Nur das Beste hoffen

Das Krisenjahr 2022 liegt hinter uns, die Pandemie ist vorbei. Viele Menschen sind erschöpft. Wie können wir in die Zukunft gehen? Mit Hoffnung! Christen haben viel dazu beizutragen.
Von Jonathan Steinert
Familie, Hoffnung, Hope Valley, Aussicht, Horizont

Was wäre, wenn die Menschen in Zukunft nur noch vier Tage in der Woche arbeiten müssten und mehr Zeit hätten für ihre Familien und Freunde? Wenn jedes ungeborene Kind willkommen wäre? Wenn keiner wegen seines Aussehens oder seines Glaubens bestimmte Gegenden meiden müsste? Wenn die Mehrheit der Menschen Jesus-Nachfolger wären? Wenn Nachbarn, Politiker und Journalisten mit gegenseitigem Respekt und auf Augenhöhe darüber diskutierten, wie wir leben wollen?

Die zurückliegenden Pandemie-Jahre waren ein beispielloser Einschnitt in das gesellschaftliche Leben. Sie haben viele Menschen erschöpft, tiefe Verunsicherungen und Fragen hinterlassen.

Wie gehen wir als Gesellschaft in Krisen miteinander und mit den Kosten der Krise um?

Wie gehen wir in die Zukunft?

In welche Zukunft?

61 Prozent der Deutschen sagten in einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, 2022 sei das schlimmste Jahr seit langem gewesen. Es war das Jahr der „multiplen Krisen“, von mehreren Krisen gleichzeitig. Corona, Ukraine, Energie, Inflation, Klima. Im Oktober sagten laut dem Allensbacher Institut nur noch 16 Prozent der Deutschen, dass sie mit Hoffnung auf die kommenden zwölf Monate schauen. So niedrig war der Wert noch nie – der bisherige Tiefstand lag 1950 vor dem Hintergrund des Korea-Krieges bei 27 Prozent.

Immerhin: Im November ging der Wert wieder nach oben, knapp ein Drittel der Befragten äußerte sich hoffnungsvoll für die nächsten zwölf Monate.

Der Schweizer Zukunftsforscher, Ökonom und Psychologe Andreas Krafft von der Universität St. Gallen befragt seine Landsleute seit mehr als zehn Jahren danach, was ihnen Hoffnung macht und wie sie in die Zukunft schauen. Mehr als 60 Prozent der Schweizer gehen laut dem aktuellen „Hoffnungsbarometer“ davon aus, dass sich die Lebensverhältnisse in den nächsten 20 Jahren verschlechtern werden.

Eine Zukunft, die von Armut, Ungleichheit, Konflikten und neuen Krankheiten geprägt ist, halten die Befragten tendenziell für wahrscheinlicher als eine Zukunft, in der sich Probleme etwa durch digitalen und technischen Fortschritt lösen lassen.

Gefragt nach dem, was sich die Menschen für die Zukunft wünschen, zeichnet sich jedoch ein ganz anderes Bild ab: eine Gesellschaft, in der Wohlstand gleichmäßig verteilt ist, in der Menschen nachhaltig und harmonisch leben und in der Zusammenarbeit, Familie und Gemeinschaft einen hohen Stellenwert haben.

Blick aus der Zukunft

Krisen sind so etwas wie Weggabelungen. Die Spannung zwischen der erwarteten und der erhofften Zukunft kann bei manchen, insbesondere bei Jüngeren, zu einem Gefühl von Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit führen. Aber sie kann auch ein Antrieb sein, Dinge zu verändern und nach vorn zu gehen.

Hoffnung, so erklärt es der Zukunftsforscher Krafft, ist der Herzenswunsch nach etwas Wichtigem und Bedeutsamem. Damit ist der Glaube verbunden, dass dieser Wunsch grundsätzlich in Erfüllung gehen kann, und das Vertrauen, dass es trotz widriger Umstände Möglichkeiten gibt, die gewünschten Ziele zu erreichen.

