Kirchen widersprechen schärferen Regeln zum Kirchenasyl

Das Kirchenasyl soll schärfer reguliert werden. Das Bundesinneministerium wirft den Kirchen vor, die Dublin-Regelungen zu unterwandern. Die Kirchen weisen die Kritik zurück.
Von PRO
Flüchtlinge sollen künftig mindestens anderthalb Jahre im Kirchenasyl verbringen müssen, bevor ihr Asylantrag neu geprüft wird

Das Bundesinnenministerium will das Kirchenasyl schärfer regulieren. Dagegen regt sich nun Widerstand der Kirchen. Das geht aus einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom Sonntag hervor. Der Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, wies gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung Vorwürfe aus der Politik zurück, die Kirchen unterwanderten mit dem Kirchenasyl geltendes deutsches Recht, wenn sie ausreisepflichtige Flüchtlinge aufnähmen.

Das Kirchenasyl wird bislang üblicherweise Asylsuchenden gewährt, deren Asylantrag bereits abgelehnt wurde und die nun abgeschoben werden sollen. Wenn eine Gemeinde eine Abschiebeentscheidung für problematisch hält, kann sie Kirchenasyl gewähren und den Geflüchteten – oft auf dessen Bitte hin – auf kirchlichem Gelände unterbringen. Bleibt er dort mindestens sechs Monate, ist er nach der so genannten „Dublin-Regelung“ vor einer Abschiebung geschützt – bisher. Das Bundesinnenministerium möchte diese Frist nun auf anderthalb Jahre anheben.

„Ein Kirchenasyl, das grundsätzlich versucht, das deutsche Recht außer Kraft zu setzen, wäre nicht zu verantworten“, sagte Sternberg dem Heidelberger Blatt. Doch der Zweck des Kirchenasyls sei es, dass der Staat ein abgeschlossenes Rechtsverfahren erneut prüfe. Einen kirchlichen Schutz für solche Situationen habe es über Jahrhunderte gegeben.

„Während Kirchengemeinden dieses Recht nicht überdehnen sollten, tut der Staat gut daran, Polizeieinsätze in Kirchen nicht durchzuführen“, sagte Sternberg. Bisher hatte der deutsche Staat das – rein rechtlich gesehen illegale – Kirchenasyl stets geachtet und keine Flüchtlinge von kirchlichem Gelände abgeholt. Im Gegenzug hatten sich die Kirchen 2015 verpflichtet, bei einem Kirchenasyl umgehend die staatlichen Stellen zu unterrichten und ihre Zweifel an der Abschiebeentscheidung zu begründen.

Dublin-Regelung schickt Geflüchtete in Ersteinreiseländer

Der Wunsch des Ministeriums nach einer längeren Frist ist ein Resultat aus gehäuften Konflikten zwischen Gemeinden und den Bundesländern. Nach Angaben der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft gibt es in Deutschland derzeit 544 Fälle von Kirchenasyl, dabei werde mindestens 872 Personen Schutz gewährt. 502 Fälle betreffe die oben genannte Dublin-Regelung. Diese besagt auch, dass Flüchtlinge in das EU-Land abgeschoben werden sollen, das sie zuerst betreten haben. Dublin-Abschiebungen führen die Geflüchteten also üblicherweise nicht in ihre Herkunftsländer, sondern in die Einreiseländer, etwa Italien, zurück. Ein Grund für das Kirchenasyl kann beispielsweise sein, dass einem Geflüchteten in dem Mittelmeerstaat die Obdachlosigkeit droht.

Das Innenministerium wirft nun vielen Gemeinden vor, sie wollten die zu kurze Halbjahresfirst einfach aussitzen und so das deutsche Recht umgehen. Die Kirchen halten dagegen, eine längere Frist hungere die meisten Kirchenasyle einfach aus, wie die SZ schreibt. Der Politikbeauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz, Uwe Heimowski, sieht das ähnlich. Auf Nachfrage von pro sagte er: „Die Verlängerung auf 18 Monate ist juristisch nicht notwendig, und so überrascht es nicht, dass es vielerorts als Schikane empfunden wird.“

Kirchenasyl ist keine Systemkritik

Die theologische Grundsatzentscheidung, die die Kirchen zum Kirchenasyl gefällt haben, versteht dieses als einen Akt des „zivilen Ungehorsams“. Damit ist eine Handlung gemeint, die zwar rechtswidrig ist, aber darauf abzielt, den Rechtsstaat grundlegend zu bejahen, indem sie diese an seine eigene Verantwortung erinnert und auf Härtefälle hinweist, die durch das Raster fallen. „Wer dem Kirchenasyl insgesamt unterstellt, systematisch den Rechtsstaat zu untergraben, der scheint das Prinzip nicht verstanden zu haben. Kirchenasyl ist kein Trick, um Menschen vor dem Staat zu verstecken, sondern immer nur dann die Ultima Ratio, wenn durch eine Abschiebung eine akute Gefahrensituation zu entstehen droht“, sagte Heimowski.

Das Kirchenasyl ist also keine Systemkritik und keine grundlegende Ablehnung der deutschen Flüchtlingspolitik, sondern ein gezieltes Unterlaufen des politischen Systems mit dem Ziel, dieses besser zu machen. Dahinter steht die grundsätzliche Annahme, dass Deutschland ein Rechtsstaat sei. Insofern wird das Kirchenasyl von den Behörden toleriert. Das geht aus einem EKD-Dossier von 2015 hervor.

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