„Islamischer Staat“ wütet in Mosambik: 700.000 Menschen auf der Flucht

Seit Jahren greifen Kämpfer des Islamischen Staates (IS) Orte im nördlichen Teil Mosambiks an. Etwa 700.000 Menschen sind derzeit auf der Flucht. Auch Christen sind betroffen, sagt die Hilfsorganisation Open Doors.
Von Jörn Schumacher

In Mosambik leben viele Christen: Von den 32 Millionen Einwohnern sind schätzungsweise 17 Millionen Christen. Rund 28 Prozent der Einwohner sind römisch-katholisch, 18 Prozent sind Muslime. Einen Großteil (16 Prozent) machen die „zionistische Christen“ aus, die im Nachbarland Südafrika die größte christliche Kirche darstellen. Die Strömung ist teilweise evangelikal oder pfingstlich-charismatische ausgerichtet. In Mosambik sind rund 12 Prozent Protestanten, davon gehört rund jeder Zehnte einer Pfingstgemeinde an.

Seit 2017 greifen islamistische Terroristen regelmäßig staatliche Einrichtungen und Siedlungen an. Nach UN-Schätzungen wurden in dem Konflikt bisher mehr als 2.000 Menschen getötet, rund 700.000 Menschen sind geflohen. Mosambik, das nordöstlich von Südafrika liegt, ist eines der ärmsten Länder der Welt; nach Angaben der Vereinten Nationen leiden über 950.000 Menschen im umkämpften Norden des Landes an schwerem Hunger. Die Not verschlechtere sich dabei jeden Tag, warnte das Welternährungsprogramm.

Attraktive Gas-Vorkommen im Norden

Auf diesem Boden gedeiht die Ideologie der Islamisten sehr gut, erklären Experten. Zentrum der Angriffe ist dabei die Provinz Cabo Delgado im Norden Mosambiks. Die islamistischen Terroristen haben ihre Angriffe seit Ende März deutlich ausgeweitet. Sunnitische Extremisten überfielen am 24. März Palma im Norden Mosambiks. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) übernahm nach eigenen Angaben mehrere Tage lang die Kontrolle über die 67.000-Einwohner-Stadt. Am 4. April teilte die mosambikanische Armee mit, den Ort vollständig zurückerobert zu haben, berichtete der Evangelische Pressedienst (epd).

Laut einem Bericht des Deutschen Pressedienstes (dpa) warnte kürzlich auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef vor einer lang anhaltenden humanitären Krise. Die Geflüchteten berichteten von schlimmer Gewalt, sagten Sprecher der humanitären Organisationen. Menschen würden entführt und Frauen vergewaltigt. Medienberichten zufolge haben die Angreifer mindestens zwölf Menschen enthauptet. Unicef kümmert sich nach eigenen Angaben schon jetzt um mehr als 200 Kinder, die ohne Eltern auf der Flucht waren.

Mosambik ist bislang der südlichste Punkt, an dem Aktivitäten des IS bekannt wurden. In Cabo Delgado wurden Gas-Vorkommen entdeckt, die erheblich zur wirtschaftlichen Entwicklung des armen Landes beitragen könnten. Allerdings wird ihre Nutzung durch die Gewalt erschwert, und ob die örtliche Bevölkerung davon profitieren kann, ist fraglich.

„Für den IS leichte Beute“

Mosambik rangiert auf Platz 26 der Liste der Organisation „Operation World“ mit den Ländern mit der am schnellsten wachsenden evangelikalen Bevölkerung.

Die Hilfsorganisation „Open Doors“ betont: Die Verfassung des Landes lege einerseits einen säkularen Staat fest, andererseits schützte sie auch das Recht, Religion zu praktizieren oder nicht zu praktizieren. Die Experten berichten aus dem Land aber auch: „Im nördlichen Teil des Landes müssen sich Christen davor hüten, ihren Glauben durch das Aufstellen von Kreuzen oder ähnlichen christlichen Symbolen öffentlich kundzutun. Angriffe könnten die Folge sein.“ In den nördlichen Gebieten habe es brutale Morde gegeben, und es bestehe ein hohes Risiko, wenn sich Christen treffen.

