Regenbogen feiern oder neutral bleiben?

Julia Klöckner lässt zum CSD keine Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude wehen. Familienministerin Karin Prien allerdings betont, ihr Ministerium werde an der queeren Parade teilnehmen. Beide sind in der CDU. Na, was denn nun?
Von Anna Lutz

Regenbogenflagge hissen und Christopher Street Day feiern, ja oder nein? Diese Frage beschäftigt die Regierung und den Bundestag. Nur die Antworten, die die Gremien dazu geben, sind unterschiedlich. Das ist vor allem deshalb interessant, weil die jeweils Verantwortlichen in derselben Partei sind: der CDU. 

Mitte Mai teilte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner mit: Die sogenannte Pride-Flag, also die Regenbogenflagge als Zeichen der queeren Bewegung, werde zwar am 17. Mai einmalig auf dem Dach des Reichstagsgebäudes gehisst. Denn dies ist der Tag, an dem 1990 Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation für Krankheiten gestrichen wurde. Ein entscheidender Moment „im Kampf gegen Diskriminierung“, so Klöckner. 

Zum Christopher Street Day aber, jener jährlichen Straßenparade der LGBTQI+-Bewegung, werde sie nicht wehen und auch an keinem anderen Tag. Stattdessen soll allein die Bundesflagge repräsentieren, „wofür unser Grundgesetz steht – eben auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und gegen Diskriminierung“, erklärt die CDU-Politikerin.

„Gebotene Neutralitätspflicht“

Diese Entscheidung geht laut Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) auch auf den Bundestagsdirektor Paul Göttke zurück. Der erklärte, dass „die Bundestagsverwaltung als solche, insbesondere aufgrund der gebotenen Neutralitätspflicht, nicht an politischen Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen teilnimmt“. Klöckners Vorgängerin Bärbel Bas (SPD) handhabte das noch anders. Da wehte die Fahne auch anlässlich des CSD.

Dass dieses Neutralitätsgebot auch innerhalb der CDU durchaus unterschiedlich gehandhabt wird, zeigte sich am Mittwoch. Da erklärte Bundesfamilienministerin Karin Prien, wie Klöckner CDU-Politikerin, folgendes: „Unser Ministerium wird auch in diesem Jahr wieder mit einem eigenen Wagen beim Berliner CSD vertreten sein.“ Für sie sei dies „ein wichtiges Zeichen für die Anerkennung und den Respekt vor der Vielfalt in unserer Gesellschaft — gerade angesichts zunehmender Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität weltweit und leider auch in Deutschland“, wie die Ministerin auf PRO-Anfrage mitteilte. 

Eine ebensolche Teilnahme wurde Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung untersagt. Es sei denn, sie sind privat dort unterwegs. „Außerhalb des Dienstes steht den Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung eine Teilnahme an solchen Versammlungen selbstverständlich frei“, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage von PRO. 

Gibt es da also Streit innerhalb der Union zum Thema LGBTQI+? Bundesregierung und Deutscher Bundestag, so erklären beide Stellen auf Nachfrage, agierten unabhängig voneinander und stimmten sich nicht ab. 

Die CDU selbst hat auf die Anfrage von PRO noch nicht reagiert. Bleibt also die Frage: Ist die Teilnahme am CSD und die öffentliche Solidarität mit der politischen Veranstaltung mit der Neutralitätspflicht staatlicher Behörden vereinbar? Denn eine solche ist nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern auch das Bundesfamilienministerium. 

Protest aus SPD

Derweil hat sich laut „Welt“ eine Gruppe von SPD-Abgeordneten an Klöckner und Göttke gewandt und gegen das Verbot der CSD-Teilnahme protestiert. „Wir halten dies für ein falsches und in der aktuellen gesellschaftlichen Lage leider auch fatales Signal“, heißt es in dem Brief, den Sonja Eichwede, Carmen Wegge, Dagmar Schmidt, Sebastian Fiedler, Falko Droßmann und Jasmina Hostert unterzeichnet haben. 

Es sei irritierend, dass eine Beteiligung von Beschäftigten und Beamten der Bundestagsverwaltung aus Neutralitätsgründen nicht zulässig sein solle, zitiert die Zeitung weiter aus dem Schreiben. Schließlich gehe es bei der Veranstaltung auch darum, sich für die Werte des Grundgesetzes einzusetzen. Und weiter: „Wir bitten Sie daher nachdrücklich, die Entscheidung zu überdenken und der Bundestagsverwaltung eine offizielle und sichtbare Beteiligung am diesjährigen CSD in Berlin zu ermöglichen.“

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen