Läderach im Licht der Medien

Der SRF berichtet in einem Beitrag über den schweizerischen Chocolatier Jürg Läderach. Darin werden vor allem Vorwürfe gegen den Patron rund um eine von ihm gegründete christliche Privatschule thematisiert.
Von PRO
Läderach

Die Dokumentation, die auf dem SRF-Portal nachgeschaut werden kann, beginnt mit einer dunklen Bildsprache. Dann kommen ehemalige Schüler der evangelikalen Privatschule „Domino Servite“, die der Chocolatier Jürg Läderach mit Gleichgesinnten in Kaltbrunn aufgebaut hat, zu Wort. Sie berichten davon, dass an dieser Schule zahlreiche Kinder geschlagen und missbraucht wurden. Mittendrin in diesem System der Züchtigung stand laut der SRF-Doku der erfolgreiche Unternehmer Jürg Läderach. Dieser bestreitet, jemals Kinder oder Jugendliche der Schule geschlagen zu haben.

„Aufarbeitung hat stattgefunden“

Dass in der Privatschule „Domino Servite“ bis 2002 schlimme Zustände herrschten, ist durch die Zeugenberichte und Untersuchungsberichte umfassend dokumentiert. Aus Sicht von Markus Baumgartner, dem heutigen Mediensprecher der christlichen Schule, die sich in „Christliche Schule Linth“ umbenannt hat, muss klar zwischen den Machenschaften von 1995 bis 2002 und der Zeit danach unterschieden werden. In der Dokumentation vom SRF habe er nicht die Möglichkeit erhalten, genügend auf diese Unterscheidung hinzuweisen. Er sei von der Journalistin Eveline Falk rund zwei Stunden interviewt worden. Am Ende seien davon nur 30 Sekunden ausgestrahlt worden. Gegenüber dem Ostschweizer Privatfernsehen TVO legte er tags darauf dar, dass die heutige Trägerschaft alles unternommen habe, um die damaligen Taten aufzuarbeiten. „Man hat einen Neuanfang vollzogen. Es wurden Ombudsstellen eingerichtet, Betroffene können sich auch bei einer unabhängigen Mediatorin melden, wenn sie psychotherapeutische oder juristische Hilfe brauchen. Es wurde alles gemacht, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann.“

Auch die heutige Unternehmensleitung der Schokoladenfabrik Läderach distanziert sich in aller Deutlichkeit von der damaligen Verbindung mit dem Hof Oberkirch in Kaltbrunn. Johannes Läderach, der die weltweit tätige Firma seit 2018 führt, äußerte sich gegenüber „CH Media“ und „10 vor 10“ sehr klar: „Ich habe das Klima der Angst selber miterlebt und es macht mich richtig wütend, was dort vorgefallen ist. Wenn das stimmt, was im Dokumentarfilm dargestellt wird, verurteile ich das aufs Schärfste. Es geht gegen all das, was ich glaube und mir wichtig ist.“ Der heutige CEO und Verwaltungsratspräsident stellt auch fest, dass heute keinerlei Verbindung mehr zwischen dem Unternehmen Läderach und der Freikirche in Kaltbrunn bestehe.

„Untypisch für Freikirchen“

Die Religionsexpertin von SRF, Judith Wipfler, ordnet in einem Radiobeitrag den Skandal der christlichen Privatschule in der Ostschweiz in Bezug zur gesamten Freikirchenlandschaft in der Schweiz ein. Wipfler beurteilt die im Film gezeichneten Zustände als „eher untypisch für die Freikirchenlandschaft“. Bei der christlichen Privatschule in Kaltbrunn habe es sich um eine Gruppe gehandelt, die sich abgekapselt habe und starken Führungspersonen folgte.

Dieser Beobachtung pflichtet der Relinfo-Sektenexperte Georg Schmid in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger bei. Es existierten nur am Rand der Freikirchenszene einzelne radikale Organisationen, die an Körperstrafen festhalten würden. Angesprochen auf den Fall Läderach sagt Schmid, er habe persönlich nie von einem Direktbetroffenen gehört, dass er von Jürg Läderach geschlagen worden sei. „Das muss aber nicht heißen, dass die Zeugen in der SRF-Doku sich falsch erinnern. Was ich aber weiß, ist, dass, seit Läderach die Leitung der Schule 2002 übernommen hat, die Gewalt stark zurückgegangen ist. Ich glaube der Schule, dass sie Körperstrafen ablehnt. Ich habe in jüngerer Zeit auch von keinen Vorfällen mehr gehört.“ Weiter sei zu bedenken, erklärt Sektenexperte Schmid gegenüber dem Tagi, dass die Eltern die Überzeugungen der Schule geteilt und in den Fällen, die er kenne, auch selbst Gewalt angewendet hätten.

Christliche Influencer kommentieren fleißig

Peter Schneeberger, Präsident des Dachverbands Freikirchen.ch nahm auf seiner persönlichen Facebook-Seite zum SRF-Dokumentarfilm Stellung: „Missbrauch im kirchlichen Umfeld ist doppelt tragisch und verwerflich, denn Menschen suchen die Nähe Gottes im kirchlichen Umfeld und werden dabei in diesen intimen Momenten von Gottes Personal missbraucht. Meine Gedanken und mein Einsatz gelten den Opfern und dem Aufbau eines kirchlichen Raumes, in dem jede Person geschützt ihren Glauben praktizieren kann.“ Schneeberger verweist auf die Initiative „Stop Grenzverletzungen“, die sich genau in diesem Bereich einsetzt.

Dennoch sei er mit der Berichterstattung zu den aktuellen Missbrauchsfällen nicht einverstanden. Es sei ein sensationslüsterner Journalismus, der auch vor Sippenhaftung nicht zurückschrecke. „Personen mit traumatischen Erfahrungen werden auf die mediale Bühne gezerrt und teilen ihre schwierigsten Erfahrungen. Aus seelsorgerlicher Sicht bräuchten sie jedoch gute und fachliche Begleitung, um diese schwierigen Erfahrungen aufzuarbeiten. Ist das möglich, wenn nun die ganze Welt bis in das intimste Detail vom erlebten Missbrauch weiß?“

„Schieflagen selbstkritisch hinterfragen“

Auch Reflab-Chef Manuel Schmid meldete sich zu Wort: „Ich bin aufgewühlt, angewidert, aber leider auch nicht völlig schockiert über das, was die SRF-Sendung berichtet. Dass die Opfer körperlicher Misshandlungen und psychischer Schädigungen den Mut gefunden haben, an die Öffentlichkeit zu treten, obwohl der Läderach-Patron mit Gerichtsverfahren für alle ‚Verleumder‘ gedroht hat, verdient meinen Respekt.“

Schmid räumte ein, dass die beschriebenen Zustände nicht symptomatisch für jede Freikirche oder evangelikale Gemeinschaft seien. Doch: „Die Dokumentation sollte zu einem Anlass werden, dogmatische Weichenstellungen und strukturelle Schieflagen in frommen Kreisen selbstkritisch zu hinterfragen – und reumütig aufzuräumen mit den Hypotheken der Vergangenheit.“

Von: Florian Wüthrich, Debira Murri, Rebekka Schmidt
Dieser Text ist zuerst bei Livenet.ch erschienen
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