Ólafur Elíasson gestaltet Kirchenfenster in Greifswald

Der weltbekannte isländische Künstler Ólafur Elíasson entwirft ein Fenster für den Dom der evangelischen Kirchengemeinde St. Nikolai in Greifswald. Die Einweihung des Fensters soll im April 2024 stattfinden.
Von Jörn Schumacher
Ólafur Elíasson

Der Greifswalder Dom St. Nikolai ist ein gotischer Backsteinbau, dessen Vorgängerbau auf das Jahr 1249 zurückgeht. Das Wahrzeichen der Hansestadt war von 1947 bis 2012 die Haupt- und Bischofskirche der Pommerschen Evangelischen Kirche. Heute ist er Predigtstätte des Regionalbischofs für den Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und wird von der Kirchengemeinde St. Nikolai genutzt. Die letzte katholische Messe in der Kirche wurde 1531 gehalten. Wie die Gemeinde Ende Mai mitteilte, wird der weltbekannte Installationskünstler Ólafur Elíasson ein modernes Kirchenfenster für den Ostchor der Kirche gestalten.

Der 56-Jährige dänische Künstler isländischer Herkunft studierte in Kopenhagen und Köln. Er gründete 2009 in Berlin das „Institut für Raumexperimente“ und 2014 gemeinsam mit dem Architekten Sebastian Behmann das Kunst- und Architekturbüro Studio Other Spaces, das sich mit experimentellen großformatigen Kunstwerken für den öffentlichen Raum beschäftigt. Elíasson lebt in Berlin und Kopenhagen.

Physik in der Kunst

Der Künstler beschäftigt sich vornehmlich mit physikalischen Phänomenen in der Natur wie Licht und Wasser, Bewegung und Reflexion. Er versucht, Naturphänomene mit künstlichen Mitteln zu erzeugen und ist weltbekannt für Installationen in Museen und im öffentlichen Raum. Seit 2012 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Eine erste und bekannte Skulptur von ihm ist ein Ventilator, der frei an einer Schnur von der Decke hängt und sich durch seine Drehung durch den Raum bewegt. Die Installation hängt seit 2005 im Düsseldorfer Museum K21.

Für das Expo-Projekt „Garten-Landschaft OWL“ in Gütersloh legte er einen Dufttunnel an; in Frankfurt schuf er einen Lichtbogen, der an die aufgehende Sonne erinnert; in Manhattan installierte er vier gigantische Wasserfälle. Im Jahre 2011 eröffnete das Konzerthaus Harpa in Reykjavík, dessen Fassade Ólafur Elíasson entworfen hatte. Diese besteht aus einer wabenartigen Struktur aus Glas. Im Jahre 2017 wurde Elíasson in die Wettbewerbsjury der 67. Internationalen Filmfestspiele Berlin berufen. Bekanntheit erlangte auch seine gelbe LED-Leuchte namens „Kleine Sonne / Little Sun“, deren Akkus von Sonnenlicht gespeist werden. Sie wurde bis zum Jahr 2020 rund 50 Millionen Mal verkauft.

Fenster im Sinne der „evangelischen Spiritualität“

Der Entwurf des Künstlers für die Neugestaltung am Dom St. Nikolai soll den Wandel der Tages- und Jahreszeiten erlebbar machen, teilte die Gemeinde mit. Elíasson befasste sich dafür mit den Lichtspektren des romantischen Malers Caspar David Friedrich. Farbige Gläser des Ostfensters nehmen das von Osten in die Kirche einfallende Licht auf, Spiegelinstallationen lenken und multiplizieren es. Der Chorraum sowie der gesamte Kircheninnenraum sind ganz in Weiß gehalten, daher kommt das Licht der entstehenden Fenster besonders gut zur Geltung. Von Juni bis August 2023 informiert eine Ausstellung in der Turmhalle des Doms ausführlich über das Projekt „Dom romantisch!“. Die feierliche Einweihung der Chorfenster ist für den 7. April 2024 in einem Gottesdienst geplant.

„In meinem Kunstwerk schwingt die Geschichte des Gebäudes mit, eingebunden wie in einen großen Resonanzkörper“, schreibt der Künstler auf seiner Webseite. „Es taucht den Innenraum des Doms, der im 19. Jahrhundert in Reaktion auf seine mittelalterlichen Formensprache renoviert wurde, ins Licht des 21. Jahrhunderts.“ Als meditativer Fokus hinter dem Altar solle das Werk zum Nachdenken und Innehalten einladen, so Elíasson. „Aspekte, die sowohl für die Romantik Caspar David Friedrichs als auch für die evangelische Spiritualität zentral sind.“

„Besondere Atmosphäre“ für Gottesdienst

Das Projekt ist Teil der Feierlichkeiten der Stadt zum 250. Geburtstag des romantischen Malers.

Friedrich wurde am 5. September 1774 in der Hansestadt geboren und gilt als der berühmteste Sohn der Stadt. Bekannt sind seine Natur-Bilder mit melancholischer Stimmung, darunter die „Kreidefelsen auf Rügen“. Häufig platzierte der Maler Personen in den Vordergrund, die die Szenerie betrachten. Greifswald ist nicht nur der Geburtsort von Caspar David Friedrich, im Dom St. Nikolai wurde der Maler auch getauft. Friedrich malte immer wieder die gotischen Kirchen von Greifswald, Stralsund und Neubrandenburg. Er verband dabei auch Fantasiearchitekturen mit realer Kirchbauten. Er bekam 1817 den Auftrag für den Entwurf der neuen Innenausstattung der Stralsunder Marienkirche. Sein Leben und Wirken wird 2024 mit einem ganzjährigen Veranstaltungsprogramm mit über 160 Veranstaltungen in allen Genres gefeiert.

Tilman Beyrich, Dompastor und Vorsitzender des Kirchengemeinderats von St. Nikolai, sagte bei der Vorstellung der Entwürfe: „Die Chorfenster von Olafur Eliasson gestalten zu lassen, war von Anfang an unser Traum. Denn Eliassons Kunst fasziniert durch die raffinierte Verschmelzung von Licht, Kunst und Raum.“ Die neuen Chorfenster würden den Greifswalder Dom „in ein neues Licht rücken“. Weiter sagte der Theologe: „Für unsere Gottesdienste und Konzerte werden sie eine ganz besondere Atmosphäre schaffen – und sie werden eine Attraktion für die vielen Besucher Greifswalds sein.“

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