Mazyek: Talkshows haben Christchurch nicht thematisiert

Als eigentliches Thema der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ war der Terror in Sri Lanka angedacht. Der Zentralratsvorsitzende der Muslime, Aiman Mazyek, kritisierte dabei aber die deutsche Berichterstattung über die Anschläge auf die Moscheen in Christchurch.
Von PRO
Der Zentralratsvorsitzende der Muslime, Aiman Mazyek (l.), diskutiert mit dem CDU-Politiker Wolfgang Bosbach bei „Maybrit Illner“

Bei der ZDF-Talksendung „Maybrit Illner“ hat der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, beklagt, dass die Attentate im neuseeländischen Christchurch und in Sri Lanka ungleich in den Medien behandelt wurden. Am Donnerstagabend lautete das Thema der Diskussion, an der auch der Terrorismus-Forscher Peter Neumann, die Islamwissenschaftlerin Mürvet Öztürk, der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach und der Religionskritiker Philipp Möller teilnahmen: „Terror in Sri Lanka – Krieg der Religionen?“

Mazyek verglich die mediale Berichterstattung in Deutschland zu den Hunderten toten Christen beim Anschlag am Ostersonntag in Sri Lanka und den Dutzenden toten Muslimen durch den Amoklauf am Freitagsgebet in Christchurch. Keine der Talkshows von Frank Plasberg, Anne Will oder eben Maybrit Illner hätten das Thema Christchurch aufgenommen. Der Zentralratsvorsitzende der Muslime vermisste auch Sondersendungen. „Was geben wir dadurch für ein Signal? Dass uns die Muslime scheißegal sind?“, fragte er.

Nicht in Falle der Terroristen tappen

Die Islamwissenschaftlerin Öztürk antwortete ihm: „Ich finde diese Argumentation sehr schwierig. Wenn wir dem sogenannten ‚Islamischen Staat‘ nicht nach dem Mund reden wollen, dürfen wir diese Gleichung nicht aufstellen.“ Auch wenn über Christchurch nicht in einer Talkshow diskutiert worden sei, habe das nichts mit dem Wert der Menschen zu tun. Der CDU-Politiker Bosbach ergänzte: „Wir dürfen nicht in die Falle der Terroristen tappen. Denn das wollen sie, dass sie uns gegeneinander aufhetzen können. Aber es ist unsere Entscheidung, ob wir da mitmachen.“

Moderatorin Illner hatte den Abend mit der Frage eröffnet, ob die Welt ein friedlicherer Ort ohne Religionen wäre. „Ist Religion nur Opfer, ein fauler Vorwand im Kampf dieser Unkulturen oder selbst eine Ursache für Fanatismus und Gewalt?“, konkretisierte sie ihre Frage im Bezug auf die terroristischen Anschläge der vergangenen Monate.

Mazyek verteidigte allgemein die Religionen: „Sie sprechen nicht die Sprache der Rache, sondern der Versöhnung. Terroristen setzen auf die Spirale der Gewalt. Die müssen wir durchbrechen.“ Dem widersprach der atheistische Buchautor Möller („Gottlos glücklich“). Religion sei mehrsprachig. Sie spreche nicht nur die Sprache der Liebe, sondern auch die Sprache des Hasses und der Rache. „Lesen Sie die Bibel oder den Koran. Sie werden in den Quelltexten lesen, dass dort explizit zur Gewalt aufgerufen wird“, sagte er.

Terrorismus-Forscher widerspricht CDU-Politiker Bosbach

In der Diskussion, in der erst gegen Ende auch mal sehr kurz die positiven Seiten von Religion angerissen wurden, merkte Bosbach an: „Ich würde mich freuen, wenn die Christen in den islamisch dominierten Ländern genauso viel religiöse Toleranz erfahren würden wie die Muslime bei uns.“ Das konnte der Terrorismus-Forscher Neumann nicht unkommentiert stehen lassen: „Es stimmt nicht, dass die Christen die am meisten verfolgte Religion auf der Welt ist.“ Sein Institut am King’s College in London habe Stichproben gemacht und dabei herausgefunden, dass beispielsweise 90 Prozent aller Opfer des „Islamischen Staates“ andere Muslime seien.

„Natürlich merken wir die Anschläge auf Christen mehr, weil sie im Westen mehr berichtet werden. Das sind Menschen, denen wir uns aus Identitätsgründen näher fühlen“, führte er aus. Anhaltende Kritik am Christentum äußerte Möller in der Debatte. „Das Christentum wird als eine Ideologie herangezogen, die Menschen dazu bringt, andere Menschen zu töten“, lautete einer seiner aggressiv formulierten Sätze.

Spannender waren dagegen die Ausführungen Neumanns. Der verglich rechtsradikale Attentäter wie den Norweger Anders Breivik mit IS-Terroristen. Beide seien ähnlich besessen von den Kreuzzügen der Europäer im Mittelalter. „Sie glauben, dass diese niemals geendet sind“, sagte Neumann. Es gehe den Rechtsradikalen dabei aber nicht um ein Christentum im theologischen Sinne, sondern um die christliche Identität. Breivik, der in einem Amoklauf 2011 in Norwegen 77 Menschen umbrachte, sei nicht in die Kirche gegangen und habe sich trotzdem als Christ gefühlt. Das sei ein weit verbreitetes Phänomen bei Rechten. „Sie sagen, sie seien Christen, weil sie gegen Muslime sind, aber nicht, weil sie in die Kirche gehen oder die Bibel kennen“, erläuterte er.

Von: Michael Müller

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