Kirche wird zur Kita

Bällebad und Bibelwort: Unter der Woche sollen in einer evangelischen Kirche am Tegernsee bald Kinder spielen, sonntags bleibt sie Ort für Gottesdienste.
Nicht für alle Familien, die dies möchten, erfüllt sich der Kinderwunsch. Mit dieser Thematik beschäftigt sich Gertraud Schöpflin in ihrem neuen Buch „Eine Badewanne voll Glück“

Raum für Kinderbetreuung ist vielerorts Mangelware. Indes stellen sinkende Mitgliederzahlen, immer weniger Gottesdienstbesucher und steigende Kosten für Erhalt und Unterhalt von Gebäuden die Kirchengemeinden vor Herausforderungen. In der evangelischen Kirchengemeinde am Tegernsee in Bayern hat man sich daher etwas einfallen lassen: Die kleine protestantische Kirche in Kreuth soll zur Kita umgebaut werden – Pippi Langstrumpf neben Jesus.

Das allein ist heute gar nicht mehr so besonders, häufig trennen sich Kirchen von Immobilien und es entstehen daraus Kletterhallen, Clubs oder Hotels. Doch das nach eigener Aussage deutschlandweit Einzigartige in Kreuth: Die Kirche wird Kita – und bleibt Kirche.

Auch der Kirchenraum der Emmauskirche selbst solle im Kita-Alltag mitgenutzt werden, erläutert Pfarrer Martin Weber. Dann wird also auf dem Altar gebastelt, neben dem Taufbecken Lego gebaut und vor der Kanzel gepuzzelt.

Starttermin Herbst 2023

Und wenn die Gemeinde in dem 1956 erbauten modernen Sakralbau mit asymmetrischem Giebel Gottesdienst feiern will? „Dann werden die Sachen einfach zur Seite gestellt“, sagt der Pfarrer. Denn vielen Einheimischen und Gästen sei „ihre“ Emmauskirche nach wie vor wichtig. „Und das soll sie auch bleiben.“ Die Kirche werde nicht entwidmet – ihre Nutzung wird erweitert. Besonders biete sie sich dann natürlich für Kinder- und Familiengottesdienste oder für Taufen an, sagt der Pfarrer.

Damit alles, was es für eine Kita braucht, genügend Platz findet, bekommt das Gebäude einen Anbau. Die Pläne hierfür liegen aktuell beim Landratsamt. „Wenn wir im Herbst 2023 als Krippe loslegen könnten, wäre das schön“, sagt Weber. Ob das jedoch realistisch ist, werde sich im Winter zeigen, wenn die Ausschreibung begonnen hat. Eine erste Schätzung der Baukosten liegt bei 1,3 Millionen Euro – die Gemeinde wird davon etwa 200.000 Euro selbst stemmen müssen.

Unterkommen soll in dem Gebäude eine Krippengruppe für zwölf Kinder von null bis drei Jahren. Die evangelische Gemeinde hat Erfahrung in Sachen Kinderbetreuung: Acht Kitas hat sie in den vergangenen 15 Jahren gemeinsam mit den Kommunen im Tegernseer Tal aufgebaut. Trotzdem sind die Wartelisten lang.

Kirche „nicht mehr so intensiv benötigt“

Kirchen dagegen gebe es im Tal mehr als genug, sagt Weber: insgesamt fünf evangelische und elf katholische. Auch dank der heutigen Mobilität werde da die Emmauskirche „nicht mehr so intensiv benötigt wie vor 50 Jahren“. Statt also ein weiteres Gotteshaus teuer für die immer weniger werdenden Besucher zu sanieren, entschied sich der Ort, in die Kinder zu investieren. Kreuths Bürgermeister Josef Bierschneider hat selbst schon als kleiner Junge an der Glockenschnur der Emmauskirche gezogen. Er freue sich, dass das Gotteshaus mit Blick auf die Berge und offenem Glockenturm nun dazu beitragen könne, den Notstand an Krippenplätzen im Tal zu mildern.

