Als erfolgreichstem Bundesligatrainer aller Zeiten wurde Ottmar Hitzfeld 2010 der „Ehrenpreis der Bundesliga“ verliehen. Sechsmal wurde er in Deutschland zum „Fußballtrainer des Jahres“ gewählt. Hitzfeld holte zahlreiche Titel: Er war von 1991 bis 1997 Trainer von Borussia Dortmund und gewann mit den Schwarz-Gelben zweimal die Deutsche Meisterschaft (1995, 1996) sowie die Champions League (1997). Auch den FC Bayern trainierte der Schweizer – von 1998 bis 2004 und von 2007 bis 2008. Hitzfeld gewann mit Bayern fünfmal die Meisterschaft, dreimal den DFB-Pokal und 2001 erneut die Champions League.
Die Schweiz führte er als Nationaltrainer später zweimal zur Fußballweltmeisterschaft. Auch international fehlt es Hitzfeld nicht an Ehrungen: UEFA-Trainer des Jahres (2001), zweimaliger Weltclubtrainer (1997, 2001), Welttrainer des Jahres (1997). Von 2008 bis 2017 war Hitzfeld als TV-Experte bei dem Bezahlfernsehsender Sky unter Vertrag. Heute lebt er zusammen mit seiner Frau Beatrix in seiner Heimatstadt Lörrach. Seit Oktober 2016 ist Ottmar Hitzfeld Botschafter der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), die soziale Projekte in aller Welt unterstützt.
Dem Siegesrausch folgte die Leere
Als Hitzfeld mit Borussia Dortmund (und danach auch mit Bayern München) zum ersten Mal Deutscher Meister wurde, verlor er einen kurzen Augenblick am Spielfeldrand seine Fassung und weinte. „Es waren Freudentränen“, erklärte er. „Ich war total gerührt. Ein ganzes Jahr lang hatte ich dieses Traumziel vor Augen und mit allen Fasern meines Körpers und Herzens darauf hingearbeitet und keinen Kraftaufwand gescheut. Und wenn dann das Wunschziel erreicht ist, kann man es kaum fassen.
Es war für mich wie ein Rausch, dem allerdings eine innere Leere folgte. Ich war total in mich gekehrt, ausgelaugt und wie tot.“ Ich zitierte den deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer, der einmal gesagt hat, es gäbe zwei Tragödien im Leben eines Menschen. Die erste Tragödie bestehe darin, dass Wünsche nicht in Erfüllung gehen. Die zweite Tragödie sei wesentlich schlimmer, wenn nämlich der sehnliche Wunsch erfüllt würde und man erkennen müsse, dass dieses Glück nur einer schillernden Seifenblase gleicht, die wieder zerplatzt.
Jedes noch so hochgespannte menschliche Ziel hinterlasse langfristig ein schales Gefühl, sobald es erreicht sei. Hitzfeld: „Menschen stehen in der Gefahr, sich Illusionen hinzugeben, in Visionen zu schwelgen, die wirklichkeitsfremd sind. Dann bleiben Enttäuschungen nicht aus. Aber der Mensch lebt davon, dass er sich immer wieder neue Ziele setzt und sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht. Stillstand bedeutet Rückschritt. Ich möchte ziel- und zukunftsorientiert leben.“
Jesus als Zielorientierung
Der Apostel Paulus schrieb vor 2.000 Jahren an die christliche Gemeinde in Philippi: „Ich bilde mir nicht ein, dass ich das Ziel schon erreicht habe. Aber ich lasse alles hinter mir und sehe nur noch, was vor mir liegt. Ich halte geradewegs auf das Ziel zu, um den Siegespreis zu gewinnen. Dieser Preis ist das neue Leben, zu dem Gott mich durch Jesus Christus berufen hat.“ Ich wollte wissen, ob Ottmar Hitzfeld Paulus zustimmen könne, wenn er sich an Jesus Christus orientiert.
