habe so letztlich den Unterhalt der Missionsstationen getragen, so Hüsgen.

„Das Besondere war, dass die Brüdergemeinde von Beginn an versuchte, Sklaven als Individuen anzuerkennen“ – eine für damalige Verhältnisse revolutionäre Auffassung. Doch letztendlich seien die protestantischen Missionare nicht besser gewesen als die katholischen, vor allem in der Überzeugung, sich Sklavenvölker untertan machen zu müssen. „Trotz Bekenntnis zur Gleichheit aller Menschen stellten auch die Herrnhuter den Besitz von Menschen nicht infrage“, schreibt die Journalistin Stange.

Die Rolle der Herrnhuter bei der Sklaverei beschreibt Hüsgen insgesamt als „ambivalent“. Sklavinnen und Sklaven hätten etwa bei der „Christmas Rebellion“ in Jamaika immerhin die Logistik und Netzwerke der Missionsstationen genutzt, um ihren Widerstand zu organisieren.

Die Autorin stellt fest: „Die Aufarbeitung dieses Aspekts steht in der Geschichtswissenschaft und in den Gemeinden noch am Anfang.“ Immerhin gebe es in Herrnhut ein Völkerkundemuseum, in dem Ausstellungsstücke auch von der Versklavung zeugten, dazu gehören auch Sklaven-Fesseln. Bis 2025 soll die Herrnhuter Dauerausstellung neu überarbeitet werden. Das Thema Sklaverei solle fortan zentrales Thema sein, sagt die Sammlungsdirektorin.

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