Kinderrechte ins Grundgesetz: Entwurf liegt vor

Die Regierungskoalition will Kinderrechte im Grundgesetz verankern. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat dem Kabinett dazu nun einen Entwurf vorgelegt. Kritiker fürchten, der Staat mische sich auf dem Weg in die elterliche Erziehung ein.
Von Jonathan Steinert
Wird der Staat Eltern zukünftig stärker bei der Erziehung hineinreden? Kritiker von Kinderrechten im Grundgesetz befürchten das.

Kinderrechte sollen ins Grundgesetz. So haben es die Regierungsfraktionen im Bundestag im Koalitionsvertrag beschlossen. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat am Dienstag einen Entwurf dafür vorgelegt und dem Kabinett zur Ressortabstimmung überwiesen. Demnach soll Artikel 6 des Grundgesetzes um einen Absatz ergänzt werden. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung, ihr liegt der 14-seitige Entwurf vor. Der Artikel stellt Ehe und Familie unter den „besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ und weist den Eltern das Recht und die Pflicht zu, für die Pflege und die Erziehung ihrer Kinder zu sorgen.

Der neue Absatz 1a soll wie folgt lauten: „Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör.“

Der Entwurf orientiert sich an den Ergebnissen, die eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Bund und Ländern Ende Oktober präsentierte. Das Gremium hatte verschiedene Aspekte der Rechtsprechung und der gesetzlichen Regelungen diskutiert und mögliche Varianten dafür entwickelt, wie Kinderrechte im Grundgesetz formuliert werden könnten. Dazu machte die Arbeitsgruppe drei alternative Vorschläge. Im ersten Satz neben dem Schutz und der Achtung der Grundrechte von Kindern auch deren „Förderung“ aufzunehmen, wie es nun im Entwurf der Ministerin der Fall ist, war in der Arbeitsgruppe umstritten. Einige Teilnehmer waren der Ansicht, dass dies über die bisherige Rechtsprechung hinausgehe, heißt es im Bericht des Gremiums.

Kritiker würden lieber Position von Eltern stärken

Strittig war auch die Frage, ob der Staat in seinem Handeln das Wohl des Kindes „wesentlich“, „vorrangig“ oder lediglich „angemessen“ zu berücksichtigen habe. Lambrechts Entwurf sieht die letztgenannte, schwächste Formulierung vor. Das Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat solle nicht angetastet werden, wie es laut Süddeutscher Zeitung in dem Entwurf heißt.

Denn genau an dem Punkt setzen Kritiker des Vorhabens an: Sie befürchten, der Staat könnte sich mit dieser Regelung in die elterliche Erziehung einmischen. Ziel der Grundgesetzänderung sei eigentlich nicht, Kinder in Deutschland besser zu schützen, schreibt etwa die katholische Publizistin Birgit Kelle im Sommer. „Es geht vielmehr um das Reißen einer Kompetenzgrenze, die Eltern derzeit halten – und zwar gegen den Staat.“ Die Neuregelung „würde mit der Selbstverständlichkeit brechen, dass Eltern selbst entscheiden, was gut und richtig ist für ihre Kinder, dass sie entscheiden, wie sie ihre Kinder erziehen, welche Werte sie weiterreichen, was sie ihren Kindern erlauben oder verbieten“. Kinder seien rechtlich durch die ohnehin geltenden Grundrechte ausreichend geschützt.

Der Familienbund der Katholiken ist ebenfalls gegen Kinderrechte im Grundgesetz und sähe lieber die Position von Eltern und Kindern in der Gesellschaft gestärkt. Ähnlich äußerte sich auch die Deutsche Evangelische Allianz: „Um Kindern wirklich zu helfen, müsse die wirtschaftliche Situation von Familien verbessert werden“, heißt es in einer Stellungnahme.

Der Entwurf des Justizministeriums liegt den Kabinettsmitgliedern nun vor. Eine finale Entscheidung trifft die Regierung, wenn Verbände und Länder Stellungnahmen dazu abgegeben haben. Nach dem Kabinettsbeschluss geht der Entwurf ins Parlament. Für die Grundgesetzänderung braucht es sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Von: Jonathan Steinert

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