Roth sieht vertane Chancen bei Kirchen

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth ist in den vergangenen Monaten eher wegen seiner Expertise zum Ukraine-Krieg öffentlich in Erscheinung getreten. Nun hat er sich in einem Gastbeitrag in der „Welt“ zur Lage der evangelischen Kirche geäußert.
Von Martin Schlorke
Michael Roth

In den vergangenen Jahren hat die evangelische Kirche viele Chancen verpasst. Diese Meinung vertritt der SPD-Außenpolitiker Michael Roth in einem Gastbeitrag in der Tageszeitung „Die Welt“.

So sei der Missbrauchsskandal innerhalb der Kirche kein rein katholisches Unrecht. Auch in der evangelischen Kirche hätten sich Menschen „schwer versündigt“. Doch sie habe weder „mit schonungsloser Aufklärung Maßstäbe“ gesetzt, noch sich diesbezüglich ausreichend von der katholischen Kirche distanziert. Vielmehr gingen die Verantwortlichen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nachsichtig mit der katholischen Kirche um, schreibt Roth.

Auch habe die EKD verpasst, Christen, die die katholische Kirche verlassen, von einem Übertritt zur evangelischen Kirche zu überzeugen. Ein solches Handeln habe aus Sicht von Roth nichts mit einer „Entsolidarisierung unter Brüdern und Schwestern“ zu tun. Vielmehr sei das Zeichen einer „(un)versöhnten Verschiedenheit der Konfessionen“.

Corona und kirchliches Versagen

Als „im besten Falle orientierungslos“ und „im schlimmsten Falle sprach- und empathielos“ beschreibt Roth das Verhalten der Kirchen während der Corona-Pandemie. Die Kirchen hätten kein probates Mittel gegen das „einsame Hinsiechen und Sterben“ in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern gefunden.

Im Blick auf den Ukraine-Krieg kritisiert Roth, dass die Kirchen allzu oft „längst an der Wirklichkeit gescheiterte Phrasen eines aus der Zeit gefallenen Pazifismus“ vertraten. Problematisch seien für Roth nicht die pluralen Stimmen innerhalb der EKD, sondern „Kirchenpromis, die im Gewande von Bekanntheit und Popularität die öffentlichen Debatten einseitig prägten“. Namen nennt Roth an dieser Stelle nicht.

Deutschland ohne kirchliche Mehrheit

Bereits jetzt sind weniger als die Hälfte der Deutschen Mitglied in den beiden großen Kirchen. Roth gibt sich in seinem Gastbeitrag keiner Illusion hin: Die Kirche werde „wohl nie wieder eine dominante Rolle spielen“.

Dennoch dürfe die Kirche nicht auf ihr Kerngeschäft verzichten, schreibt Roth. Die Kirche müsse „wieder ein wunderbarer, begeisterungsfähiger Raum des Glaubens, des Zweifelns und der Hoffnung werden“.

Dafür müsse sie aber „nicht mehr mit schierer Größe, Omnipräsenz, Tradition und Machtansprüchen überzeugen, sondern mit Leidenschaft, Offenheit, Selbstreflexion und Mut zur Klarheit. Wenn Kirche loslässt, wird sie manches gewinnen. Gewissheiten gibt es nicht. Aber einen Versuch wäre es wert“.

Roth, der seit 2004 Mitglied der Landessynode der Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck ist, sitzt seit 1998 im Deutschen Bundestag. Seit Dezember 2021 ist er Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses.

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