Wie der Umbau des hellen Raumes mit vielen hohen Klarglasfenstern, weißen Wänden und schlichter Ausstattung im Detail aussehen wird, dazu gibt es noch viel zu klären. Altar, Taufbecken, Kanzel – all das soll jedenfalls bleiben und in das Raumkonzept für die spielenden Kinder integriert werden. Auf der Empore sollen dann Büro und Lager entstehen, die Sakristei vermutlich zum Schlafbereich werden, sagt Weber, und der Altarraum zum Entspannungsbereich mit vielen Kissen und Decken. Toiletten und Küche kommen wohl in den Anbau.

Die Wand hinter dem Altar soll weichen – damit die Kinder direkt in den Garten kommen und Gottesdienstbesucher freien Blick auf die Berge haben. Die bisherigen fest verbauten Kirchenbänke werden durch flexible Bestuhlung ersetzt. Auch für den Fliesenboden und die Akustik in dem Raum mit hoher Decke und Empore wird sich die Gemeinde noch Lösungen einfallen lassen.

„Das ganze Projekt ist übrigens gut biblisch“, sagt Pfarrer Weber: Schon in den ersten Generationen des Urchristentums sei es völlig normal gewesen, dass in Wohnhäusern und anderen Plätzen des normalen Lebens auch Gottesdienst gefeiert wurde. „Eigene Kirchen gab es da nicht, es war selbstverständlich, dass am selben Ort gelebt und geglaubt wurde.“

epd
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3 Antworten

  1. Das ist eine sinnvolle Idee. So gibt es auch Kirchengebäude wo samstags die Adventisten feiern und Sonntags andere Gemeinden. Oder Sporthalle sind wegen den Flüchtlingen knapp. Was schadet eine Gymnastikgruppe in der Woche? Viele Gemeinden haben wegen der Pandemie Rückgang an den Besuchern und damit an den Einnahmen. Wenn man anderen helfen kann und es noch einige Euros bringt. Warum nicht.

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  2. „für zwölf Kinder von null(!) bis drei Jahren“

    Fremdbetreuung tut Kindern nicht gut. Das ist inzwischen Allgemeinwissen. Warum trotzdem der Ausbau von „Kitas“ forciert wird bleibt ein Rätsel – zum Schaden der Kinder.
    (Mit den 1,3 Mio Baukosten hätte man die Kinder erstmal einige Zeit zuhause betreuen können und die Mutter vom Zwang der Lohnarbeit befreien können).

    „Die vermeintlich frühe Sozialisation der so jungen Kinder ist von Schreien und Weinen begleitet, von merklicher Apathie, teils extremen Ängsten gegenüber Fremden und durch spürbare Teilnahmslosigkeit […]. Eine beobachtbare, deutlich hervortretende Trauersituation […].“

    Im Rahmen der NICHD-Studie untersuchte man bei den 15-jährigen Teilnehmern außerdem den morgendlichen Cortisolspiegel*, welcher die generelle Stressverarbeitungsfähigkeit anzeigt:
    „Zwei Gruppen wiesen signifikant niedrigere Werte in gleichstarker Ausprägung auf, zum einen Probanden, die im Kindesalter emotional vernachlässigt wurden […],
    zum anderen die Jugendlichen, die in ihren ersten 3 Lebensjahren Gruppenbetreuung in substanziellem Umfang erlebten, […] unabhängig von der Qualität der Betreuungseinrichtung.
    Die negativen Effekte von emotionaler Vernachlässigung und Krippenbetreuung waren additiv wirksam, die Tagesbetreuung konnte also ungünstige Einflüsse des familiären Umfeldes nicht kompensieren oder abschwächen.“

    https://www.focus.de/familie/eltern/sehnsucht-kleiner-kinder-fremdbetreuung-wie-kleine-kinder-unter-der-trennung-von-den-eltern-leiden_id_10842434.html

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  3. Dass Kinderbetreuung außerhalb der Familie im Alter von 0-3 nicht das optimale ist für die Entwicklung der Kinder ist ja allgemein bekannt. Nur: viele Familien sind auf 2 Gehälter angewiesen und warum sollen da Christen nicht helfen?

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