Meinung

Safari durch die Bibel

Gibt es Drachen in der Bibel? Einhörner sogar? Und was verstand Luther unter einem Nilpferd? Die Autoren Claudia und Simone Paganini haben ein erstaunliches und informatives Buch über die Tiere in der Bibel geschrieben.
Von Jörn Schumacher
Biester der Bibel

„Warum es in der Heiligen Schrift keine Katzen, aber eine Killer-Kuh gibt“ lautet der Untertitel des Buches „Die Biester der Bibel“ vom Theologen-Ehepaar Claudia und Simone Paganini. Wer hier lediglich das stumpfe Auflisten aller Tiere erwartet, die in der Bibel auftauchen, liegt (zum Glück) falsch. Die Autoren, die im Mai dieses Jahres das lesenswerte Buch „Star Wars und die Bibel“ herausbrachten, bieten hier einen interessanten, neuen Blick auf die Bedeutung bestimmter Tiere in der Bibel und die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Simone Paganini ist seit 2013 Professor für Biblische Theologie an der RWTH Aachen, seine Frau Claudia ist an der Hochschule für Philosophie in München als Professorin für Medienethik tätig.

Der Leser bekommt eine gut lesbare Zusammenfassung der Theorien darüber, um welche Tiere es sich handeln könnte, wenn die Bibel vom Behemot spricht, vom Leviathan oder von Rahab, und dass Luther vieles recht willkürlich und oft falsch übersetzt hat, etwa mit „Nilpferd“. Die Autoren rufen etwa ins Gedächtnis zurück, dass die Tiere ursprünglich der „erste Versuch“ Gottes waren, Adam einen Gefährten zu erschaffen. Erst später kommt Gott auf die Idee, den ursprünglich geschlechtslosen Menschen in zwei Geschlechter aufzuteilen. Auf den ersten Seiten der Bibel seien Mensch und Tier als ebenbürtig dargestellt, erfahren wir. Den Unterschied zwischen dem Menschen und dem Tier habe später vor allem die griechisch-abendländische Philosophie betont. Dabei seien nach der Bibel Mensch und Tier immerhin „aus der gleichen Materie, der adamah“ gemacht, schreiben die Autoren. „Sie haben den selben Schöpfer und sind sozusagen aus demselben Holz.“ Erstaunlicherweise seien Tiere zur biblischen Zeit sogar als Rechtspersonen angesehen worden, die bei Untaten bestraft wurden, schreiben die Paganinis. So kommt es auch zur titelgebenden „Killer-Kuh“, die laut dem Buch Exodus als „Mörderin“ hingerichtet werden musste.

Vegetarier, Einhörner und Jonas Fisch

In einer Zeit, in der viel über die Schädlichkeit des Essens von Fleisch diskutiert wird, außerdem interessant: Davon, dass die Tiere den Menschen zur Nahrung dienen, sei in der Genesis nicht die Rede. Das komme erst nach der Sintflut. Übrigens: Jakob, der ältere Bruder Jesu, soll Vegetarier gewesen sein.

Jesu Umgang mit Tieren bezeichnen die Autoren als „nicht unbedingt von Wertschätzung gekennzeichnet“. Immerhin habe er eine große Anzahl von Dämonen von einem Menschen in 2.000 Schweine fahren lassen. Und wenn im See Genezareth 153 Fische gefangen wurden für acht Personen, dann stellen die Autoren die Frage: Was passierte eigentlich mit den vielen restlichen Fischen, die nicht gebraucht wurden?

Das Buch startet aus nachvollziehbaren Gründen mit jenen Wesen, die bei Alt und Jung garantiert große Begeisterung auslösen, bei den Dinosauriern und Einhörnern. Bis weit in die Neuzeit waren viele Menschen von der Existenz von Einhörern überzeugt. Hildegard von Bingen veröffentlichte sogar eine Anleitung, wie man sie mithilfe von blonden Jungfrauen fangen könne. Manche sahen in dem Wesen sogar ein Symbol für Jesus Christus, das Horn stand für den Glauben an den einen wahren Gott. Doch die moderne Biologie mag, sehr zum Leidwesen aller Fans des weißen Fabelwesens, nicht so recht daran glauben – und so wird das Einhorn in der Bibel wohl ein Übersetzungsfehler sein, so die Autoren. Drachen hingegen standen immer für das personifizierte Böse und tauchten ebenfalls nicht nur in der Bibel auf, sondern auch in anderen frühen Kulturen.

Wer fraß eigentlich in Ägypten die Mäuse?

Und natürlich muss es in einem solchen Buch um die sprechenden Tiere der Bibel gehen. Das erste sprechende Tier in der Bibel ist bekanntlich die Schlange. Und auch die Eselin Bileams dürfte noch aus dem Bibelunterricht bekannt sein. Interessant: Eine Inschrift in Jordanien bezeugt, dass offenbar noch viele andere Menschen große Stücke auf jenen Weisen namens Bileam hielten. Er war offenbar keine Erfindung der biblischen Autoren, stellen die Autoren fest. Vielleicht hatte er wirklich „einen Draht zum Göttlichen oder eine Begabung, Übernatürliches wahrzunehmen“, fragen sie.

Und wer wusste, dass in den Sprüchen Salomos (30,15) von sprechenden Blutegeln die Rede ist? Interessant ist zudem der Ansatz der Autoren, nach all jenen Tieren zu fragen, die eigentlich in der Bibel vorkommen müssten, es aber nicht tun. Gab es denn keine Katzen im biblischen Israel? Wo sie doch zeitgleich in Ägypten geradezu verehrt wurden? Und wer fraß dann die Mäuse?

Den Fisch, der Jona verschlang, könne bis heute niemand eindeutig bestimmen, stellen die Paganinis fest. Luther jedenfalls widmete sich dieser Frage in einem eigenen Buch. Er war fest überzeugt, dass es ein Wal gewesen sein muss. Luther nannte sogar den Wirbel aus dem Rückgrat eines Wals sein Eigen, wahrscheinlich diente er als Schemel für seine Füße. Das Problem bei der Wal-Theorie: Den Suezkanal gab es noch nicht, und so hätte ein Wal nicht nur vom Mittelmeer aus Afrika umrunden müssen, sondern – mit Jonah im Bauch – auch noch 800 Kilometer den Fluss Tigris gegen den Strom bis nach Ninive schwimmen müssen.

Am Ende stellt sich das Thema Tiere in der Bibel als interessanter heraus als gedacht. Vor allem aber wird dem Leser neu die Bedeutung bewusst, die Gott dem Tier offenbar als Gehilfe des Menschen zugedacht hatte. Und ein neues kritisches Denken über den modernen Umgang mit Tieren, inklusive der Massentierhaltung und dem brutalen industriellen Abschlachten, ist vielleicht ein willkommener Nebeneffekt. In jedem Fall gibt das Buch einen wichtigen Impuls zur Frage, wie sich Christen und wie sich die Kirche eigentlich zur Mensch-Tier-Beziehung verhält oder verhalten sollte.

Claudia und Simone Paganini: „Die Biester der Bibel: Warum es in der Heiligen Schrift keine Katzen, aber eine Killer-Kuh gibt“, Gütersloher Verlagshaus, 176 Seiten, 16 Euro, ISBN978-3579074641

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Eine Antwort

  1. Erfrischend – mich faszinieren außergewöhnliche Blicke auf das Buch der Bücher. Und ich finde es hilfreich, weil ich mich dadurch besser in die Zeit seiner Entstehung und in das Leben und Denken seiner Autoren hineinversetzen kann.
    Ist „Jakob, der ältere Bruder Jesu“ ein Schreibfehler? Soweit wir das in den Evanglientexten überliefert haben, war ja Jesus das erste Kind Marias und Josefs…

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