„Privatisierter Glaube“ im „häuslichen Abseits“

Die Evangelische Allianz zeigt Verständnis für die Bitte um den Verzicht auf Ostergottesdienste vor Ort – aber auch für Gemeinden, die sich anders entscheiden.
Von Nicolai Franz
„Dass Menschen vor den Küsten Europas jämmerlich ums Leben kommen, das geht gar nicht“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Ekkehart Vetter, dem Christlichen Medienmagazin pro (Archivbild)

Nach den Bund-Länder-Beschlüssen zur Corona-Pandemie hat die Deutsche Evangelische Allianz (DEA) Verständnis für die Bitte um Verzicht auf Präsenzgottesdienste gezeigt. „Wir verstehen die Argumente beider Seiten: Einerseits sollen wir Kontakte minimieren, um das Virus einzudämmen. Andererseits wollen wir gerade an den höchsten Festtagen der Christenheit Gottesdienste gemeinsam erleben – mit natürlich coronagerecht durchgeführten und mit den Behörden vereinbarten Hygienekonzepten“, erklärte DEA-Chef Ekkehart Vetter am Dienstag.

Die Bund-Länder-Konferenz habe die Kirchen gebeten, Gottesdienste virtuell abzuhalten. Kirchen und Gemeindeverbände, die der Evangelischen Allianz nahestehen, würden hier unterschiedlich entscheiden, auch weil die jeweiligen lokalen Gegebenheiten sehr verschieden seien, sagte Vetter.

Unverständnis ist kein „bornierter Protest“

Er machte aber auch deutlich, dass die Allianz die Gemeinden verstehe, die dieser Bitte nicht entsprächen. Das sei kein „bornierter Protest“. „Wir sind dankbar für die enorme digitale Lernkurve, die in vielen Gemeinden stattgefunden hat, aber sind die christlichen Hochfeste wirklich der geeignete Rahmen für die Regierenden, den ohnehin schon zu weit privatisierten Glauben in der Gesellschaft noch mehr ins häusliche Abseits zu bitten?“, so Vetter.

Christen genössen an Karfreitag und Ostern nicht einfach freie Tage, sondern sie beteten miteinander und feierten den lebendigen Gott. „Das wird und muss in einer säkularisierten Gesellschaft nicht jeder verstehen, aber dankenswerterweise seien ‚die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses‘ in unserem Staat ‚unverletzlich‘. Und ‚die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet‘“, heißt es in der Stellungnahme.

In den Beschlüssen, auf die sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs in der Nacht zu Dienstag geeinigt hatten, heißt es: „Bund und Länder werden auf die Religionsgemeinschaften zugehen, mit der Bitte, religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen.“ Teil des Beschlusspakets ist eine „erweiterte Ruhezeit“ zu Ostern. Der Gründonnerstag (1. April) und der Karsamstag (3. April) sollen zu einmaligen Ruhetagen erklärt werden, sodass das Land vom 1. April bis zum Ostermontag am 5. April komplett herunterfährt.

Die Evangelische Allianz ist ein Netzwerk, zu dem mehr als eine Million evangelikaler Christen aus Landes- und Freikirchen gehören. In Deutschland gib es rund 1.000 örtliche Allianzgruppen.

„Lebendige Gemeinde“ kritisiert Bitte um Verzicht

Die pietistische Bewegung „Lebendige Gemeinde“ zeigte sich überrascht von der Bitte der Bund-Länder-Runde, Ostergottesdienste nur virtuell zu feiern. „Karfreitag und Ostern sind für evangelische Christen die höchsten Feiertage im Jahr. Dass ausgerechnet dieses Fest mit einer generellen Gottesdienst-Abstinenz belegt werden soll, erscheint uns nicht plausibel und nicht verhältnismäßig“, teilte die Bewegung am Dienstag mit.

