Jahreslosung 2024: Leichter gesagt als getan

Nicht immer ist das mit der Nächstenliebe im Alltag so leicht umzusetzen, weiß Sabine Langenbach aus eigener Erfahrung. Aber sie hat einen Weg gefunden, wie es auch in Auseinandersetzungen mit der Nächstenliebe klappen kann.
Von Sabine Langenbach

 „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ (1. Korinther 16,14) Jahreslosung 2024

„Für die Nächstenliebe bist du doch zuständig“, sagte der Radiokollege mit einem Grinsen und reichte mir das Telefon weiter. Es erwartete mich eine aufgebrachte Hörerin, die sich über einen Beitrag beschweren wollte. Der Kollege ließ mich nicht aus den Augen. Offensichtlich war er gespannt, wie es jetzt weitergehen würde. 

Die Szene hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Um was es damals ging und wie ich reagiert habe, weiß ich heute, viele Jahre später, nicht mehr. 

Das Erlebnis hatte ich jetzt wieder vor Augen, als ich die Jahreslosung für 2024 las. Dazu gesellte sich auch prompt das unangenehme Gefühl, dass bei mir als Christin die Nächstenliebe nicht nur erwartet, sondern sogar gefordert wird. Die sieben Worte gärten in mir. Ich könnte die Jahreslosung 2024 einfach abhaken, weil sie mir auf den ersten Blick nicht „gefällt“. Das wäre am einfachsten, aber nicht zielführend. Denn Bibelverse müssen nicht gefallen, sondern sie sollen mir Orientierung und Hilfe im Alltag geben. 

Also nochmal lesen, nachdenken und googlen. Im Internet finde ich Auslegungen und Informationen. Dabei erfahre ich, dass im Grundtext das Wort „Agape“ für „Liebe“ steht, also die uneigennützige, zwischenmenschliche Liebe, die Nächstenliebe. 

Die Liebe untereinander war für Jesus eine ganz wichtige Sache. Deshalb hat er seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern ein „neues Gebot“ gegeben.

Nächstenliebe kann bedeuten, Grenzen zu setzen

„Ihr sollt einander lieben! Genau, wie ich euch geliebt habe, sollt ihr einander lieben. An eurer Liebe werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid.“ (Johannes 13, 34 + 35 GNB)

Die Liebe als Kennzeichen christlicher Gemeinschaft. „Ach, wenn es doch so wäre!“, möchte ich schreien. Ich sehe so viele Auseinandersetzungen, Diskussionen und Grabenkämpfe. Auch in Gemeinden aller Denominationen. 

Gerade wenn man zusammen arbeiten will, bleiben Konflikte nicht aus. Der Ton wird rau, es folgen Gespräche, Gebete und ernstgemeinte Beteuerungen, dass man an sich arbeiten wolle, bis es ein paar Wochen später wieder alles wie vorher ist. Das kann so weit gehen, bis einer hinschmeißt – aus Frust, aber auch aus Selbstschutz. Oder soll man weiter das berühmte „Mäntelchen der Liebe“ über alles legen, auch wenn man dabei immer unzufriedener geworden wäre? Ich finde jedenfalls: Nächsten- und Selbstliebe kann auch bedeuten, Grenzen zu setzen. 

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Spannend finde ich, dass mangelnde (Nächsten-)Liebe schon vor knapp 1970 Jahren ein Thema war, als Paulus seinen Brief an die Korinther geschrieben hat. Ich bin mir noch nicht sicher, ob mich das beruhigt oder eher abschreckt. 

Fest steht: Es wird immer wieder Situationen geben, in denen ich an meine „Nächstenliebe-Grenze“ stoße: Jemand benimmt sich unmöglich, behandelt mich oder geliebte Menschen ungerecht oder macht etwas, das ich nicht tolerieren kann und will. 

Keine Frage: Unrecht muss beim Namen genannt werden und darf nicht unter den Teppich gekehrt werden. 

Aber jetzt wird es spannend: Wie setze ich in solch einem Moment „Alles, was ihr tut, soll von der Liebe bestimmt sein.“ um?  

Ich bin dankbar, dass ich im 1. Johannesbrief, Kapitel 4 eine hilfreiche und entlastende Antwort gefunden habe. Von Vers sieben bis Vers einundzwanzig geht es immer wieder darum, dass Gott die Liebe ist und dass wir lieben können, weil ER, Gott, uns zuerst geliebt hat und nicht weil wir so ein großes Herz haben! 

Gott liebt mich mit all meinen Ecken und Kanten. Das gilt auch für jeden, der mir begegnet. Tatsächlich auch denen, die mich lieblos behandeln und die ich deshalb im ersten Moment gar nicht lieben will (und kann). 

Der oder die andere ist und bleibt – trotz allem was vorgefallen ist – ein geliebter Gedanken Gottes, der Gottes Liebe, Gnade und Güte genauso braucht, wie ich. Das ist eine bewusste Entscheidung, wenn meine Nächstenliebe an ihre Grenzen stößt.

Ich habe festgestellt, dass Wut, Groll oder Zorn keine Macht mehr über mich haben, wenn ich diejenigen, die mir das L(i)eben schwermachen, segne. „Jesus, segne XY.“ Das reicht schon.

Nicht immer schaffe ich das sofort und gleich. Manchmal ist es eher ein Durchringen. Aber es lohnt sich. Denn indem ich diesen Menschen Gott anbefehle, also segne, verschwinden die negativen Gefühle und es ist wieder Raum für Gottes Liebe. 

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Jetzt weiß ich, warum mir die Jahreslosung 2024 zuerst so gegen den Strich gegangen ist: Sie berührt wunde Punkte in meinem Leben. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto weniger klingen die Worte für mich nach „Zeigefinger“. Im Gegenteil. Mittlerweile wirken sie auf mich wie eine Ermutigung. 

Nächstenliebe muss ich nicht „produzieren“, sie ist ein Geschenk von Gott. 

Sabine Langenbach ist Dankbarkeitsbotschafterin, Journalistin, Autorin und Moderatorin (www.sabine-langenbach.de).

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