Presserat: Öffentlichkeit ist medienkritischer

Der Deutsche Presserat hat für das vergangene Jahr die zweithöchste Zahl von Beschwerden seit Bestehen des Gremiums verzeichnet. Vielen sei ein „grundsätzlich medienkritischer Unterton“ gemeinsam, teilte die Freiwillige Selbstkontrolle mit.
Von Anna Lutz
Demonstrierende in Chemnitz: Den Presserat erreichten zahlreiche Beschwerden, die sich gegen die Berichterstattung darüber richteten

2.038 Beschwerden gingen für das Jahr 2018 beim Deutschen Presserat ein. Das ist die zweithöchste Zahl in der Geschichte des Gremiums, gleich nach dem Jahr 2015. Wie aus dem Jahresbericht der Freiwilligen Selbstkontrolle hervorgeht, erteilten die Veranwortlichen 28 Rügen, sieben mehr als im Vorjahr. Die meisten, 13 an der Zahl, wurden wegen Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes ausgesprochen, gefolgt von acht Rügen wegen der Vermischung von Werbung und Redaktion. Es ergingen außerdem 70 Missbilligungen und 147 Hinweise. Von den 2.038 eingegangenen Beschwerden stufte der Presserat 287 als begründete ein.

Chemnitz war Thema

Etlichen Beschwerden sei „ein grundsätzlich medienkritischer Unterton“ gemeinsam gewesen, heißt es in dem Jahresbericht. In ihnen sei es etwa um die Ausschreitungen in Chemnitz im August 2018, Migrationsbewegungen oder den Umgang mit Rechtspopulismus gegangen. Einige Leser hätten bezweifelt, dass es in Chemnitz zu „Hetzjagden“ gekommen sei, über die viele Medien berichteten. Der Presserat wies diese Beschwerden als unbegründet ab. Unstrittig sei, dass in Chemnitz Menschen andere Menschen gejagt hätten. Die Frage nach dem korrekten Ausdruck dafür sah der Presserat als zweitrangig an.

Das Gremium wies außerdem darauf hin, dass die Zahl von Anfeindungen, Drohungen und gewalttätigen Übergriffen gegen Journalisten in den vergangenen Jahren angestiegen ist. Er halte es deshalb für „dringend geboten, Politik und Polizei an ihre besondere Verantwortung für den Schutz der Presse bei der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte und Aufgaben zu erinnern“.

Beschwerde des Christlichen Medienverbundes erfolgreich

Dort, wo sich Leser über Verletzungen des Perönlichkeitsschutzes beschwerten, wurden meist Opfer von Gewalt, Unglücken oder Unfällen ohne Einwilligung der Angehörigen erkennbar abgebildet. Oft seien die Bilder aus Sozialen Netzwerken übernommen worden. Der Presserat stellt klar: „Die Übernahme und Veröffentlichung von Opferfotos ohne die Einwilligung der Angehörigen ist ein schwerer Verstoß gegen den Pressekodex.“ Gerügt wurde aus diesem Grund etwa die Bild-Zeitung, weil sie Bilder von Opfern eines Brückeneinsturzes in Genua zeigte. Der Christliche Medienverbund KEP hatte dazu Beschwerde eingelegt.

Vermehrt gingen wieder Beschwerden zur Berichterstattung über Straftaten ein. Es geht dabei um die Frage, ob Redaktionen die Herkunft von Straftätern oder Verdächtigen nennen dürfen oder nicht. Laut einer neu formulierten Richtlinie des Pressekodex soll die Zugehörigkeit in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.

Von: Anna Lutz

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