Meinung

„Osterruhe“ – die Wortschöpfung des Jahres

Die Pandemie bringt ganz neue Wörter hervor. Seit dieser Woche ist „Osterruhe“ in aller Munde – was Jürgen Mette Hoffnung auf ein Ende der Krise macht.
Von Jürgen Mette
Jürgen Mette

„Osterruhe“ – das ist für mich die Wortschöpfung des ersten Quartals im ersten Jahr nach Corona.

Ich höre dauernd „Osterurlaub, Pfingsturlaub“, da drängt sich zum Frühjahrsbeginn die Frage auf:  Ja, ist denn heut scho’ Weihnachten? Entdeckt Deutschland jetzt die Bedeutung des Kirchenjahres?

Leider nicht. Die Kirchen feiern ihr Programm im besten Fall, dem staatlich verordneten Einschluss folgend via Zoom, im Hybridverfahren beides, oder im schlechtesten Fall überhaupt nicht. Und sie singen nicht mehr. Wenn ich mal in einem Live-Gottesdienst bin, tritt meine Frau mir vor jedem Lied  dezent auf die Füße, weil ich geneigt bin, das andächtige Schweigen mit meinen Gesang zu stören.

Wer jetzt freies Geleit zum Massentoast auf die Balearen oder Kanaren fordert, der tut das nicht, weil er am Zielort das Osterfest christlich feiern will. Insofern wundert mich, mit welchen  Argumenten der Stopp  der sogenannten „Osterruhe“ gefordert wurde. Haben wir nichts aus der gelockerten „Weihnachtsruhe“ des vorigen Jahres gelernt?

Respekt für diesen Respekt!

Nachdem sich die ersten Freilicht-Urlauber auf Mallorca schon vor dem Schnitzel mit Pommes einen Sonnenbrand geholt haben, macht die Kanzlerin eine Kehrtwende, entschuldigt sich demütig für den Fehler und übernimmt die politische Verantwortung. Das höhnische Gelächter der oppositionellen Linken und der AfD hatte auf unheimliche Weise was von der Volkswut der 20.000 Demonstranten in Kassel am vorigen Wochenende, wo vernünftige Corona-Skeptiker nicht mehr vom wütenden Mob zu unterscheiden waren.

Mein hoher Respekt vor dem Kameramann und der Reporterin von SPIEGEL TV Panorama für ihren Mut, sich in die riskanten Hotspots dieses Aufmarsches roher Verbalgewalt gewagt haben.

Mein zweiter Dank gilt der Polizei, die in den tumultartigen Szenen unsere freiheitliche Demokratie verteidigt hat.

Und mein Dank an Annalena Baerbock, die der Kanzlerin nicht in den Rücken gefallen ist. „Ich hab’ wahnsinnsgroßen Respekt vor dieser Entschuldigung“, sagte sie im ARD-Brennpunkt. Sie habe sich selbst einmal bei der Kanzlerin entschuldigen müssen und wisse, wie schwer das gewesen sei. Respekt!

Wenn das Schule machen würde – Fehler eingestehen, sich entschuldigen und die Verantwortung übernehmen –, hätte ich Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie. Zwei Frauen demonstrieren eine Kultur der Empathie. Wenn eine öffentlich geohrfeigt wird, verzichtet die andere aufs Nachtreten. Männer regeln das anders.

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11 Antworten

  1. „Männer regeln das anders“?
    Manchmal leider schon. Vielleicht auch zu oft.
    Aber Frauen sind nicht allein durch ihr Frausein dagegen immun, hat doch schon Friedrich Schiller formuliert:
    „Da werden Weiber zu Hyänen
    Und treiben mit Entsetzen Scherz;
    Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
    Zerreißen sie des Feindes Herz.
    Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
    Sich alle Bande frommer Scheu;
    Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
    Und alle Laster walten frei.“

    Eine menschliche Gesellschaft wird wohl nur durch christliche Tugenden möglich. „Wo Hochmut ist, da ist auch Schande; aber Weisheit ist bei den Demütigen.“
    Petrus erinnert nochmals daran und ergänzt: „Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig.“

    Wenn wir dank Angela Merkel jetzt etwas von Demut, statt Hochmut, – etwas von Fehler eingestehen, statt verstockter Besserwisserei und verhärtetem Herzen – erlebt haben, dann kann man sich darüber wirklich freuen.

    Wie sehr der christliche Glaube eine Gesellschaft zum Positiven ändern kann, das wurde während des „Welsh Revival“ deutlich: https://www.bbc.co.uk/religion/religions/christianity/history/welshrevival_1.shtml

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  2. Frau Merkel mußte eine schwere Fehlentscheidung korrigieren. Sie hat dabei nicht gesagt das sich die Runde der16+1 in einer demokratischen Entscheidung geirrt hat sondern sie hat die Schuld auf sich allein genommen. Haben die 16 nur genickt und sie damit ins Messer laufen lassen? Feiertage einführen ohne zu merken das das jemand bezahlen muß, ohne zu merken das Liefer- und Terminketten unterbrochen werden, ohne zu merken das eine Samstagsöffnung nach einer Donnerstagsschließung für das Problem kontraproduktiv ist weil die Geschäfte dann überrannt würden ist ein kapitales Versagen der Regierenden.
    Von daher blieb Frau Merkel gar nichts anderes übrig als sich zu entschuldigen um politisch zu überleben.
    Wenn Frau Merkel dafür die politische Verantwortung übernimmt ist es mit einer Entschuldigung nicht getan sondern sie müßte sich der Vertrauensfrage stellen.
    Viele ihrer Entscheidungen hat sie kommentiert: Ich wüßte nicht was ich hätte anders machen sollen.
    Das war hier nicht mehr möglich.

