Religion spielte während Corona bei der Krisenbewältigung kaum eine Rolle

Viele Menschen in Deutschland haben während Corona vermehrt nach dem Sinn des Lebens gesucht. Laut Religionsmonitor 2023 der Bertelsmann Stiftung fanden nur wenige Orientierung durch Religion.
Von Norbert Schäfer
Wer die eigene Religion als die einzig akzeptable ansieht, neigt stärker zum Verschwörungsglauben. Das ergab eine Studie der Universität Münster.

Mehr als ein Drittel der Deutschen hat sich während der Pandemie verstärkt die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt. Dabei gab es kaum Unterschiede zwischen religiösen Menschen und denen, die keiner Religion angehören. Das zeigt die Publikation „Religion als Ressource der Krisenbewältigung? Analysen am Beispiel der Coronapandemie“, einer weiteren Teilveröffentlichung des Religionsmonitors 2023 der Bertelsmann Stiftung. Die repräsentative Studie wurde am Donnerstag vorgestellt.

Allerdings führte die Suche nach Antworten auf existenzielle Fragen viele Menschen nicht dazu, Orientierung im Glauben oder in der Religion zu suchen. Weniger als ein Drittel der Befragten empfanden Religion als hilfreich für den Umgang mit der Corona-Krise. Bei religiösen Menschen war das aber der Fall. 73 Prozent der gläubigen Muslime fanden Religion bei der Krisenbewältigung hilfreich, 34 Prozent der gläubigen Katholiken und 32 Prozent der gläubigen Protestanten.

Für die religiös Hochengagierten scheint laut der Studie „der Glaube eine wichtige Ressource zu sein, auf die sie in Krisenzeiten zurückgreifen“. Bei Nichtreligionszugehörigen lasse sich trotz der gesteigerten Offenheit für die Sinnfrage „keine verstärkte Hinwendung zu Glaubenspraktiken feststellen“.

„Das Vertrauen in die Kompetenz der Religion zur
Krisenbewältigung schließt das Vertrauen in Wissenschaft, Gesundheitssystem oder Politik nicht aus.“

Religionsmonitor 2023

Halt in der Familie

„In der Coronapandemie haben sich die Menschen vor allem an der Wissenschaft orientiert“, erklärte Yasemin El-Menouar, Religionsexpertin der Bertelsmann Stiftung, in einer Pressemitteilung. Sie erklärt: „Religiöse Strukturen wie Gemeinden in der Nachbarschaft können aber ebenfalls eine wichtige soziale Ressource sein – das zeigt der Religionsmonitor sehr deutlich.“

Mehrheitlich haben die Deutschen die Familie (90 Prozent), die Wissenschaft (85 Prozent) und die Nachbarschaft (74 Prozent) als besonders hilfreich für die Bewältigung der Corona-Krise angesehen. Die Politik wurde lediglich von 48 Prozent der Gesamtbevölkerung als hilfreich angesehen, Religion von insgesamt 29 Prozent der Befragten. „Das Vertrauen in die Kompetenz der Religion zur
Krisenbewältigung schließt das Vertrauen in Wissenschaft, Gesundheitssystem oder Politik nicht aus“, lautet ein Befund der Studie.

Als größte Bedrohungen für die Zukunft haben die Befragten nicht Pandemien, sondern Krieg, Armut und Klimawandel wahrgenommen. Nur noch 54 Prozent befürchten Infektionskrankheiten beziehungsweise Pandemien. Die größten Sorgen sind Krieg (80 Prozent), globale Armut (78 Prozent) und der menschengemachte Klimawandel (75 Prozent).

Für den Religionsmonitor 2023 wurden im Juni und Juli 2022 in Deutschland 4.363 Menschen im Alter ab 16 Jahren befragt. Die Erhebung der Bertelsmann Stiftung untersucht seit 2008 ländervergleichend die Rolle von Religion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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