Sie will doch nur tanzen – Spielfilm über Whitney Houston

Whitney Houston war eine Sängerin der Superlative. Nun setzt ein Kinofilm der 2012 viel zu früh verstorbenen Künstlerin ein Denkmal. Auch den christlichen Glauben der Sängerin streift das Biopic, allerdings nur am Rande.
Von Jörn Schumacher

Der Abspann führt noch einmal vor Augen, worin die vielen Rekorde dieser Ausnahme-Sängerin bestanden. Whitney Houston gewann 26 American Music Awards, sechs Grammys und verkaufte mehr als 170 Millionen Alben. Nie zuvor hatte jemand sieben aufeinanderfolgende Nummer-Eins-Hits in den Charts, Houston ist zudem die am häufigsten ausgezeichnete Künstlerin aller Zeiten – mit insgesamt mehr als 411 Musik- und Filmpreisen. Sie steht deshalb sogar als „erfolgreichste Sängerin aller Zeiten“ im Guinness Buch der Rekorde.

Die Whitney Houston im Film ist selbst zu Recht stolz auf das, was sie erreicht hat. Dabei versuchte sie lange, das Image der netten jungen Dame aus der Nachbarschaft zu erfüllen. Der Ruhm katapultierte diese Frau aus einer gewöhnlichen Familie aus der Vorstadt in kürzester Zeit in den Pop-Olymp. Doch an diesem Ruhm zerbrach sie. Auch wenn der Film ein wenig das Gegenteil suggerieren möchte.

Vor zehn Jahren verstarb die Sängerin im Alter von erst 48 Jahren. Sie wurde tot in einem Hotel in Beverly Hills gefunden, wahrscheinlich waren Drogen im Spiel. Der Film „Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody“, der am Donnerstag in den deutschen Kinos anläuft, beginnt die Lebensgeschichte der Sängerin mit ihren Wurzeln als Vorsängerin in einer baptistischen Kirchengemeinde. Houston wuchs in New Jersey auf und war die Tochter der Gospel-Sängerin Cissy Houston, und sie besuchte in ihrer Teenagerzeit eine katholische Mädchenschule.

„Brot des Himmels, ernähre mich, für immer, Erlöser, leite mich“, singt die junge Houston da im Film inbrünstig mit ihrer Kirchengemeinde. Der Glaube spielt in dem zweieinhalb Stunden langen Biopic nur am Rande eine Rolle. Den Gesang ihrer Tochter sieht Cissy Houston durchaus als Gabe Gottes an, da ist es nur legitim, diese auch einzusetzen. Doch leider wird aus dem elterlichen Stolz bald nackte Habgier. Besonders der Vater reißt sich immer mehr das Vermögen seiner Tochter unter den Nagel. In einer bemerkenswerten Szene kommt dem sterbenden Vater im Krankenhausbett nichts anderes in den Sinn, als seiner Tochter mit dem Anwalt zu drohen, sollte sie ihn als ihren Manager absetzen.

Lesbische Beziehung und toxischer Ehemann

Der frühe und überbordende Ruhm tat Whitney Houston nicht gut. Der schlechte Einfluss ihres Ehemannes Bobby Brown (wunderbar als unreifer Jüngling dargestellt vom erst 26 Jahre alten Schauspieler Ashton Sanders), der Alkohol und die Drogen taten ihr Übriges. Houston schaffte es nicht, den Kampf gegen die Abhängigkeit zu gewinnen, so sehr auch ihr Manager (sehr cool: Stanley Tucci) auf sie einredet. Bei alledem bleibt der Film sehr zurückhaltend in der Darstellung dieser Abhängigkeit. „I Wanna Dance with Somebody“ will ein Denkmal sein, daher erscheint der Star hier fast immer hell strahlend, bestens aussehend und irgendwie immer die Stärkere. Das entspricht wohl nicht ganz der Wahrheit.

Und so sind die zweieinhalb Stunden streckenweise auch ermüdend, denn eine ernsthafte Tiefe fehlt. Zum Schluss bekommt der Zuschauer ein minutenlanges Medley ungekürzt präsentiert, das dem Lebenswerk der Künstlerin offenbar noch einmal einen grandiosen Schlusspunkt setzen soll. Regie führte übrigens Kasi Lemmons, von der auch der sehenswerte Film „Harriet – Der Weg in die Freiheit“ über die tiefgläubige Harriet Tubman ist, die gegen die Sklaverei aufstand. Das Drehbuch stammte von Anthony McCarten („Bohemian Rhapsody“, „Die zwei Päpste“), der den Film auch produziert hat.

Der Zuschauer erfährt, dass Houston zeit ihres Lebens eine lesbische Beziehung führte. Und dies ist den Eltern ein Dorn im Auge, teils, weil darunter das Image des braven Mädchens von nebenan leidet (und damit die Einnahmen gefährdet sind), teils weil die christlich geprägten Eltern darin eine Sünde sehen.

Auch Houston selbst spricht ihren Selbstzweifel in dieser Angelegenheit an. Eigentlich will sie mit ihrer Freundin Robyn Schluss machen, denn schließlich komme man „für das“ laut der Bibel in die Hölle. Und so spiegelt ein wenig auch der titelgebende Song die Zerrissenheit Houstons wider, wie sie selbst sagt. Sie will doch nur mit jemandem tanzen, den sie liebt, aber aus irgendwelchen Gründen darf sie es nicht. Schließlich bleiben beide bis zum Schluss liiert, auch während der Ehe mit Bobby Brown.

Houstons Vater zitiert hier und da zwar aus der Bibel und maßregelt seine Tochter, besonders in Sachen Moral. Doch er selbst nimmt es mit der ehelichen Treue nicht so ernst und hat ein Verhältnis mit seiner Sekretärin, zudem veruntreut er hohe Summen der Einnahmen seiner Tochter.

Fans der Sängerin kommen hier nicht zu kurz. Brav geht der Film alle Höhepunkte und Hits des Ausnahmetalents durch, der legendäre Auftritt in der Halbzeitpause des Super Bowl 1991 darf ebenso wenig fehlen wie der Film „Bodyguard“ und daraus der Hit „I Will Always Love You“.

Die Liebe zu Bobby Brown, zu dem der Film mit dem Liebessong überleitet, sollte indes nicht ewig halten. Der unreife und weniger erfolgreiche Sänger nutzt seine Frau aus, verschleudert ihr Geld mit Prostituierten und treibt Houston in einen Teufelskreis aus Alkohol, Drogen und Selbstzweifel, der schließlich in hoher Verschuldung endet.

Gänzlich unerwähnt lässt der Film Houstons Album „I look to you“ aus dem Jahr 2009, in dem sich die Künstlerin mit dem Glauben auseinandersetzte. Im Titelsong ruft sie Gott um Beistand an. „Ich schaue auf dich. Nach allem, was ich erlebt habe, frage ich, wo ich mich hinwenden kann. Ich schaue auf dich, nachdem mich all meine Kraft verlassen hat, kann ich in dir stark sein“, sang Houston. Das eine oder andere Mal flüstert die Sängerin im Film in schweren Krisen ein Gebet aus Kindheitstagen. Etwa: „Jesus loves me, this I know, for the Bible tells me so.“

Houstons Beziehung zum Vater endete im Zwist, ihre Ehe ging in die Brüche, kaum erfolgreich kämpfte Whitney Houston gegen ihre Sucht, ihr Comeback scheiterte, ihre Liebesbeziehung zu ihrer lesbischen Freundin konnte sie nie öffentlich ausleben.

Der Film „Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody“ zeigt trotzdem keinen gescheiterten Weltstar, sondern eine bis zum Schluss starke Frau. Die gläubige Seite der Sängerin zeigt er indes leider kaum. Und so auch nicht eine der letzten Video-Aufnahmen, die Houston einen Tag vor ihrem Tod zeigt. Auf einer Grammy-Party singt sie ein Duett mit Kelly Price. Der Titel des Songs lautete: „Yes, Jesus loves me“ – Ja, Jesus liebt mich.

„Whitney Houston: I wanna dance with somebody“, 146 Minuten, Regie: Kasi Lemmons, ab 21.12. im Kino

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