Mission: Frohe Botschaft oder Kulturimperialismus?

Am Anfang von christlicher Mission steht immer ein Offenbarungserlebnis, das dann mit „dem Nachbarn“ geteilt werden möchte. Doch Mission bedeutet immer auch Kulturtransfer. Und da beginnen die Konflikte. Darüber und ob es bei Mission eigentlich um Theologie geht, sprachen am Montagabend Experten bei den Berliner Religionsgesprächen.
Von Jörn Schumacher

Das Christentum versteht sich als die Verkündigung einer Botschaft, des Evangeliums. Es muss daher seinem Wesen nach notwendig missionieren. Während die äußere Mission zentraler Bestandteil der europäischen Kolonisierung der Welt war, bedeutete Mission oft zugleich einen Kulturtransfer. „Mission – Bekehren – Belehren – Unterwerfen – Helfen?“, lautete am Montagabend das Thema der Berliner Religionsgespräche, welche gemeinsam vom Verlag der Weltreligionen, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, RBB Inforadio und der Udo Keller Stiftung Forum Humanum veranstaltet wurden.

Christoph Markschies, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, lenkte die Aufmerksamkeit in seiner Einführung auf die allererste Missionstätigkeit des Christentums, nämlich jene des Apostels Paulus. Der habe laut dem Bericht von Lukas etwa in Thessaloniki in der Synagoge Christus, den Auferstandenen, den Messias gepredigt. Einige ließen sich damals überzeugen und schlossen sich Paulus und seinen Gefährten an, andere aber ereiferten sich, berichte Lukas. „Da entstand durch die Mission des Paulus eine Debatte innerhalb einer Religion“, so Markschies. „Und sie führte zu einer politisch auffälligen Unruhe, welche die Gemeinschaft zu spalten drohte.“ Markschies fügte hinzu, das sei sicher nicht die Form von Mission, die wir normalerweise mit diesem Begriff verbinden. „Warum denken wir beim Begriff nicht die Dispute innerhalb der Religion? Ist Mission etwas, was mit der Moderne ans Ende gekommen ist?“, fragte Markschies.

Mission war „europäische nationalistische Expansion“

In jüngerer Zeit habe sich das missionarische Engagement aufgefächert, zeigte sich der Kommissarischer Direktor des Instituts für Weltkirche und Mission Sankt Georgen / Frankfurt am Main, Markus Luber SJ, in der Diskussionsrunde überzeugt. Es gebe einerseits die negative Konnotation: „Hör auf, mich zu missionieren!“ Andererseits sei auch die „Mission ohne Worte“ wichtig, bei der ein Zeugnis vorgelebt werde. Missionsunternehmen seien immer auch Bildungsunternehmen gewesen, so Luber, und hätten auch Gesundheitsengagement gezeigt. „In jüngerer Zeit ist der interreligiöse Dialog auch Teil der christlichen Mission. Da gab es viele Konflikte in der Vergangenheit.“

Dennoch habe es im 19. Jahrhundert im Zuge von Mission eine „europäische nationalistische Expansion“ gegeben, so Luber. Er widersprach aber der Darstellung, es sei nur um die Ausübung kolonialer Interessen gegangen. „In erster Linie war es durchaus die theologische Motivation. Was hat im 19. Jahrhundert ganz einfache Menschen denn dazu bewogen, in die Kolonialgebiete zu gehen? Sie konnten dort für sich nicht sofort Ressourcen erschließen, es gab nicht die Möglichkeit, sich zu bereichern. Es war der Wunsch, die Heiden aus der Finsternis zu holen. Das ist ein theologisches Motiv.“ Die Grundmotivation sei gewesen: „Da haben Menschen etwas völlig neues in ihrem Leben erfahren, was wir Offenbarung in der religiösen Erfahrung nennen. Das will weitergesagt werden.“ Gleichzeitig ging dieses Kommunizieren der persönlichen Erfahrung mit dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen, Sprachen und Mentalitäten einher. „Dieser Spannungsbogen lässt sich nicht auflösen“, so Luber.

Die Anthropologin und Religionswissenschaftlerin Birgit Meyer vom Research Institute for Philosophy and Religious Studies (OFR) der Universtität Utrecht zeigte sich besonders interessiert an dieser Verflechtung. „Bekehrungsprozesse erfolgten in einem kolonionalen Rahmen, die man dann auch als Bekehrung zu einer Modernität verstehen konnte“, sagte Meyer. „In diesem Rahmen wurde die einheimische Religion zum Teil zerstört und Lebenswelten komplett neu orientiert.“ Meyer bezeichnete die Anfänge der Mission als „Trojanisches Pferd“. Eine weltoffene und interessierte Bevölkerung der Zielländer habe sich auf die Mission eingelassen, worauf sich die eigene Kultur gewandelt habe.

