Pfadfinder arbeiten sexualisierte Gewalt im Verband auf

Der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder stellt sich seiner Vergangenheit. Er will Fälle sexualisierter Gewalt im Verband aufarbeiten. Dabei helfen ihm zwei renommierte Forschungsinstitute.
Von Johannes Blöcher-Weil
Der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder setzt sich kritisch mit seiner Vergangenheit auseinander

Die Botschaft war eindeutig. Im Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VcP) hat es Fälle sexualisierter Gewalt gegeben und es gibt sie noch. „Dies gilt es ungeschönt anerkennen“, hat Peter Keil vom VcP-Bundesvorstand im Rahmen einer Pressekonferenz gefordert. Die VcP-Gremien haben deswegen entschieden, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten und nehmen dafür fast eine halbe Million Euro in die Hand. Die Pressekonferenz soll der Startschuss für die Aufarbeitung sein.

„Wir wollen weg von Vermutungen und dahin schauen, wo es wehtut“, betonte Keil. Pfadfinder-Arbeit lebe vom Vertrauen. Begünstigt worden seien die Fälle durch intensive Beziehungsarbeit und klare Hierarchien, die es im VcP gebe. „Eigentlich sollten unsere Gruppen Schutzorte sein. Deswegen ist jeder Fall einer zu viel.“

Johanna Mixsa, Mitglied in der VcP-Bundesleitung, betonte, dass der Verband mit der Aufarbeitung der Fälle bewusst in sein Inneres schaue. Es gehe darum, die Taten zu benennen und Konsequenzen für die Strukturen der Gegenwart zu ziehen: „Der Verband wird sich nicht zurücklehnen, sondern alle Mitglieder vor Ort bewusst für das Thema sensibilisieren. Die Opfer müssen gehört und entschädigt werden.“

Frage nach ideologischen Grundlagen

Wissenschaftlich aufgearbeitet werden die Fälle von zwei Instituten. Peter Caspar, vom Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP), erläuterte die Vorgehensweise. Zunächst gehe es darum zu eruieren, was passiert sei und welches Ausmaß sich nachweisen lasse. Außerdem müsse geklärt werden, wie dies passieren konnte und ob es ideologische Grundlagen gab.

Auch der Umgang mit den Fällen und die Auswirkungen auf die Betroffenen sollen aufgearbeitet werden. Aus den Beschreibungen und Analysen würden die Institute Empfehlungen für die Zukunft ableiten. Er erhoffe sich, dass über die bekannten Altfälle hinaus, Gespräche mit Betroffenen, Schlüsselpersonen und Zeitzeugen mehr Klarheit verschaffen und mögliche Schwächen in der Pädagogik aufzeigen können. Kooperieren werden man dabei mit dem Institut für Bildung und Forschung Dissens.

Kritischen Blick behalten

Auf dem Podium saß mit Harald Wiester, derjenige, der sich als erster Betroffener an den Verband gewendet und eine Aufarbeitung seines Falls vehement eingefordert hatte. Er selbst berichtete, dass er im Alter von 14 Jahren für den Zeitraum von 18 Monaten Missbrauch in seinem Landesverband erlebt habe: „Es muss sich etwas ändern und es bedarf der Untersuchung.“ Viele kritische Journalisten hätten dazu beigetragen, dass sich Verbände und Kirchen gegenüber der Wissenschaft öffneten. Damit weiterhin eine Aufarbeitung möglich ist, forderte er einen staatlich finanzierten Fonds zur Aufarbeitung.

Der Präventionsbeauftragten des VcP, Louisa Kreuzheck, war es wichtig, im VcP ein möglichst sicheren Ort für alle Menschen zu haben. Deswegen habe der Verband, den es seit 1973 gibt, das Konzept „Achtsam und aktiv“ erarbeitet, das die über 20.000 Kinder im Verband schützen solle. Es gehe darum, Grenzen zu erkennen, zu respektieren und sich mit der Aufarbeitung zu beschäftigen.

Der Bundesvorstand hatte die unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung beschlossen. Es gebe aktuell 64 bekannte Altfälle, die bis in das Jahr 1977 zurückreichten. Finanziert wird die Studie durch den VcP und von ihm gebildete Rücklagen. Die Studie selbst kostet 300.000 Euro. Für das ergänzende Hilfesystem stehen weitere 200.000 Euro zur Verfügung. Moderiert wurde die Veranstaltung von Marlene Kowalski, vom Beirat zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt.

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