Beer: Union wollte jeder „abstrusen grünen Forderung“ entgegenkommen

CDU und CSU haben in den Jamaika-Sondierungen zu wenig angeboten. Das erklärte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer im pro-Gespräch – und verrät, wie die Partei Politik „vom Menschen her“ denken will.
Von PRO
Nicola Beer, hier im Wahlkampf, ist seit 2013 Generalsekretärin der FDP und war seit 1999 – mit Unterbrechung – Abgeordnete im hessischen Landtag.

Frau Beer, Christian Lindner hat den Abbruch der Koalitionssondierungen mit mandelndem Vertrauen begründet. Sie haben vier Wochen lang verhandelt. Wie kann da von einem Tag auf den nächsten das Vertrauen ausbleiben?

Neben den deutlichen inhaltlichen Unterschieden war länger absehbar, dass es keine gemeinsame Vertrauensbasis geben wird. Wenn man vier Wochen an einem Tisch sitzt, immer einen Schritt vor und dann wieder drei zurück geht, es permanent Sperrfeuer gibt, dann fragt man sich natürlich: Wenn das schon in der Sondierung so abläuft, wie soll man dann zusammen regieren?

Sie selbst sind evangelische Christin: Was hätte Jamaika für die Christen in Deutschland erreichen können – und was nicht?

Für Christen, aber auch für Menschen anderer Glaubensrichtungen und solche, die sich zu keinem Glauben bekennen, wäre es gut gewesen, wenn die Politik wieder vom Menschen aus gedacht würde. Das hätten wir als Freie Demokraten gerne zum Prinzip erhoben: Weg vom Kollektiv, wo der Einzelne untergeht oder sich anpassen muss, hin zu mehr Freiraum und Selbstbestimmung. Gerade in der Jamaika-Konstellation hätten wir das leider nicht als grundlegendes Prinzip verankern können.

Christian Lindner hat nicht nur die Verhandlungsführung der Grünen kritisiert, sondern auch in Richtung Merkel erklärt, ein „Weiter so“ könne es mit seiner Partei nicht geben. Würde die FDP es mit der Union alleine noch einmal versuchen, zum Beispiel nach Neuwahlen?

Unter der Bedingung, dass wir zu anderen Inhalten kommen, ja. In den Sondierungen wollte die Union nichts verändern, wollte ein „Weiter so“ der Merkel-Politik der vergangenen vier Jahre, mit etwas mehr ökologischem Landbau für die Grünen. Das ist zu wenig für die Menschen in Deutschland, ihre Potentiale und auch ihre Vorstellungen; dem darf man nicht zu einer Mehrheit verhelfen.

Wie haben Sie die Union in den Sondierungsgesprächen erlebt – tendenziell näher bei den Grünen oder bei Ihnen, der FDP?

Auf dem Papier gab es weit mehr gemeinsame Positionen der CDU/CSU mit der FDP, da war man sich inhaltlich näher. Die Union war aber immer sehr darauf bedacht, jeder noch so abstrusen grünen Forderung irgendwie entgegenkommen zu wollen. Da war es dann am Ende schwierig, Ausgewogenheit herzustellen.

Politik und Medien werfen Ihrer Partei nun vor, die eigenen Interessen über die des Landes zu stellen. Tatsächlich müssen Sie sich fragen lassen, warum man Ihnen bei möglichen Neuwahlen die Stimme geben sollte, wenn Sie nicht bereit sind, zu koalieren.

Uns geht es um Glaubwürdigkeit in der Politik. Es ist ein schwieriges Abwägen: Ist ein Kompromiss gerade noch tragbar, oder muss man dafür die eigenen Werte und Zielvorstellungen aufgeben? Wir wollen nicht unsere Haltung an der Garderobe abgeben, nur um Teil einer Koalition zu werden. Wir wären gerne Teil eines Projektes für ein innovatives und weltoffenes Deutschland geworden, das Freiräume schafft für Freiheit und Verantwortung. Bei Verhandlungspartnern, die eher vom Kollektiv, vom eingreifenden Staat her denken, ist das schwierig. Die gleichen Stimmen, die sich nun über uns beklagen, hätten „Umfallerpartei“ geschrien, hätten wir zu viele Kompromisse gemacht.

Welche Option halten Sie für die Wahrscheinlichste: Neuwahlen, Minderheitsregierung, Große Koalition?

Das hängt vom Bundespräsidenten ab und davon, was Bundeskanzlerin Merkel sich überlegt. Die FDP wird eine konstruktive Opposition machen, oder sehr selbstbewusst in Neuwahlen gehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellten Anna Lutz und Moritz Breckner

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