Union macht Hetze und Fake News zum Thema

Weil sich im Internet Fake News, Hass und Hetze ausbreiten und die Demokratie gefährden, geraten Anbieter sozialer Medien stärker unter Druck. Bei der Bekämpfung der Phänomene sind nach Auffassung eines Juristen in erster Linie die Diensteanbieter in der Pflicht – und die klassischen Medien.
Von Norbert Schäfer
Medienrechtsexperte Rolf Schwartmann erkennt in Ehrverletzungen und gezielten Desinformationen in den sozialen Medien eine Gefahr für die Demokratie

Soziale Medien bieten nicht nur Chancen und Möglichkeiten für die politische Kommunikation. Rüder Umgangston, Hetze, Hass und Fake News haben auch schädliche Auswirkungen für die Demokratie und auf die Gesellschaft. Diese Ansicht vertrat der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, am Mittwoch.

Für die Gegenmaßnahmen sind die Dienstanbieter in der Pflicht. Nach Ansicht von Rolf Schwartmann, Professor für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht und Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrechte an der Technischen Hochschule Köln, sind nach dem Telemediengesetz in erster Linie die Anbieter für die rechtmäßige und gefahrlose Nutzung der Dienste verantwortlich. Facebook hat nach eigenen Angaben in Deutschland erste Maßnahmen ergriffen, und arbeitet zur Überprüfung von Meldungen mit der journalistischen Plattform Correctiv zusammen.

„Dass die sozialen Medien, in dem Fall Facebook, diese Überprüfung nicht selber übernimmt, kann ich nachvollziehen, obwohl sie rechtlich in der Pflicht wären“, sagte Schwartmann bei einem Fachgespräch der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Die Überprüfung durch externe Dienstleister stelle ein Risiko dar und es sei sehr genau auf deren Expertise, die journalistische, juristische und finanzielle Ausstattung solcher „Überprüfungsmechanismen“ zu achten.

Schwartmann sieht aber auch die Presse in der Verantwortung. „Für meine Begriffe geht es nicht ohne die Branche, denn wir reden über klassische Medieninhalte“, erklärte Schwartmann. Der Medienprozess sei seiner Auffassung nach ein wesentlicher Bestandteil der Presse. Daher sei mehr erforderlich, als allein Facebook in die Verantwortung zu nehmen.

Selbstregulierung und Verhaltenskodex sollen helfen

Schwartmann empfahl einen gemeinsamen, selbstverpflichtenden Verhaltenskodex für Facebook, Google, Twitter und YouTube, über den öffentlich zu diskutieren sei. Dies könne durch einen Ethikbeirat und unter Beteiligung des Staates begleitet werden. Ziel könne sein, nach dem Vorbild des Jugendmedienschutzes, eine regulierte Selbstregulierung in den sozialen Medien zu schaffen. Dazu sollten sich die Dienstanbieter zu einer Selbstkontrolleinrichtung zusammenschließen. Der Staat könne sich dann auch eine Aufsicht über die Selbstkontrolle beschränken, um unzureichenden Schutz durch die Selbstkontrolle zu verhindern. Dazu sei die Mitwirkung der Länder und der Landesmedienanstalten, gesetzlich verankert in einem Staatsvertrag, erforderlich.

Bei der Regulierung der „Meinungsäußerungsfreiheit” empfahl der Jurist bedachte und verantwortungsbewusste Erwägung von Maßnahmen. „Ich glaube, dass wir aufgerufen sind und nicht anders können, als der Demokratie jetzt den Schutz zu geben, den sie braucht, ohne sie zu ersticken“, sagte Schwartmann. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verliert seiner Ansicht nach derzeit rasant an Legitimation, weil es als Vorwand für Ehrverletzungen und gezielte Desinformation in den sozialen Medien missbraucht werde.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit müssten auch in den sozialen Medien gewahrt bleiben. Eine Gefahr für die Demokratie sieht der Jurist darin, wenn Falschmeldungen den Ausgang von Wahlen beeinflussen und verfälschen. Öffentlich geäußerte Meinungen und Tatsachenbehauptungen müssten sich der rechtlichen Überprüfung stellen.