Katharina Döbler beschrieb in ihrem Buch „Dein ist das Reich“, wie ihre vier Großeltern von der Neuendettelsauer Mission nach Papua-Neuguinea ausgesandt worden waren. „Das hieß damals Heidenmission, und man fühlte sich für die kulturelle Hebung der Eingeborenen zuständig, so hieß es wörtlich“, sagte Döbler. Sie sei keine Anhängerin des Missionsgedankens, betonte Döbler, sie könne nicht verstehen, „wieso man die Welt mit seiner eigenen Religion beglücken muss“. Durch Waffen, Boote und Kommunikationsmittel seien die westlichen Missionare überlegen gewesen, und sie hätten zudem eine ethische Überlegenheit empfunden, so die Autorin. Sie kritisiert: „Dahinter stand die Überzeugung, dass die anderen die Primitiven sind und sie selbst die Überlegenen waren. Dadurch haben sie eine unglaubliche Zerstörung angerichtet.“ Die Neuendettelsauer Mission habe geradezu „Claims“ abgesteckt, und es habe eine klare Machtverteilung und eine strikte Hierarchie gegeben, so Döbler.

Alle Menschen sind gleich

Kokou Azamede von der Université de Lomé, Togo, erklärte, die Schulen seien eine wichtige Brücke zum Christentum gewesen. Die Schüler hätten anfangs nur Lesen und Schreiben lernen müssen, dann aber auch die Inhalte des Christentums. „Im westafrikanischen Gebiet der norddeutschen Missionsgesellschaft, heute in Togo und Ghana, lagen die Machtverhältnisse klar in der Kirchenordnung, die alles bestimmte“, sagte Azamede. „Die Einheimischen waren Gehilfen, egal wie weit sie in ihrer Ausbildung gekommen waren. Sie blieben immer unter der Führung der Missionare. Denn sie waren diejenigen, die die Arbeit auf dem Feld verrichteten.“ Er merkte an, dass die Afrikaner ihr Leben nach außen immer so darstellten, als seien sie zuvor in der Finsternis gewesen, durch den Glauben seien sie aber ins Licht gekommen. „Sie sagten, was die Missionare gerne hörten. In den privaten Korrespondenzen sieht man aber, dass sie in Wirklichkeit eine kritischere Sicht auf die Mission hatten. Sie sahen, wie die Mission ihrer Kultur schadete.“

Auf die Frage, ob das Christentum überhaupt denkbar wäre ohne Mission, sagte Luber, hinter dem Wunsch, zu missionieren, stehe die Überzeugung, dass alle Menschen gleich seien und an der religiösen Offenbarung Anteil haben könnten und sollten. „Ich kann damit nicht hinter dem Berg halten. Man erzählt seinem Nachbarn davon.“ Kritisch hinterfragen könne man allerdings, wie diese Mission stattgefunden habe und heute stattfinde und ob sie eigentlich dem Evangelium von Jesus entspreche, der das Dienen über das Herrschen stellte. Meyer stellte fest, im Grunde sei heutzutage in der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) Mission kaum noch Thema. „Sie riecht nach Paternalismus und Kolonialismus. Man sieht in den Dialogen mit den früheren Missionskirchen Gespenster von Missionstätigkeit, verbunden mit Kolonialismus, die Vielen jetzt peinlich sind und sucht nun den Ausweg in die mehr säkularen Projekte“, so Meyer.

Die Diskussion wird am 7. November um jeweils 11 Uhr und 20 Uhr im RBB Radio ausgestrahlt und ist online abrufbar.

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3 Antworten

  1. alle, die in sich irgendeinen starken Ruf verspüren, neigen zur Mission, das ist kein Privileg der Christlichen. Im Moment merkt man ja, wie stark missionarisch Einzelne Wortführende oder auch viele Gruppen unterwegs sind. Die Kirche hatte neben dem Staat früher eher als andere die Mittel über ihr Verbreitungssystem . Jetzt haben alle, die energisch genug sind das Mittel Netz, Druck, Podcast usw..

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  2. Lieber Jörn Schumacher,
    mein Roman heißt nicht Dein Reich komme, sondern:
    Dein ist das Reich. (Claassen Verlag, 2021)
    Würden Sie das bitte korrigieren?
    Mit bestem Dank und Gruß

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    1. Wir haben es korrigiert. Entschuldigen Sie den Fehler.
      Grüße, die PRO-Redaktion

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