„Das hätte in vielen Städten passieren können“

Seit am Wochenende ein Mann in Chemnitz durch Messerstiche starb, bekämpfen sich Rechte und Linke auf offener Straße, Tausende demonstrieren, zwanzig Personen wurden verletzt. Chemnitz ist die Heimat des evangelischen Bundestagsabgeordneten Frank Heinrich (CDU). Pro hat ihn gefragt, wie er die Lage vor Ort beurteilt und wie die Christen in der Stadt mit den Ausschreitungen umgehen.
Von PRO
Frank Heinrich verteidigt im Interview seinen Parteikollegen Michael Kretschmer und spricht über das Engegement der Christen in Chemnitz

pro: Herr Heinrich, wenn Sie die Bilder aus Chemnitz dieser Tage sehen, was geht da in Ihnen vor?

Frank Heinrich: Es gab eine Eskalation aufgrund einer falschen Information. Medien haben berichtet, dass es eine sexuelle Belästigung gab und der durch Messerstiche getötete Mann dazwischen gegangen ist. Das ist durch nichts belegt, wie die Polizei jetzt sagt. Aber es hat die Menschen wütend gemacht. Das hätte auch in vielen anderen Städten passieren können. Selbstverständlich ist das in keinster Weise eine Rechtfertigung dafür, dass Menschen aufgrund ihres Äußeren von anderen gejagt werden.

In Chemnitz haben 24 Prozent bei der Bundestagswahl AfD gewählt. Deutet das nicht darauf hin, dass die Lage aufgeheizter ist als in anderen Städten?

Das Wutpotenzial gibt es an vielen Stellen. Ich will aber nichts relativieren. Wir müssen in Sachsen besonders genau hingucken. Aber wir wissen auch, dass viele Rechte aus ganz Deutschland nach Chemnitz angereist sind, um zu demonstrieren.

Unter den 7.000 Demonstranten sind aber nicht nur Weitangereiste, sondern auch ganz normale Chemnitzer Bürger …

Ja, aber nicht alle 7.000 zeigen Hitlergrüße oder sind gewalttätig. Es waren etliche gewaltbereite Hooligans vor Ort. An den Sprechchören haben sich auch ganz normale Bürger beteiligt, sogar Familien sind da mitgelaufen. Aber darüber hinaus sind sie nicht aktiv geworden. Der große Teil wollte nur demonstrieren. Möglicherweise wussten viele gar nicht, was es da für extreme Ausschreitungen gab. Dennoch muss ich ihnen übel nehmen, dass sie sich nicht besser informiert haben und damit die Rechten unterstützt haben.

Hätten sich Ministerpräsident Michael Kretschmer und Bundesinnenminister Horst Seehofer umgehend zu den Vorfällen äußern müssen?

Ich will sie nicht rechtfertigen, aber ich wünschte mir manchmal, dass gerade die Presse uns Politikern die Zeit lässt, um die Situation wirklich zu analysieren. Wir wussten einen Tag nach den Vorfällen zum Beispiel noch nichts von der geringen Anzahl der Gewaltbereiten. Stattdessen urteilt die Öffentlichkeit gerade uns in Sachsen jetzt sehr schnell ab. Das führt dazu, dass viele Bürger sagen: Gut, dann sollen sie mich eben rechtsradikal nennen, das ist mir egal.

Man hätte aber verlangen können, dass der Ministerpräsident die Situation vor Ort sichtet, oder?

Kretschmers Besuch ist für die nächsten Tage angekündigt. Der sächsische Innenminister Roland Wöller war am Montag den ganzen Tag vor Ort. Das halte ich für angemessen.

Sie sind eng mit Kirchen und christlichen Organisationen vor Ort verbunden. Wie haben die auf die Unruhen reagiert?

Es gab noch am Montagnachmittag ein interkonfessionelles Friedensgebet. Die Kirche war voll. Am Dienstag haben Vertreter verschiedenster Kirchen und Freikirchen in Chemnitz einen Gebetsaufruf gemacht. Noch am selben Tag trafen sich Christen zum Gebet unweit der Stelle, wo der Mann erstochen wurde und die Demos stattfanden.

Herr Heinrich, vielen Dank fürs Gespräch.

Die Fragen stellte Anna Lutz

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