Schertz: „Vergebung und Nachsicht sind uns abhanden gekommen“

Christian Schertz ist Deutschlands prominentester Medienanwalt. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung wirbt er für mehr Vergebung und Nachsicht in der öffentlichen Debatte.
Von Johannes Blöcher-Weil
Hass und Beschimpfungen machen die Debatte kaputt und sind wie eine Abrissbirne für die Demokratie. Darauf machte die Aktion der Organisation „HaitAid“ Anfang des Jahres aufmerksam.

„Das Klima im digitalen Raum und auf der Straße ist immer hässlicher geworden“, findet der Medienanwalt Christian Schertz. Im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ wünscht er sich deswegen, dass Politiker mehr Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren. Schließlich leisteten sie einen wichtigen Dienst für die Allgemeinheit.

Es brauche juristische Regeln, um die Privatsphäre von Politikern besser zu schützen. Wenn das nicht passiere, habe irgendwann niemand mehr Lust, diese Aufgabe zu machen und sich dem massiven Hass auszusetzen. Auch für die Medien müsste es hier klare Grenzen geben.

Journalismus sei dazu da, genau hinzusehen und Dinge aufzuklären. Aber es gehe nicht darum, Menschen zu vernichten. Schertz fordert eine neue Debattenkultur, die mehr von Gelassenheit und weniger von Skandalisierung geprägt ist: „Wir sind zu einem Land geworden, das weniger verzeiht als früher. Und das ist eine schlechte Entwicklung.“

„Zu viel Empörung in der Gesellschaft“

Eine Gesellschaft, die niemandem eine zweite Chance gebe, habe versagt: „Wir brauchen mehr Vergebung, mehr Nachsicht. Das ist uns abhanden gekommen“, wünscht sich der Jurist. Heute empöre sich die Gesellschaft schon bei der kleinsten missverständlichen Bemerkungen und fordere den Rücktritt von Politikern.

Wenn es aber nur darum gehe Fehler zu vermeiden, entstehe ein Vakuum an Phrasen, das vor allem extremen Politikern in die Karten spiele. Es sei die falsche Taktik, in Krisen die Wahrheit immer nur scheibchenweise einzugestehen. Stattdessen sollte man Fehler und Versagen öffentlich bekennen.

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