Keine Politikaufgaben, sondern „Jesus first“ als Alleinstellungsmerkmal der Kirche

Die Einsatzbereitschaft von Heinrich Bedford-Strohm für Seenotrettung und das Textilsiegel „Grüner Kopf“ hält pro-Kolumnist Jürgen Mette für ehrenwert. Doch er erhofft sich vom Ratsvorsitzenden, dass dieser sich vorrangig um die missionarische Qualität der Kirche kümmert.
Von Jürgen Mette
Der Theologe Jürgen Mette leitete viele Jahre die Stiftung Marburger Medien. 2013 veröffentlichte er das Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte. Für pro schreibt er eine regelmäßige Kolumne.

Ich schätze den Ratsvorsitzenden der EKD und bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sehr. Und das nicht nur, weil er kürzlich die evangelikale Presse gelobt hat. Ich staune immer wieder, wie er die oft bösartigen und gnadenlosen Angriffe, die in den sozialen Medien auf ihn abgefeuert wurden, klaglos weggesteckt hat. Dieser gehässigen Rhetorik hat sich der Feingeist nie bedient. Einige seiner Kritiker lassen keine Gelegenheit aus, ihm das Ablegen des Amtskreuzes auf dem Jerusalemer Tempelberg vor etwa drei Jahren als Verrat des christlichen Glaubens auszulegen. Er bezog dazu zwar öffentlich Stellung, aber die erzürnten Wächter in unserem Lager akzeptieren das nicht als ein Schuldeingeständnis. Ich habe öfter in dieses Online-Gefecht die Frage geworfen: „Wie wäre es mit Gnade?“ Jede Verlautbarung des Bischofs, jede seiner Predigten wird von frommen Leuten observiert und öffentlich verhackstückt. Wenn all mein (!) Geschwätz und Geschreib ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt würde, dann sähe es ohne die Gnade Gottes nicht gut aus für mich.

Als der Bischof sich auf dem Höhepunkt der Seenotrettungskrise politisch einmischte und die Bereitstellung eines EKD-Rettungsbootes abwog, waren gleich die Prüfer zu Stelle. Das ginge die Kirche nichts an, die sollen lieber die verlorenen Seelen aus dem Sündenmeer retten. Bedford-Strohm rief immer wieder auf, dass man Ertrinkende nicht einfach untergehen lassen darf. Schlimm genug, dass das überhaupt an Land debattiert wurde – im Trockenen.

Bedford-Strohm setzt sich für „Grünen Knopf“ ein

So wichtig und richtig das alles ist, so wenig lösen symbolische Einzelaktionen das Flüchtlingsproblem. Und wenn der Bischof mit den Waldeigentümern eine symbolische Wanderung durch das sterbende Gehölz machen würde, es reicht nicht, den Borkenkäfer verantwortlich zu machen. Da sind globale Probleme, die nur mit vereinten Kräften aus Wirtschaft und Forschung, Hand in Hand mit der Klimaforschung angegangen werden müssen. Und dazu braucht man weder Hörsaaltheologen, die nur noch politisieren, noch Stubentheologen, die jedes Problem vergeistlichen und keine Verantwortung für die Schöpfung übernehmen, sondern unabhängige hysterie-resistente Wissenschaftler.

Nun erfahren wir, Heinrich Bedford-Strohm habe sich an der Seite von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) für den „Grünen Knopf“ eingesetzt. Müller betonte, im Textilbereich gebe es eine der vielen Lieferketten, die in Entwicklungsländern anfingen und in deutschen Kaufhäusern endeten. Die Menschen arbeiteten dabei zum Teil wie Sklaven auf Plantagen und in Fabriken. Der Minister verwies auf den Einsturz des Fabrikhochhauses Rana Plaza im April 2013 in Bangladesch, bei dem mehr als 1.100 Beschäftigte aus der Textilbranche getötet wurden. Der Wille, diese Bedingungen zu ändern, habe ihn angetrieben, den „Grünen Knopf“ voranzubringen.

„Wenn die Politiker ihre Aufgaben nicht überzeugend angehen, hat die Kirche die heilige Pflicht, die jeweilige Obrigkeit an ihre Verantwortung zu erinnern.“

Eine unterstützenswerte Aktion. Aber wofür soll der Bischof noch alles herhalten: Klimaschutz, Artenschutz, Tierschutz, Asyl für den Borkenkäfer, Minderheitenschutz, Schutz des geborenen und Schutz für das ungeborene Leben, gegen Ausbeutung, gegen schlechte Arbeitsbedingungen, für die Vermeidung von Plastikverpackungen, gegen umweltschädliche Limousinen im bischöflichen Fuhrpark und für eine freiwillige Reduzierung der Gehälter beim Führungspersonal der Kirchen?

Das sind alles Aufgaben der Politik. Und wenn die Politiker diese Aufgaben nicht überzeugend angehen, dann hat die Kirche die heilige Pflicht, die jeweilige Obrigkeit an ihre Verantwortung zu erinnern.

„Jesus first“ als Alleinstellungsmerkmal der Kirchen

Ich erhoffe mir vom Ratsvorsitzenden, dass er sich vorrangig um die missionarische Qualität der Kirche kümmert, um geistliche Erneuerung des kirchlichen Personals, um die Durchdringung der Gesellschaft mit dem Evangelium. Zurzeit finden Kirchenvorstandswahlen statt. Ich bin erschrocken, dass bei den Kandidaten kaum noch ein Bewusstsein für biblische Kriterien des Ältestenamtes erkennbar ist und der Bezug auf Jesus Christus zu einer Rarität verkommen ist.

„Jesus first“ – ist nicht die Lösung aller akuten Probleme unserer Zeit, aber „Jesus first“ ist das Alleinstellungsmerkmal der Kirchen, die sich auf Christus berufen und die mit „Herzen, Mund und Händen“ ihre göttliche Berufung leben.

Von: Jürgen Mette

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