Organspende: Amtsvorgänger stellen sich gegen Spahn

Zwei seiner Amtsvorgänger haben sich gegen den Gesetzentwurf zur Organspende von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gestellt. Am Donnerstag warben der Vizefraktionschef der Union, Hermann Gröhe, und Ulla Schmidt (SPD) für eine gesetzliche Regelung, die die ausdrückliche Zustimmung jedes potentiellen Spenders erfordert.
Von Anna Lutz
Hermann Gröhe hält nichts von dem Vorschlag seines Nachfolgers im Amt des Gesundheitsministers, Jens Spahn, zu einem neuen Organspendegesetz

Im Verlauf eines Gesetzgebungsverfahrens ohne Fraktionszwang wie dem zur Regelung der Organspende ist es Gang und Gebe: Parlamentariergruppen finden sich zusammen, legen Gesetzesvorschläge vor, diskutieren sie und stellen die Ergebnisse parteiübergreifend der Presse vor. Dennoch geschieht es nicht alle Tage, dass sich ausgerechnet zwei ehemalige Bundesgesundheitsminister kritisch zu einem Vorstoß ihres Nachfolgers äußern. So geschehen ist das am Donnerstag in Berlin. Hermann Gröhe, Bundesgesundheitsminister von 2013 bis 2018, und SPD-Kollegin Ulla Schmidt, Bundesgesundheitsministerin von 2001 bis 2009, sprachen sich gegen die von Spahn vor der Sommerpause beworbene Widerspruchslösung aus und bewarben den eigenen alternativen Gruppenantrag zu einer Zustimmungslösung.

Die sogenannte doppelte Widerspruchslösung, neben Spahn getragen durch Abgeordnete wie SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, Georg Nüßlein (CSU) oder Petra Sitte (Linke), sieht vor, dass jeder Bürger ab 16 Jahren zum Organspender werden kann, der dem nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Im Zweifel sollen Angehörige über eine Organspende entscheiden, indem sie glaubhaft machen, dass der Betroffene kein Spender sein wollte. 222 Abgeordnete tragen diesen Gesetzesentwurf derzeit mit.

Eine weitere Parlamentariergruppe um Annalena Baerbock (Grüne), Heribert Hirte (CDU), Katja Kipping (Linke), Otto Fricke (FDP), Schmidt und Gröhe will eine Zustimmungslösung durchsetzen. Als Organspender registriert würden dann nur Menschen, die dem ausdrücklich zugestimmt haben. Informationen zur Organspende und die Abfrage des individuellen Wunsches sollen an das Abholen von Ausweispapieren bei den entsprechenden Behörden gekoppelt sein. Diesen Gesetzesentwurf tragen 192 Abgeordnete.

„Niemand darf Selbstbestimmungsrecht verlieren“

Gröhe und Schmidt betonten am Donnerstag, es sei das Anliegen aller Parlamentarier, die Organspende zu stärken. Doch Gröhe setzte fort: „Wir sehen in der Widerspruchslösung nicht die richtige Antwort.“ Auch wer sich der Frage der Organspende sein Leben lang verweigere, dürfe sein Selbstbestimmungsrecht nicht verlieren. Eine Regelung wie die Widerspruchslösung sei „der Medizinethik fremd“ und führe in die Irre. Jeder Spende müsse eine ausdrückliche Entscheidung zugrunde liegen.

Schmidt warnte vor einem „tiefgreifenden Einschnitt in das Selbstbestimmungrecht des Menschen“. Eine solche Regelung stelle einen „völlig neuen Vorgang in unserer Rechtsordnung“ dar. Mit ihrem Gruppenantrag wolle sie an der bisherigen Zustimmungslösung festhalten, sie aber durch zusätzliche Aufklärungsangebote und Beratungen verbessern. Demnach sollen die zuständigen Stellen in den Krankenhäusern gestärkt werden. So sollen Transplantationsbeauftragte von anderen Aufgaben freigestellt werden und Fortbildungen, etwa für die Ansprache von Angehörigen, besuchen. Mit der medizinischen Behandlung von Spendern und Empfängern sollen sie nichts mehr zu tun haben, damit sie den Angehörigen neutral gegenübertreten können.

Gegen moralischen Druck

Gröhe ergänzte, die größten Einbrüche von Organspenderzahlen träten nach Skandalen um das Thema auf. Entsprechend müssten Krankenhäuser so ausgestattet sein, dass solche nicht mehr vorkommen und mögliche Spender auch als solche erkannt und den notleidenden Patienten zugeordnet würden. Zudem sollen Hausärzte künftig so geschult sein, dass auch sie entsprechende Informations- und Aufklärungsgespräche mit ihren Patienten führen können. Gröhe, der auch religionspolitischer Sprecher seiner Fraktion und evangelischer Christ ist, betonte, es sei ihm wichtig, die Frage der Organspende nicht mit moralischem Druck zu verbinden. Er wolle die Kontroverse über eine gesetzliche Regelung „mit Respekt voreinander“ weiterführen.

Ende September wird es im Deutschen Bundestag eine Fachanhörung zum Thema geben. Danach können die derzeitigen Vorschläge für neue Gesetze noch nachjustiert werden. Zu einer nächsten Lesung und eventuellen Abstimmung im Parlament könnte es im Oktober kommen.

Von: Anna Lutz

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