„Selbstbestimmungsrecht, das sexuelle Umorientierungen beinhaltet“

Für seinen Vorschlag, sogenannte Konversionstherapien für Homosexuelle zu verbieten, erntet Gesundheitsminister Jens Spahn Zuspruch. Doch es gibt auch Kritik an dem Vorstoß.
Von PRO
Ein Liebespaar hält Händchen (Symbolbild)

Bundesgesundheitsminster Jens Spahn (CDU) will sogenannte Konversionstherapien für Homosexuelle zeitnah verbieten lassen. Das machte er am Dienstag während einer Pressekonferenz in Berlin deutlich. Zwei Kurzgutachten stützen ihn in seinem Entschluss. Unter anderem berichten die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und zahlreiche Medien über einen Zuspruch für die Pläne. Doch es gibt auch Stimmen, die die weitere Legalität der Therapien fordern.

Der Vorsitzende des Bibelbunds, Michael Kotsch, erklärte am Dienstag zur aktuellen Debatte: „Der Bibelbund will niemanden zwingen, seine homosexuelle Orientierung zu verändern. Er plädiert aber für ein Selbstbestimmungsrecht, das auch sexuelle Umorientierungen beinhaltet. Menschen, die homosexuelle Gefühle verändern wollen, sollen dazu auch eine therapeutische Chance bekommen; und zwar nicht nur in der vom Mainstream beworbenen Richtung.“ Das Wissen über den Ursprung homosexuellen Empfindens sei „noch sehr fragmentarisch“, sagte Kotsch. Gebetsmühlenartig werde in der derzeitigen Diskussion wiederholt, dass „Homosexualität keine Krankheit“ sei, „obwohl es beim geplanten Verbot von Konversionstherapien und Seelsorgeangeboten gar nicht um diese Frage geht“.

Meinungsfreiheit eingeschränkt?

Er sieht durch ein solches Verbot zudem eine Einschränkung der Meinungsfreiheit: „Christen [betrachten] es als höchst problematisch, wenn der Staat mit solchen Gesetzen durch die Hintertür die religiöse Meinungsfreiheit in Deutschland deutlich einschränkt.“ Weiter sagte der Vorsitzende des Bibelbunds: „Ganz offensichtlich ist die Zeit reif für diesen Schritt politisch gesteuerter Ethik. Als Gegner machen die Medien zwischenzeitlich nur noch eine kleine Gruppe ,radikaler Christen‘ aus, die das vertreten, was noch vor 20 Jahren gesellschaftlicher Konsens war.“ So schreibt etwa die Tagesschau auf ihrer Internetseite: „Vor allem radikale Christen fielen in der Vergangenheit immer wieder damit auf, dass sie Pseudotherapien anbieten oder empfehlen.“

Die SPD-Gesundheitsexpertin Hilde Mattheis hingegen forderte laut der Zeitung Die Welt den Gesundheitsminister auf, rasch einen Gesetzesentwurf zu präsentieren: „Wir müssen das unmissverständliche Signal an alle Menschen im medizinisch-therapeutischen und im religiösen Bereich setzen, dass Versuche, die Sexualität von Menschen umzupolen, bestraft gehören.“ Mattheis sieht im Bundestag eine „breite Mehrheit“ für ein Verbot.

Der für Lesben-und Schwulenpolitik zuständige FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Brandenburg erklärte am Dienstag der dpa: „Es ist gut, dass die Vorbereitung eines Verbots der menschenverachtenden Umpolungstherapien nun endlich Fahrt aufnimmt.“

In der Augsburger Allgemeinen lobte der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Spahns Vorhaben als einen überfälligen Schritt. Verbandssprecher Markus Ulrich erklärte: „Wir fordern eine umfassende Ächtung dieser Angebote – insbesondere junge Lesben, Schwule, bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen brauchen diesen Schutz.“

„Kein Therapieziel von vornherein ausschließen“

Die Deutsche Evangelische Allianz hatte sich bereits Mitte Mai in einem Schreiben gegen ein Verbot von sogenannten Konversionstherapien gewandt. „Durch ein pauschales Verbot von unscharf definierten Konversionstherapien könnten grundlegende Freiheits- und Persönlichkeitsrechte beschnitten und hilfreiche Angebote erschwert werden“, schrieben der Vorsitzende Ekkehart Vetter und der damalige Generalsekretär der Allianz, Hartmut Steeb.

Weiter hieß es darin: „Der Staat darf kein Therapieziel von vornherein ausschließen und sanktionieren.“ Dabei bezieht sich die Allianz ausdrücklich auf das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Ebenso, wie es möglich sei, etwa eine Geschlechtsumwandlung zu vollziehen oder die eigene Geschlechtsidentität unabhängig vom biologischen Geschlecht zu definieren, müsse es auch möglich sein, sich mit „konflikthaft erlebten homosexuellen Impulsen und Gefühlen auseinanderzusetzen“. Steeb und Vetter fordern: „Eine ergebnisoffene Beratung muss auch eine Entscheidung für den heterosexuellen Lebensentwurf zulassen.“

Konkrete Zahlen von Personen, die eine solche Therapie in Anspruch genommen haben, liegen nicht vor. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die die Gutachten für das Bundesgesundheitsministerium begleitete, geht von tausend Fällen pro Jahr in Deutschland aus.

Von: Martina Blatt

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen