Libanesischer Theologe: „Orientalische Christen werden instrumentalisiert“

Orientalische Christen werden dazu missbraucht, um gegen Muslime zu giften. Diese Ansicht hat der libanesische Theologe Hanna Nouri Josua vertreten. Von Muslimen in Deutschland fordert er die Preisgabe theokratischer Vorstellungen und ein „inneres Ja" zu Gesellschaft und Demokratie.
Von Norbert Schäfer
Der libanesische Theologe Hanna Nouri Josua (Archivbild) übt Kritik an den islamischen Dachverbänden, der Politik und den Kirchen

Nach Ansicht des Theologen Hanna Nouri Josua wird die Situation der orientalischen Christen in Deutschland mitunter missbraucht, um gegen Muslime zu polemisieren. „In der Form, dass man sagt: Ihr seid verfolgt und ihr seid durch die Muslime verfolgt“, erklärte Josua. Vom „rechten Rand“ würden solche Aussagen mit „Applaus“ quittiert.

In einem Interview des Deutschlandfunks bemängelt Josua zudem, dass manche Menschen nicht zwischen orientalischen Christen und Muslimen in Deutschland unterschieden. Orientalische Christen würden häufig mit Muslimen gleichgesetzt, weil auch sie Arabisch sprechen und schreiben. „Araber ist gleich Muslim, ist gleich unerwünscht“.

Christen leiden unter Repressalien

In dem Interview erklärt Josua, dass Christen in muslimischen Ländern zwar keiner offenen Verfolgung, aber Repressalien und indirekter Verfolgung ausgesetzt seien. Josua verdeutlicht seine Sicht am Beispiel seines Herkunftslandes Libanon, dass Gesetze die Entfaltung von Christen in diesen Ländern beschränken und begrenzen. Dies mache es den Christen unmöglich, sich in ihren Heimatländern zu profilieren.

Dass Menschen nach ihren Kompetenzen und Fähigkeiten betrachtet werden statt nach ihrer Religion, sei seiner Meinung nach nur in einem „demokratischen Kontext“ möglich. In arabischen Ländern etwa sei es nicht vorstellbar, dass Christen hohe Staatsämter bekleideten.

Unheilige Allianz

Damit der Islam zu Deutschland gehören könne, müssten Muslime zu „einem inneren Ja zu dieser Gesellschaft und zu den demokratischen Strukturen“ finden und sich integrieren. Josua tritt deshalb in dem Interview dafür ein, dass Muslime „Geschichte als Geschichte“ betrachten. „Nach der Auswanderung des Propheten des Islams nach Medina ist er ja in Personalunion nicht nur Prophet geblieben, sondern auch Heeresführer, Richter, Legislative, Judikative, Exekutive, das Prophetische“, erklärte Josua. Diese Vorstellung herrsche bis heute bei Muslimen vor. Damit sich das ändert, forderte er eine „neue Lesart des Islam“, die sich vom theokratischen Staat verabschiedet. Moderne islamische Theologen versuchten, das auszuarbeiten.

Abraham opfert Isaak: Das Motiv kommt auch im Islam vor. Hanna Nouri Josua hat in einer detaillierten Studie untersucht, wie der Islam diesen Glaubensvater interpretiert. Foto: Wikipedia
Abraham opfert Isaak: Das Motiv kommt auch im Islam vor. Hanna Nouri Josua hat in einer detaillierten Studie untersucht, wie der Islam diesen Glaubensvater interpretiert.

Josua kritisierte in dem Interview die islamischen Dachverbände in Deutschland und den Umgang der Kirchen mit ihnen. Die Mehrheit der Muslime denke anders, dennoch würden die Dachverbände „als das Nonplusultra für das Gespräch über christlich-islamische Begegnungen“ angesehen. Auch die Kirchen würden Allianzen mit diesen Dachverbänden eingehen und ihren Einfluss in der Gesellschaft wahren, ungeachtet der Kritik, dass etwa der Verband Ditib von der türkischen Religionsbehörde kontrolliert werde. Die muslimische Mehrheit jedoch hätten die Kirchen nicht im Blick.

Josua ist Pfarrer der Arabischen Evangelischen Gemeinde Stuttgart. Er wurde im Libanon geboren und hat dort zunächst Politikwissenschaften und Geschichte des Islam studiert, später studierte er in Belgien und Deutschland evangelische Theologie. Er lebt seit 1980 in Deutschland.

Von: Norbert Schäfer

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