Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck hat sich entsetzt über den Krieg in der Ukraine gezeigt. Auf einem Podium des Deutschen Evangelischen Kirchentages sagte er, es sei „ein Skandal, dass in Europa wieder Christen gegen Christen kämpfen“. Frieden sei ein Werk der Gerechtigkeit. Diese könne nicht mit Deals erreicht werden. Für einen Frieden als Werk der Gerechtigkeit könne Gewalt immer nur das letzte Mittel sein.
Aus seiner Sicht sind Waffenlieferungen an die Ukraine gerechtfertigt, weil andere Mittel zur Befriedung nicht zum Erfolg geführt haben. Denn kein Mensch sei verpflichtet, sich seinen Feinden auszuliefern und sich dem eigenen Martyrium zu stellen. „Es gibt ein Recht auf Selbstverteidigung.“
Der Militärhistoriker Sönke Neitzel erklärte, dass es keinen historischen Beleg dafür gibt, dass Abrüstung einen Aggressor wie Russland von einem Krieg abhält. So hätten die Alliierten Hitler-Deutschland nicht mit Aufrüstung provozieren wollen und ihm wirtschaftliche Zusammenarbeit angeboten. Das habe den Krieg aber nicht verhindert. Auf der anderen Seite habe gegenseitiges Aufrüsten in den Ersten Weltkrieg geführt, aber auch den Kalten Krieg beendet.
Bodo Ramelow zur Bergpredigt
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter erklärte auf dem Podium, dass er für die Abrüstung in Europa verantwortlich war. Sein „Von-Saulus-zu-Paulus-Moment“ sei der russische Angriff auf die Ukraine 2014 gewesen. Kiesewetter war in der Vergangenheit stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses Abrüstung und Abrüstungspolitischer Sprecher. In den vergangenen Jahren setzte er sich stets für Waffenlieferungen an die Ukraine ein.
In Hannover erklärte er nun, dass Waffen notwendig seien, aber nicht hinreichend, um einen gerechten Frieden in der Ukraine zu schaffen. Waffen bräuchten einen Zweck und müssten eingehegt werden. Auf die Frage des Moderators, Nico Lange von der Münchener Sicherheitskonferenz, warum die Kirchentagsbesucher auf die Podiumsteilnehmer hören sollten, sagte Kiesewetter: „Vielleicht sollten auch wir hören“, auf die Länder, die in ihrer Geschichte mehrfach von Russland überfallen worden sind und jetzt vor Russland warnen.
Auch der Bundestagsvizepräsident und Linken-Politiker Bodo Ramelow diskutierte über Waffenlieferung und sprach von „einer innerlichen Zerrissenheit“. Und weiter: „Ich bin Christ, das heißt Bergpredigt und das heißt Feindesliebe.“ Dennoch betonte er das Recht der Ukraine, sich selbst zu verteidigen. Zugleich kritisierte er, dass Abrüstung aus dem Sprachgebrauch der öffentlichen Debatte verschwunden sei.
Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag treffen sich von Mittwoch bis Sonntag Protestanten, um aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft zu diskutieren und geistliches Leben zu teilen. Unter den 1.500 Veranstaltungen finden sich Vorträge, Gottesdienste, Workshops und Podiumsdiskussionen. Ziel der Veranstaltung ist es laut den Organisatoren, aktuelle gesellschaftliche Fragen aus christlicher Perspektive zu diskutieren.