Im Frühjahr 2020 hat der Zukunftsforscher Matthias Horx einen vielbeachteten Text geschrieben über die „Welt nach Corona“ – keine Prognose, sondern eine „Regnose“: eine gedankliche Zeitreise in die Zukunft, um die Welt von dort aus zu beobachten. Er stellte sich vor, wie sich die Menschen wundern, dass digitale Kulturtechniken sich in der Praxis bewähren, dass die Wirtschaft nicht zusammengebrochen ist, dass Bücherlesen wieder in ist, dass die Menschen den Wert der Solidarität wiederentdeckt haben.

„Wir geraten in einen Zustand der erwartenden Hoffnung“, erklärt Horx über den Blick aus der Zukunft auf das Heute. Der Fokus liegt nicht mehr auf dem Problem, vor dem man steht, sondern auf den Möglichkeiten.

„Wenn wir die Welt aus der Perspektive der Zukunft sehen, kann es uns gelingen, die Gegenwart derart zu verändert, dass diese Zukunft Wirklichkeit wird“, schreibt Horx auf seiner Website. Er ermutigt dazu, positive Nachrichten bewusst wahrzunehmen, statt seinen Blick auf die Welt allein von Berichten über Katastrophen, Unglücke und Gefahren bestimmen zu lassen. Auch Krafft rät dazu, aufmerksam für das Gute zu sein und zum Beispiel an jedem Abend die positiven Erlebnisse des Tages zu notieren. Das stärkt die Hoffnung.

Gemeinsam hofft es sich besser

Um hoffen zu können, spielen gute soziale Beziehungen eines Menschen eine entscheidende Rolle. „Hoffnung ist immer eine Hoffnung für dich und uns, nie eine individuelle Hoffnung“, sagt Krafft mit Verweis auf den jüdisch-katholischen Philosophen Gabriel Marcel.

Gerade wenn ein Mensch keine Hoffnung mehr hat, etwa wegen einer schweren Krankheit, braucht es andere, die ihn einerseits ganz praktisch unterstützen, und die andererseits mit ihm hoffen, ihm die Hoffnung wieder „einflößen“, wie Krafft sagt. In der Beziehung zu anderen vermögen es Menschen, über sich hinauszusehen und zu -wachsen. Glaube, Liebe und Hoffnung, diese christlichen Tugenden gehören untrennbar zusammen, sagt Krafft. Einsamkeit oder gestörte Beziehungen jedoch fördern das Gefühl von Hilf- und Hoffnungslosigkeit und damit auch Ängste und Depressionen.

Deshalb rät er zum Beispiel Eltern von pubertierenden Kindern, sich – egal, wie schwierig es ist – immer hinter sie zu stellen und den Glauben daran nicht zu verlieren, dass die junge Generation ihren Weg finden wird. Krafft konnte in seinen Hoffnungsbarometer-Studien zeigen, dass Menschen desto mehr Hoffnung haben, je stärker sie von anderen unterstützt werden.

Gleiches gilt für diejenigen, die für andere da sind, ihnen zuhören oder Geborgenheit vermitteln. Ebenso stärkt ein gemeinsames Engagement für ein Ziel die Hoffnung für die Zukunft. Krafft spricht in seinem Buch „Unsere Hoffnung, unsere Zukunft“ von „Gemeinschaften der Hoffnung“. Die zeichnen sich dadurch aus, „dass Menschen ihre Ideale und Werte teilen, an das Gute glauben, in ihre verschiedenen Fähigkeiten vertrauen und sich gegenseitig unterstützen“.

Ehrenamtliche Organisationen, Vereine oder auch christliche Gemeinden seien solche Gemeinschaften der Hoffnung und ihrer bewegenden Kraft. „Der Dienst am Nächsten ist eine offensichtliche Äußerung von Hoffnung und Glauben.“

Glaube an Gott stärkt die Hoffnung

Wer zudem an eine höhere Macht glaubt, hat statistisch nachweisbar höhere Hoffnungswerte als nichtreligiöse Menschen. Hier kommt zur Beziehung zu den Mitmenschen noch die Beziehung zu einer höheren Instanz hinzu, die über die eigenen Möglichkeiten hinausgeht. „Der Glaube an einen gütigen, mir wohlgesinnten Gott und das Vertrauen, dass er mich nicht im Stich lässt, helfen sehr stark dabei, in einer schweren Situation den Glauben an eine bessere Zukunft nicht aufzugeben“, sagt Krafft im Gespräch mit PRO. Auch dafür ist Gemeinschaft wichtig, ergänzt er: „Der Glaube ist schwach, wenn man allein ist.“

Die Erfahrung, dass Gott hilft oder Gebete erhört, ist in säkularisierten Gesellschaften nur für eine Minderheit eine Hoffnungsquelle. Für die deutsche Gesellschaft stellt der Soziologe Daniel Hörsch von der evangelischen Arbeitsstelle „midi“ fest: Der christliche Glaube ist durchaus noch eine Ressource, wo Menschen Halt und Orientierung finden – nur nicht mehr innerhalb von kirchlichen Strukturen.

Kirche habe dort Zukunft, wo sie an die Lebenswelt und die Fragen der Menschen andocken kann. Zukunftsforscher Krafft ist überzeugt, dass Christen in Sachen Hoffnung für die Welt einen konkreten Auftrag haben: daran mitzuwirken, dass Gottes Liebe für die Welt schon hier auf der Erde sichtbar wird und dass das auf die verheißene Ewigkeit bei ihm hinweist.

„Der Glaube an einen gütigen, mir wohlgesinnten Gott und das Vertrauen, dass er mich nicht im Stich lässt, helfen sehr stark dabei, in einer schweren Situation den Glauben an eine bessere Zukunft nicht aufzugeben.“

Wie kann das gehen? „Gerade in schwierigen Zeiten sind Christen zu den Menschen gegangen und haben ganz konkret Hoffnung vermittelt, sie unterstützt, ihnen zu essen, eine Decke, ein Dach über den Kopf gegeben“, sagt Krafft und verweist auf Persönlichkeiten wie Martin Luther King oder Mutter Teresa. „Sie haben sich engagiert für eine bessere Welt, aber haben nicht gesagt: Wir tun das aus eigener Kraft. Sondern: Wir tun es mit der Kraft Gottes.“

Auch jetzt seien es vor allem christliche Werte, die Hoffnung machten und nach denen sich die Menschen sehnten: Respekt und Wertschätzung, Solidarität und Gemeinschaft, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Offenheit für Menschen, die anders sind als man selbst. Christen müssen nicht auf das Jenseits vertrösten, um Hoffnung zu geben, das hat Jesus auch nicht getan, betont Krafft.

Sie sollten mit gelebtem Glauben und ohne Berührungsängste anderen die Nächsten sein und an der Weggabelung dieser Zeit für die Welt hoffen. Denn durch den Glauben an Gott haben sie eine Hoffnung, die über die Welt hinaus geht.

Dieser Artikel erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe 1/2023 des Christlichen Medienmagazins PRO. Das Heft können Sie kostenlos hier bestellen oder digital anschauen.

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Eine Antwort

  1. Vielen Dank dass hier in letzter Zeit immer wieder solche hoffnungsvollen Artikel erscheinen!
    Das ist aus meiner Sicht aktuell die wichtigste Aufgabe von Christen: Hoffnungsträger und Hoffnungsverkündiger zu sein. Und Gemeinschaftsstifter.

    Leider erlebe ich zunehmend auch unter Christen und lese es hier in Kommentaren oft mit Bestürzung, dass auch sie sich von Ängsten leiten lassen (zB vor „dem Staat“ oder angeblicher Verfolgung und Unterdrückung, davor, sich zu sehr auf andere einzulassen). Dass sie sich auf sich in ihre frommen Zirkel zurückziehen und einen großen Drang haben, sich abzugrenzen und Gott nicht als Retter, sondern als Richter und Vernichter zu verkündigen.

    Aber für Christen gilt doch gerade: Glaube, Liebe Hoffnung.
    Und: Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht rechnet mit Strafe; wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe. Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.

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