„Nachher soll es noch besser sein als zuvor“

Die Flutkatastrophe im Sommer 2021 brachte viel Leid und Not. Doch Menschen helfen. Nun hat sich der Verein Hoffnungswerk gegründet. Die Mission: Menschen praktisch zu helfen und Hoffnung zu teilen. PRO hat mit Sascha Neudorf (Vorstand) gesprochen.
Von Johannes Schwarz

PRO: Was macht das „Hoffnungswerk“ konkret?

Sascha Neudorf: Das Hoffnungswerk ist ein Verein, den wir gegründet haben, um den Menschen im Flutkatastrophengebiet langfristig zu helfen. Wichtig ist für uns, dass wir möglichst nah an den Betroffenen dran sind, die Begebenheiten und Nöte vor Ort kennen und gut vernetzt mit anderen Helfern und Initiativen Hilfsangebote starten, die die Menschen vor Ort wirklich brauchen und ihnen weiterhelfen. Dabei sollen Menschen aus ganz Deutschland mitmachen können. Vor dem Hintergrund unserer wochenlangen Hilfe und angesichts der Nöte der Menschen auch drei Monate nach der Flut wollen wir sowohl praktisch als auch im psychosozialen Bereich helfen. Bei den neuen Projekten, die wir starten, können natürlich auch Einrichtungen, Vereine, Städte, Dörfer, Gemeinden und Privatpersonen mitmachen.

Wie ist das „Hoffnungswerk“ entstanden und wer ist involviert? 

Entstanden ist das Hoffnungswerk aus der Initiative Helfernetzwerk. Das Helfernetzwerk ist ein Zusammenschluss von verschiedenen Organisationen, die überwiegend von Beginn an nach der Flutkatastrophe als Ersthelfer aktiv waren, darunter vor allem To All Nations und die Evangelische Freikirche Siegburg, die von der Freien Evangelischen Gemeinde Rheinbach aus die Hilfseinsätze koordiniert hat.

Was macht genau die Hoffnung aus, von der Sie sprechen? 

Die Betroffenen sind natürlich alle sehr bestürzt und überfordert und zum Teil auch traumatisiert. Viele von ihnen fragen sich, was ihre Perspektive und Zukunft ist. Und genau in diese Perspektivlosigkeit bringen wir Hoffnung, Zuversicht, Licht und Freude hinein. Wir helfen ganz praktisch und begleiten und betreuen die Menschen persönlich. Unsere Hoffnung, die wir den Menschen vermitteln wollen, ist, dass es ein Aufwärts gibt, ein Weiter, ein Wiederaufbau. Momentan überfordert das viele Menschen, das alles selbst zu machen – aber wenn wir sie unterstützen und ihnen in ihren vielfältigen Nöten begegnen, dann ist das total ermutigend.

Über welche Wege wollen Sie Hoffnung bringen? 

Konkret sieht das so aus, dass wir den Menschen Hoffnung durch praktische Hilfe, Arbeitseinsätze und Café-Teams bringen. Die Leute kennen uns schon, sie erwarten uns schon und freuen sich, uns zu sehen. Wir fragen sie, wie es ihnen geht und wie wir ihnen helfen können – in jede Richtung. Das kann das simple Geschenk eines Wäscheständers sein, ein Gesprächspartner, eine Ausfüllhilfe bei Anträgen oder Kurzurlaube.

Hoffnung bringen wir auch dadurch, dass wir Ahrtal-WGs platzieren – also Menschen, die ins Ahrtal ziehen, für die Menschen da sind und schöne Begegnungsorte schaffen. Wir sprechen hier von Cafés, Café-Bussen und weiteren Gesprächsräumen. Wir organisieren Feste mit, gehen in Seniorenheime und Kitas und sind für die Menschen da.

Wichtig ist dabei, erst einmal zuzuhören, für die Menschen da zu sein, ihre Nöte aufzunehmen und ihnen einfach beizustehen – bis hin zur professionellen Begleitung und Betreuung, Stichwort Traumatherapeuten, Psychologen und Seelsorger.

Wie können Interessierte sich einbringen? 

Interessierte können sich bei den Tageseinsätzen einbringen, vor allem bei den Café-Teams. Die Café-Teams schicken wir von Dienstag bis Samstag täglich raus – mit bis zu 200 ehrenamtlichen Helfern pro Tag. Jeder ab 20 Jahren kann hier unkompliziert mitmachen. Wer aus der Region kommt, aber nicht mitmachen kann, kann gerne selbstgebackene Kuchen beisteuern, alle anderen können auch Kuchen, Kaffee und Becher, die wir dazukaufen, mitfinanzieren. Eine weitere Möglichkeit, sich einzubringen, ist es, in die Ahrtal-WGs zu ziehen oder als Tages-, Wochen- oder Monatsgäste an den Projekten teilzunehmen, die wir über die Ahrtal-WGs in der Region realisieren werden.

Ganz wichtig sind jetzt auch professionelle Handwerker, Bauleiter und Architekten, die aktiv und auch bezahlt beim Wiederaufbau mithelfen und auf diese Weise auch ganz praktisch und Hoffnung mitbringen können. Hier besteht zur Zeit ein enormer Bedarf.

Hoffnung hat immer auch etwas mit Zukunft zu tun. Gibt es Zukunftsvisionen für das Projekt?

Das alles sind gegenwärtige und zum Teil auch zukünftige Projekte des Hoffnungswerks. Wir sind gekommen, um zu bleiben. Unsere Perspektive umfasst derzeit mindestens ein bis drei Jahre. Wir sind selbst gespannt, was daraus wachsen wird. Hier herrscht weiterhin eine sehr hohe Dynamik, weshalb es uns wichtig ist, uns auch weiterhin an die wechselnden Bedürfnisse anzupassen. Wir gehen aber davon aus, dass die Nöte im Ahrtal und im gesamten Katastrophengebiet noch sehr lange groß sein werden. Und deshalb helfen wir so lange, wie unsere Hilfe gebraucht, gewünscht und sinnvoll ist.

Vieles wird nicht wieder so aufgebaut werden können, wie es mal war. Unser Motto ist daher: Nachher soll es noch besser sein als zuvor. Es wird nicht gleich sein, es wird anders sein, aber es soll insgesamt noch besser werden als vorher. Und dazu möchten wir beitragen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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3 Antworten

  1. Danke für euren Einsatz! Ein herrliches Projekt dass Jesu Liebe den Menschen praktisch vor Augen führt in sehr schweren Zeiten! Bleibt dran!

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    1. Das finde ich eine richtig gute Sache!
      Meine Mutter lebt in Stolberg bei Aachen.
      So bekomme ich hautnah mit, wie trostlos es dort ist.
      Danke!

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  2. Naja… meine Freundin ist professionelle Traumatherapeutin mit eigener Praxis und wollte sich gern im Ahrtal einbringen. Sie hätte sogar einen Cafebus mitgebracht, um darin Therapie und andere Angebote anzubieten. Aber das war nur mit Hindernissen und Widerstand verbunden, weil es nicht ins Schema passte. So rund läuft das alles nicht… Es gibt viel Konkurrenz…

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