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  3. Wir brauchen eine Kultur, die Fehler akzeptiert. Dann könnten sich Führungspersönlichkeiten und nicht nur die, wieder was trauen – dann ginge mehr voran.
    Natürlich müssten Führungspersönlichkeiten auch mehr Zeit haben, weil für gute Entscheidungen auch Zeit zum gründlichen Durchdenken nötig ist.
    Wenn das gepaart mit Gebet einher ginge, dann wäre noch viel mehr Gutes drin.
    Aber Danke, an alle Politiker, die für unser Wohl oft viel nötigen Schlaf entbehren.

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  4. Meine Güte, das Framing von „Kassel“ derart zu bedienen, dazu gehört schon einiges. Einfach mal den Artikel auf „Tichy“ Ihres immerhin evangelikalen Journalistenkollegen Egmond Prill (plus Kommentare!) auf sich wirken lassen:
    https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/demonstration-in-kassel-deutsche-medien-berichten-vom-anderen-stern/
    und vielleicht ein wenig selber recherchieren. Oder auf Sie passt der Schuh Solschenizyns, den Prill am Ende zitiert, ziemlich gut.
    Und was Merkels „Verantwortung übernehmen“ betrifft, das ist sowieso ein anderes Thema.

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    1. Herr Prill entspricht mittlerweile dem Niveau, das bei Tichy Stabndard ist. Und das Zitat am Ende bestätigt wirklich trefflich, dass er im Lager der Verschwörungsschwurbler angekommen ist.

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      1. Ach ja, hier spricht der Experte für Niveau; vor allem, was die Urteile über andere angeht.
        „Wer alles durchschaut, sieht nichts mehr!“ (C.S.Lewis)
        Wie wahr.

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    2. Ich habe ein wenig selbst recherchiert:
      http://www.hna.de/kassel/kassel-corona-demo-querdenker-geschaefte-heikel-angst-haendler-news-90257374.html
      http://www.hna.de/kassel/corona-demo-kassel-querdenker-attacke-kinder-einwohner-klage-polizei-news-90257458.html
      Ist das alles auch Lügenpresse?
      Und das Bibelzitat von Herrn Prill finde ich schon sehr mutig, wenn ich ihn richtig verstehe, beschuldigt er alle, die die Situation anders sehen der Lüge – ich lese auch in Telegram etc auf den Seiten von Querdenkern – meiner Meinung nach gibt es da durchaus berechtigte Kritik, aber noch mehr Halbwahrheiten und Lügen – bei ein wenig Recherche oft schnell als solches zu entlarven.
      Bei den von Ihnen empfohlenen Kommentaren zu Herrn Prills Beitrag auf Tichy fehlen mir freundliche Worte um meine Gedanken darüber auszudrücken – deshalb schreibe ich besser nicht darüber.

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  5. Es lebt sich leichter, wenn man wie Jürgen Mette alles positiv sieht, ein Nebeneffekt, Optimismus tut Körper und Seele gut.
    Mir ist diese Gabe nicht geschenkt, bin ich doch von Natur aus misstrauisch, kritisch, rebellisch.
    Seltsamerweise kumulieren sich diese „bösen“ Eigenschaften wenn der Name Angela Merkel fällt.
    Möglich, das ich der Dame Unrecht tue, vielleicht ist sie ja doch die „Mutti“ der Nation und bei mir offenbaren sich nur irgendwelche steinzeitlichen Reflexe gegen weibliche Dominanz ?
    Ich werde mich ins kontemplative zurückziehen und für die Obrigkeit beten.
    Keine leichte Aufgabe, aber machbar !

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  6. Was bleibt aber uns selbst zu tun?

    „Am wichtigsten ist, dass die Gemeinde beständig im Gebet bleibt.
    Betet für alle Menschen;
    bringt eure Bitten, Wünsche, eure Anliegen und euren Dank für sie vor Gott.

    Betet besonders für alle, die in Regierung und Staat Verantwortung tragen, (!)

    damit wir in Ruhe und Frieden leben können, ehrfürchtig vor Gott und aufrichtig unseren Mitmenschen gegenüber.
    So soll es sein, und so gefällt es Gott, unserem Retter.
    Denn er will, dass alle Menschen gerettet werden und seine Wahrheit erkennen.“
    (Paulus)

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  7. Wie schön, Frau Merkel vollziehe „eine Kehrtwende, entschuldigt sich demütig für den Fehler und übernimmt die politische Verantwortung.“

    Ich mag Herrn Mette; mal wieder allerschönste Realsatire.

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