Facebook will Fake News kennzeichnen

Derzeit nutzen nach Angaben von Eva-Maria Kirschsieper, Leiterin Public Policy bei Facebook, rund 29 Millionen Deutsche die Plattform. Das Unternehmen wisse um seine Verantwortung und arbeite an Lösungen. „Fake News sollen auf unserer Plattform nicht verbreitet werden“, sagte Kirschsieper. Dazu habe das Unternehmen das Melden von Fake News eingeführt. Erkannte Fake News sollen zukünftig mit einem „Label“ gekennzeichnet werden und die Möglichkeit zur soll Meldung deutlich vereinfacht werden. Dennoch will das Unternehmen nicht verhindern, dass vom Dienstleiste als zweifelhaft markierte Informationen weiter geteilt werden können.

Eva-Maria Kirschsieper, Leiterin Public Policy Facebook, und Rolf Schwartmann Foto: pro/Norbert Schäfer
Eva-Maria Kirschsieper, Leiterin Public Policy Facebook, und Rolf Schwartmann

Zudem verlange die Plattform die Registrierung ihrer Mitglieder mit erkennbarer Identität. Schwartmann verwies auf den Hauptsitz der datenverarbeitenden Stelle von Facebook in Ireland. In Ireland, dessen Gesetze in dem Fall angewendet würden, gebe es die Klarnamenspflicht nicht.

Hansjörg Durz, CDU-Bundestagsabgeodneter, möchte erreichen, dass „Richtigstellungen“ bei erkannten und markierten Fake News auch denen erkennbar angezeigt werden, die mit der falschen Information auf der Plattform konfrontiert worden seien. Er forderte zudem ein Bewusstsein für mehr Medienkompetenz. Die Kraft zur differenzierten Debatten in den sozialen Medien sei vielen verloren gegangen, die Engagierten zögen sich daher zurück. Das sei ein Problem bei allen, die sich ehrenamtlich engagierten und dafür Kritik ernteten.

Der Politiker Axel Wallrabenstein, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens MSL Group Germany, erkennt auf Facebook und Twitter eine große Verunsicherung der Bevölkerung. Im Blick auf die Berichterstattung zur US-Präsidentschaftswahl und die Tweets von Donald Trump sagte Wallrabenstein: „Wie will man auseinanderdividieren, was Hass-Meldungen und was Falschmeldungen sind?“ Das Phänomen lasse sich nicht auf die sozialen Medien beschränken.

Simon Hegelich, Professur für Political Data Science der Hochschule für Politik (HfP) an der Technischen Universität München, erkannte in der gegenwärtigen Situation einen „disruptiven Wandel der Öffentlichkeit“. Ein Problem bei der Ahnung und Bekämpfung von Hass und Falschinformation sei die Anonymität in den sozialen Netzwerken. Bei der Erforschung des Fake-News-Phänomens sei die Wissenschaft bislang „völlig blind“, es fehlten die Methoden.

Leidenschaft: Ja – Hass: Nein

Kauder wünschte sich emotional und leidenschaftlich geführte Debatten. Allerdings dürften Beleidigungen, Verleumdungen und Kränkungen nicht zugelassen werden. Die sozialen Medien seien in den vergangenen Jahren zu einem Ort geworden, wo dem politischen Gegner „unzählige Male die Ehre genommen“ werden. „Das was in der analogen Welt verboten ist, muss auch in der digitalen Welt verboten sein“, sagte der Unionspolitiker.

Kauder sieht in der massenhaften Verletzung von Persönlichkeitsrechten neben der Gefahr für die Demokratie auch negative Auswirkungen auf das Zusammenleben in der Zivilgesellschaft. Kauder nannte „psychische Destabilisierung“ von Jugendlichen durch Mobbing im Internet und bemängelte, dass derzeit von den Diensteanbieter nicht eingehalten werde, was im Telemediengesetzt geregelt sei. „Wir wollen, dass das Recht durchgesetzt wird, aber nicht Kritik und die im Meinungsaustausch zulässige kritische Auseinandersetzung verbieten.“

Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali ergänzte: „Hass, Hetze und Beleidigung sind nicht geschützt durch die Meinungsfreiheit, waren aber in den sozialen Medien mehr oder weniger geschützt“. Facebook zensiere nackte Brüste, aber Antisemitismus bliebe auf der Plattform stehen. Die Journalisten mahnte zur Unterscheidung zwischen Fehlern, die auch Journalisten machten, und absichtlich gestreuten, bewusst falschen Informationen. (pro)

Von: nob

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