Die Gottesdienste der landeskirchlichen Gemeinden und Gemeinschaften würden seit Monaten nach strikten Hygienekonzepten durchgeführt. „Es sind keine landeskirchlichen Hotspots bekannt, die Infektionen verbreitet hätten. Auch die Gottesdienste an Weihnachten hätten gezeigt, dass die Kirchen sehr verantwortlich mit ihren Gottesdiensten umgingen. „Aus diesem Grund empfehlen wir, dass Präsenzgottesdienste unter den bislang gegebenen Voraussetzungen weiter stattfinden.“ Die Absage einzelner Präsenzgottesdienste aufgrund hoher regionaler Inzidenzen könne geboten sein, einen pauschalen Gottesdienstverzicht lehnt die „Lebendige Gemeinde“ aber ab.

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6 Antworten

  1. Dem Schöpfer des Himmels und der Erde selbst sind die Versammlungen und die Gemeinschaft derer, die mit ihm verbunden leben wichtig.
    In der Bibel, seinem Wort, ist immer wieder zu lesen, dass Er heilige Versammlungen einberuft und sagt, dass wir die Versammlungen nicht versäumen sollen.
    Er ist übrigens auch Herr über die Pandemie und bei ihm ist Hilfe für unser Leben.
    Die Hinwendung zu ihm und seinen Herzensanliegen wird uns persönlich und unserem Land in erster Linie Rettung sein, sogar über dieses Leben hinaus.
    Danach erst jede Schutzmaßnahme.
    Lasst uns ihm vertrauen.

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  2. Danke für den Kommentar und auch an Martin Luther. Er sagt: „Die Arznei macht kranke, die Mathematik traurige und die Theologie sündhafte Leute.“ Jesus selbst und auch seine Jünger haben nie materielle Heilmittel verwendet. Auf die Frage des Johannes, ob er der Messias sei, antwortete Jesus: „Gehet hin und verkündiget Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Tauben hören, die Toten stehen auf, den Armen wird das Evangelium gepredigt“ Luk. 7:22. Ich glaube wir müssen noch etwas tiefer in die Bibel schaun, um das Heilen zu lernen.

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  3. Aus meiner Sicht muss es die Möglichkeit zum Oster- und Karfreitagsgottesdienst in der Regel geben! Es kann sein, Örtliche Ausnahmen sind nötig. Sonst aber die AHA Regeln und warum nicht im Freien, wo es ungefährlicher ist? Es ist schlimm genug, wenn auch einsichtig, nicht zu singen. Aber das Leben kann nicht online stattfinden!
    Im Übrigen muss Kirche selber und von sich aus entscheiden. Nicht dieRegierung. Und es ist Zeit, dies selbst verantwortlich und vorbildlich eigenständig zu tun. Das kann nicht Sache des hilflos wirkenden Staates sein.

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  4. Wir sollten dringend überlegen, wem wir dienen und wem wir unser ganzes Vertrauen schenken – Gott oder dem Staat, der sich in seinen Äußerungen zu Gott erhebt und glaubt, er allein kann in seinem Handeln die von Gott zugelassene Situation der Pandemie „beheben“.
    Es gibt Gebiete, die sind und bleiben schon die ganze Zeit „geschlossen“ – andernorts gab es Lockerungen.
    Allerdings herrscht in den Kirchen ein strengeres Hygienegebot, die Menschen sitzen weiter auseinander als in wiedereröffneten Konzerthäusern oder Stadien. Wo also ist die Ansteckungsgefahr größer? Konzerte u.ä. werden erlaubt, aber Gottesdienste staatlich „verboten“? Wer „regiert“ eigentlich in der Kirche? Jesus oder der Staat?

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  5. lieber Nicolai Franz, Ihr Bericht über die Stellungnahme der EAD kommt etwas „wachsweich“ daher. Es entstand für mich der starke Eindruck, dass bei der EAD sehr viel Verständnis für diese „Bitte“ der Regierung da sei. Liest man jedoch auf der Homepage der EAD nach, ist deren Haltung doch deutlich klarer: nämlich, dass die Gottesdienste für die Gemeinschaft der Gläubigen sehr sehr wichtig sind. Das kann ich nur unterschreiben.

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