Kommentar

„Nova Music Festival Exhibition“: Eine Ausstellung, die bedrückt

Am 7. Oktober 2023 überfiel die Hamas Israel und mordete sich stundenlang durch den Süden Israels, in dem das Nova-Musikfestival stattfand. Eine Ausstellung in Berlin erinnert an den Angriff auf das Festival.
Von Martin Schlorke
Ausstellung Nova


6:29 Uhr. Diese Uhrzeit ist eingebrannt ins kollektive Gedächtnis Israels. Nach massivem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen überquerten schließlich tausende Hamas-Terroristen die Grenze und begannen ihren mörderischen Feldzug in Israel. Wenige Minuten zuvor war davon auf dem Gelände des Nova-Festivals nichts zu spüren. Junge Menschen tanzten und feierten ausgelassen in den Sonnenaufgang hinein. Mit dieser Szenerie beginnt die Ausstellung „Nova Music Festival Exhibition“, die am Dienstag in Berlin eröffnet wird.

Zu Beginn ist von dem Schrecken des 7. Oktober noch nichts zu sehen. In einem ersten Ausstellungsraum läuft ein rund siebenminütiges Video über das Nova-Festival. Teilnehmer kommen darin zu Wort und beschreiben die Lebensfreude und die Leichtigkeit, für die das Festival bis zum 7. Oktober 2023, kurz vor halb sieben morgens, stand. Doch dann änderte sich alles.

Die Ausstellung führt nun durch einen schwarzen Vorhang und es öffnet sich die große Abflughalle des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Und da ist er, der Schrecken. Als Besucher taucht man nun in das halbdunkle Festivalgelände ein, muss sich orientieren. Da sind zuerst mehrere Bildschirme, auf denen Videos der Hamas in Dauerschleife laufen. Daneben ein weiterer Bildschirm, auf dem Zeugen von jenem Morgen berichten. Dazwischen ein scheinbar hastig verlassenes Zelt, in dem Festival-Teilnehmer wohl geschlafen haben.

Gespenstische Atmosphäre

Und da ist diese fast unerträgliche Geräuschkulisse. Aus den unzähligen Bildschirmen, die stehend und liegend in der Abflughalle verteilt sind, tönen die verschiedensten Geräusche. Gewehrfeuer. Schreie. Augenzeugenberichte. Letzte Telefonate von Festival-Teilnehmern mit ihren Eltern. „Ich bin bei dir, Süße. Alles wird gut.“ Und zeitgleich wirkt alles leer. Keine Menschen. Keine Freude. Kein Leben.

Auf dem leicht sandigen Boden führt eine Treppe nach unten in die große Halle. Zwischen Bäumen und Zelten befinden sich ausgebrannte Autowracks. Nachdem am 7. Oktober zunächst die Raketen geflogen waren, sind zahlreiche Festival-Teilnehmer zu ihren Autos gerannt, um Sicherheit zu finden. Doch auf den Straßen lauerten die Terroristen.

Am Rand stehen zwei nachgebaute, in rotes Licht gehüllt Bunker. Solche befanden sich an der Landstraße 23, in der Nähe des Festival-Geländes. Darin suchten viele Festival-Besucher Schutz vor den Raketen. Als die Terroristen kamen, wurden diese fensterlosen Betonquader jedoch zu tödlichen Fallen.

Tafeln und Videos im Inneren der Bunker berichten davon. Auf einer solchen wird die Geschichte von Stabsunteroffizier Aner Eljakim Schapira erzählt, der unbewaffnet versuchte, den Bunker zu verteidigen. Es gelang ihm, die Handgranaten, die die Terroristen in den Bunker warfen, immer wieder zurückzuwerfen. Doch irgendwann schafften es die Terroristen, Schapira zu töten. Insgesamt wurden 16 Menschen allein in diesem einen Bunker getötet.

Besucher können den nachgebauten Bunker betreten
Die Toiletten des Festivals boten keinen Schutz vor den Terroristen

Auf der anderen Seite der Halle befinden sich durchlöcherte gelbe Dixitoiletten, in denen sich Festival-Teilnehmer vor den Terroristen verstecken wollten – ohne Erfolg. Ein Video zeigt, wie ein Mann mit seinem Gewehr auf die Toiletten schießt.

Direkt daneben steht eine verlassene Bar. Eine Tafel erzählt dazu die Geschichte von Liron Barda, die als Barkeeperin auf dem Festival arbeitete und während des Angriffs nicht floh, sondern Erste Hilfe leistete.

Es sind solche Geschichten, zwischen all den Ausstellungsstücken, der Geräuschkulisse, den Videos und den kaum auszuhaltenden Berichten über Vergewaltigungen und verstümmelte Geschlechtsteile, die wie ein Funken Menschlichkeit inmitten der Barbarei leuchten. Es ist eine Stärke der Ausstellung, dass sie erzählt werden. Ebenso, dass die Videos entweder zensiert oder so geschnitten sind, dass die nicht zumutbaren Gräuel nicht zu sehen sind. Denn auch ohne diese expliziten Bilder erschreckt die Ausstellung und macht das Ausmaß der Verbrechen begreifbar.

Zurückgelassene Schuhe der Festival-Teilnehmer

Und die Ausstellung zeigt die Opfer. Im hinteren Teil der Abflughalle sind an einer Wand Bilder aller ermordeten Festival-Teilnehmer aufgehängt. Auf der gegenüberliegenden Seite befinden sich Bilder von den Teilnehmern, die von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt worden. Dazwischen ein Meer aus Lichtern und Tische, auf denen zurückgelassenen Kleidungsstücke und Schuhe gestapelt sind. Erinnerungen an Schuhhaufen aus den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten werden geweckt.

Bilder erinnern an die 411 Opfer des Nova-Festivals

Die Ausstellung ist erschreckend. Sie bedrückt. Sie gibt einen Einblick in das nicht zu fassende Leid, das am 7. Oktober 2023 über Israel hereingebrochen ist. Sie zeigt, wozu Menschen fähig sind. Kann man eine solche Ausstellung empfehlen? Ja, weil sie Erinnerung und Mahnung zugleich ist. Weil, was geschehen ist, wieder geschehen kann.

Der Angriff auf das Nova-Festival gilt als der tödlichste Angriff auf ein Musikereignis weltweit. Die Terroristen ermordeten 411 der insgesamt rund 3.000 Besucher, Hunderte wurden verletzt. 44 Festival-Teilnehmer wurden in den Gazastreifen verschleppt. 14 von ihnen befinden sich nach wie vor in Geiselhaft der Hamas. Es ist unklar, wie viele von ihnen noch am Leben sind.

Die Ausstellung „Nova Music Festival Exhibition“ ist bis 16. November auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof zu sehen. Zuvor gastierte sie in Jerusalem, den USA, Kanada und Argentinien. Der Eintritt kostet 20,60 Euro. Weitere Informationen finden Sie hier.

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