Die Presse „heilig halten“

Seit 70 Jahren garantiert das Grundgesetz Medienschaffenden eine einzigartige Freiheit. Journalisten sind zwar keine „heiligen Kühe", aber die Kritik an ihnen schlägt oft den falschen Ton an. Ein Kommentar von Norbert Schäfer
Von PRO
Presse- und Meinungsfreiheit sind im Grundgesetz verankert

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 5)

Vor 70 Jahren trat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft und damit die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Medien und der Meinungsäußerung. Damals wie heute haben die Medien die Freiheit, aber auch den Auftrag, die Meinungsvielfalt und so die demokratische Willensbildung in den gesellschaftsrelevanten Debatten zu befördern.

Die Presse soll zudem den Mächtigen in Politik und Wirtschaft auf die Finger schauen und so Transparenz und Kontrolle in diesen Bereichen gewährleisten. Georg Mascolo, der ehemalige Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, bezeichnet Journalismus als „Reparaturbetrieb der Demokratie“. Wie wichtig diese Funktion ist, und dass sie grenzüberschreitend funktionieren muss in Europa, sehen wir augenblicklich am Beispiel Österreichs.

Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung haben ein heimlich aufgenommenes Video veröffentlicht, das Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) bei dem Versuch überführt, über Mittelsmänner(frauen) zu einer positiveren Berichterstattung über seine Partei und Politik in den österreichischen Medien zu gelangen. Die Medien bringen so ans Licht, dass es einige Regierende mit der Demokratie und dem Rechtsstaat nicht so genau nehmen.

Deutungshoheit der Medien zerfällt

Seit 1949 berichten Journalisten in der Bundesrepublik unter dem Schutz des Pressefreiheit über das Straßenfest der christlichen Kindertagesstätte, den jährlichen Umzug von Lesben und Schwulen in der Hauptstadt, Missbrauch in den Kirchen, Bundestagsdebatten, über Prominente und das Wetter. Dass die unvoreingenommene, alle Facetten ausleuchtende Berichterstattung dann und wann misslingt, zeigt eine aktuelle Studie des Journalistik-Professors Michael Haller.

Die belegt am Beispiel des UN-Migrationspakts, dass Medien mitunter wichtige gesellschaftliche Themen schlicht verschlafen oder der Agenda von Politikern aufsitzen. Haller wünscht eine „partizipatorisch funktionierende Thematisierung auch heikler Aspekte“. Das partizipatorische Moment, die Teilhabe an der Meinungsbildung, ist in weiten Teilen übergegangen in die sozialen Medien. Die alleinige Deutungshoheit der Medien erodiert – auch, weil Bürger sich getäuscht fühlen, wenn Medien, wie beschrieben, einseitig berichten.

Kritik an den Medien ist kein Sakrileg, und Journalisten sind keine „heiligen Kühe“. Aber wenn Medienkritik hämisch und boshaft ausfällt, verkennt das die Bedeutung der Presse und lässt auch Regeln des Respekts und des Anstands außen vor. Bei der Gründungsversammlung der Evangelischen Allianz 1846 in London haben Christen die „Heilighaltung der Presse“ beschlossen und formuliert: „Dass die Mitglieder dieses Bundes es einander in Liebe aber ernstlich anempfehlen, in ihrem ganzen Betragen und namentlich in dem Gebrauch, den sie von der Presse machen, alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung samt aller Bosheit sorgsam zu vermeiden und vielmehr in allen Dingen, in welchen sie verschiedener Meinung sein mögen, untereinander freundlich und herzlich zu sein […] .“

Was uns hier als eine Selbstverständlichkeit vorkommt, dass eben Pressefreiheit herrscht und Journalisten über alles schreiben dürfen, sollten wir wertschätzen und verteidigen. Denn anderenorts ist das nicht so. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ berichtet immer wieder von systematischer Hetze gegen Journalisten. Die Zahl der tätlichen Angriffe gegen Journalisten ist auch in Deutschland gestiegen. Der Blick auf die im Grundgesetzt garantierte Pressefreiheit muss uns Journalisten Ansporn sein, die uns anvertraute Freiheit sorgsam, gewissenhaft und zum Wohl der Demokratie zu gebrauchen. Das Publikum möge weiter kritisch sein, aber bitte auch im Sinne der „Heilighaltung der Presse“.

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