Er gab zu, dass er darüber noch nie öffentlich gesprochen habe. Aber: „Jesus hat für mich eine wichtige Vorbildfunktion. Er ist den geradlinigen Weg gegangen und hat nie versucht, auf krummen Wegen sein Ziel zu erreichen. Offenheit und Gerechtigkeit zeichneten ihn aus. So möchte ich auch leben.“ Ich fragte ihn, worin er den Sinn seines Lebens sehe. „Meine Chance nutzen, das Beste aus meinem Leben zu machen und die Herausforderungen des Lebens mit seinen Höhen und Tiefen anzunehmen. Dabei muss ich bereit sein, über meinen eigenen Schatten zu springen. Bis zu meinem 26. Lebensjahr wohnte ich zu Hause bei meinen Eltern, weil ich schreckliches Heimweh hatte. Als Fußballprofi musste ich oft meinen Wohnsitz wechseln.
Von Lörrach über Stuttgart, Lugano, Luzern bis nach Dortmund, wo ich noch ein halbes Jahr lang Heimweh hatte. Trotzdem habe ich diese Aufgaben als Herausforderung und Horizonterweiterung wahrgenommen. Es war jedes Mal eine schwere Prüfung. Aber ich wusste auch, dass ein anderer hinter mir stehen würde, der den Lebenslauf auf sich genommen hat. Er ist nicht den Weg des geringsten Widerstandes gegangen und doch ans Ziel gekommen. Der Gekreuzigte ist auferstanden. Das ist mein großes Vorbild, und darum gehe ich auch nicht den bequemen Weg. Je älter ich werde (Hitzfeld ist Jahrgang 1949), desto mehr erkenne ich, wie kurz dieses Leben ist. Deshalb möchte ich nicht in den Tag hineinleben, sondern die mir geschenkte Zeit sinnvoll ausnutzen.
Wenn Lebensbilanz gezogen wird, möchte ich als Trainer nicht nur gewonnene Spiele und Pokale aufzuweisen haben, sondern vor allem zufriedene Spieler hinterlassen, die sich gern an mich erinnern; denn durch Gerechtigkeitssinn und Wahrheitsliebe möchte ich eine menschenfreundliche Atmosphäre schaffen.“
Das Gebet als Ruhepol
Spielern und Sportjournalisten ist es gelegentlich rätselhaft, woher Hitzfeld seine konstante Zufriedenheit nimmt, mir auch. Ich hakte nach. „Ich habe eine positive Einstellung zum Leben. Vor dem Einschlafen mache ich mir bewusst, dass der nächste Tag super laufen wird, auch wenn schwierige Verhandlungen und unlösbare Probleme auf mich warten. Ich bete morgens, auch tagsüber und abends, an guten und an schlechten Tagen.
Wenn mich nachts die Sorgen nicht schlafen lassen, überkommt mich beim Beten eine wunderbare Ruhe, aus der ich neue Kraft für den kommenden Tag schöpfe. Ich weiß, da steht einer hinter mir, auf den ich mich verlassen kann. Deshalb kann ich auch ohne Angst den Bundesligastress ertragen.“ Einige Zeit vor diesem Interview musste sich Hitzfeld urplötzlich einer zweiwöchigen Krankenhausbehandlung unterziehen. Ich fragte ihn zum Schluss, woran ein Erfolgstrainer in solchen Schreckmomenten denkt.
„Als ich im Krankenhaus lag, war die Fußball-Bundesliga in weite Ferne gerückt. Meine Gedanken kreisten um meine Frau Beatrix und meinen Sohn Matthias, um Gott und die Zukunft. Mir wurde wieder bewusst, dass Schicksalsschläge zu meinem Leben gehören. Schwere Prüfungen müssen durchlebt und bestanden werden. Dieses irdische Leben verstehe ich als Bewährungsprobe, als Etappenziel und das ewige Leben als Endziel. Wenn es kein Leben nach dem Tod gäbe, wäre das jetzige Leben doch letztlich sinnlos. Ich glaube, dass Gottes Güte und das Gute im Leben sich irgendwann durchsetzen werden. Als ich wieder gesund war, riefen die Pflicht, mein Verantwortungsbewusstsein und die Vertragserfüllung als Fußballtrainer. Ich habe viel zu früh wieder auf dem Platz gestanden, aber ich wusste, mit Gottvertrauen und gesundem Selbstbewusstsein kann ich es wieder schaffen.“
Von: Günther Klempnauer
Eine Antwort
Meine Hochachtung ,
Herr Hitzfeld . Sie haben mir viel geholfen. Danke!!
Gruß Matthias Stehle