Nach Angaben der Hilfsorganisation wolle die Islamistengruppe „Ahlu Sunna wa Jama“, die dem IS nahesteht, in Mosambik ein islamisches Kalifat errichten und habe bereits zahlreiche Gräueltaten begangen. „Sie hat Kirchen und Schulen niedergebrannt“, so Open Doors. „Darüber hinaus wird das Leben von Christen, insbesondere von Mitarbeitern kirchlicher Jugendarbeit, durch die Präsenz von Drogenkartellen erschwert.“ Die Angst unter Christen steige. „Es besteht die Gefahr, dass der Einfluss dieser Miliz im Norden zunimmt und sich auf andere Teile Mosambiks ausbreitet.“ Auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors steht Mosambik auf Platz 45.

Wie Open Doors berichtet, habe der IS in Cabo Delgado ab Februar 2020 seine Taktik geändert. Griffen die Extremisten zunächst wahllos Dörfer und Bewohner unabhängig von Stammes- und Religionszugehörigkeit an, so kämpften sie nun verstärkt gegen Kirchen und Christen. „Hunderte von Christen wurden getötet und Tausende vertrieben. Die vertriebenen Christen seien im Durchschnitt sechs Personen pro Familie. Dies mache unter anderem auch eine soziale Distanzierung inmitten der Covid-19-Pandemie fast unmöglich.

Illiad Djadi, Journalist und Experte für Afrika bei Open Doors, sagte gegenüber pro: „Wir sind sehr besorgt von der Entwicklung in Mosambik. Die Angriffe des IS haben bereits jetzt eine große humanitäre Katastrophe ausgelöst.“ Auf die Frage, was die internationale Gemeinschaft tun könne, sagt Djadi: „Diese Krise ist sehr komplex. Ein großes Problem liegt schon seit längeren bei der Regierung von Mosambik. Sie ist praktisch nicht in der Lage, die Bevölkerung in der Region zu beschützen. Die internationale Gemeinschaft kann vor allem für humanitäre Hilfe sorgen, Unterkünfte, Medizin und Essen. Es geht hier um mehr als 600.000 Menschen, die auf der Flucht und auf Hilfe angewiesen sind.“

Von den Angriffen der Islamisten seien vor allem die Ärmsten betroffen. „Sie sind für den IS mit seiner Ideologie leichte Beute“, so Djadi. „Ein Kampf gegen die Krise kann nur bedeuten, die Armut in dieser Region zu bekämpfen.“ Der gebürtige Nigerianer fügt hinzu: „Es ist nicht genug, nur militärisch auf die Situation zu reagieren. Das haben wir in anderen afrikanischen Staaten bereits gesehen. In Nigeria gibt es französische, deutsche, italienische Soldaten, und trotzdem hat der IS dort eine wichtige Basis errichten können.“

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Eine Antwort

  1. „Ein Kampf gegen die Krise kann nur bedeuten, die Armut in dieser Region zu bekämpfen.“
    Damit hat Illiad Djadi sicher recht. Nur durch Bildung gibt es Lebenschancen, nur durch Bildung findet sich der Mensch zurecht, kann er „unterscheiden, wählen und richten, dem Augenblick Dauer verleihen“ (Goethe)

    Allerdings ist „Bildung“ mehr als nur „Wissen“.
    Die Attentäter und Massenmörder des 11. September 2001 stammten alle aus wohlhabenden, angesehenen Familien und genossen eine Ausbildung, die sie zu Auslandsstudien qualifizierte. Atta, Jarrah, Al-Shehhi und Ramzi Binalshibh lebten seit 1998 in Hamburg und studierten als Gruppe islamistischer Studenten an der TU Hamburg-Harburg.

    Wenn Menschen nicht Christus begegnen, bleibt ihre Bildung nur „tönendes Erz oder eine klingende Schelle“ (1. Kor. 13: https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/1CO.13/1.-Korinther-13)

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