„In diesen Schulbüchern wird ein Feindbild aufgebaut“

Der ARD-Journalist Constantin Schreiber hat Schulbücher aus islamischen Ländern analysiert und herausgefunden: Sie sind geprägt von Antisemitismus, Sexismus und von der Verteufelung des Westens. Die Schuld dafür gibt er nicht dem Islam.
Von PRO
Der Journalist Constantin Schreiber möchte sich nicht mehr zum Islam äußern. Sogar seine Kritiker bedauern dies

pro: Herr Schreiber, Sie sind mit dem Buch „Inside Islam“ bekannt geworden, in dem Sie untersucht haben, was in deutschen Moscheen gepredigt wird. Sie haben eine TV-Sendung namens „Moscheereport“ und nun haben Sie für Ihr neues Buch Schulbücher in islamischen Ländern analysiert. Warum geht es bei Ihnen eigentlich immer nur um den Islam?

Constantin Schreiber: In dem Buch „Kinder des Koran“ geht es nicht um Religion. Das Wort Koran kommt im Titel vor, aber inhaltlich geht es nicht um Islamismus oder Islamkritik. Es ist vielmehr eine Analyse, wie Religion für nichtreligiöse Zwecke missbraucht wird und welche Botschaften in der Schule mit ihrer Hilfe transportiert werden.

Laut Ihrer Analyse wird sie in islamischen Ländern dazu benutzt, um antiwestliche, sexistische und antisemitische Motive zu verbreiten. Wenn die Religion nicht der Grund dafür ist, was ist es dann?

Nicht die Religion ist das Problem, sondern das Verständnis von Bildung. Sie dient in diesen Ländern nicht dazu, Menschen zu freiem Denken zu erziehen. Sondern sie ist ein Instrument zum Senden bestimmter ideologischer und politischer Botschaften. In allen von mir untersuchten Ländern werden mit ihrer Hilfe junge Menschen davon abgehalten, sich frei zu entwickeln. Religiöse Elemente und Begriffe spielen dabei eine wichtige Rolle, denn Religion hat in den islamischen Ländern einen hohen Stellenwert. Wenn etwas religiös legitimiert erscheint, bekommt es eine besondere Kraft, nach dem Motto: Gott will es so. Im Grunde missbrauchen die Mächtigen die nach wie vor sehr präsente und starke Wirkung der Religion in der Gesellschaft, um eigene Botschaften zu verbreiten.

Sie untersuchen in Ihrem Buch den Iran, Ägypten, die palästinensischen Gebiete, die Türkei und Afghanistan. Repräsentativ für die islamische Welt sind diese fünf nicht. Warum haben Sie nicht auch Saudi-Arabien oder gar Tunesien – als positives Beispiel für eine Demokratie in der islamischen Welt – angeschaut?

Saudi-Arabien erschien mir zu erwartbar. Es ist das konservativste aller Länder in diesem Raum. Sicherlich gibt es da krasse Inhalte in den Schulbüchern. Und es gibt auch schon wissenschaftliche Untersuchungen dazu. Zu anderen Golfstaaten habe ich recherchiert. Bei Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten hatte ich den Eindruck, dass die schulische Landschaft zu vielfältig ist, um sie adäquat abzubilden. Dort ist der Teil der ausländischen Einwohner sehr groß, zudem gibt es sehr viele private Schulen mit jeweils eigenen Büchern und Lehrplänen. Den Libanon und Irak habe ich mir angesehen. Das war sehr deckungsgleich mit Palästina und Ägypten, deswegen kamen sie nicht ins Buch. Über Tunesien und Marokko habe ich nachgedacht und auch ein wenig recherchiert. Vieles in diesen Schulbüchern war längst nicht so unproblematisch, wie man vielleicht denken würde, sowohl was Frauenbilder anging als auch antisemitische Zuschreibungen. Es ist also keineswegs so, dass ich da bewusst ein positives Beispiel ausgelassen habe. Was ich dort hätte finden können, erschien mir nur etwas weniger pointiert als das, was ich in anderen Ländern entdeckte. Zudem ist Tunesien gerade im Wandel. In einem halben Jahr wäre alles, was ich gefunden hätte, vielleicht schon obsolet.

Sie haben nicht bewusst das Negative gesucht?

Ich beschreibe doch auch Positives. Zum Beispiel erschien mir der schulische Umgang mit den Naturwissenschaften in vielen der untersuchten Ländern gut. Oder auch, dass dort schon sehr früh Philosophie gelehrt wird. Vielleicht würde das auch Schulen in Deutschland guttun. In Ägypten ist es bereits ab der Grundschule Unterrichtsfach. Dennoch muss ich sagen: Die politische und ideologische Botschaft schwingt fächerübergreifend immer mit und das halte ich für schwierig.

Was hat Sie am meisten überrascht und schockiert?

Ich kenne die Region durch meine langjährige Arbeit dort gut. Aber zu sehen, dass Lehrer in Ägypten Mädchen als dick und dünn klassifizieren und ein Schulbuch ihnen Kleidungstipps gibt, das hat mich erschreckt. Mit dieser tief verwurzelten Form des Sexismus hatte ich nicht gerechnet. Im iranischen Schulbuch sind Männer grundsätzlich lüstern und gierig und Frauen schön und schützenswert. Frauen werden da verglichen mit einem Juwel, das in eine Schatulle und weggesperrt gehört. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, welchen richtigerweise empörten Aufschrei so ein Text in einem Schulbuch in Deutschland auslösen würde. Im Iran fand ich auch mehrfach die Beschreibung „Weltenfresser“ für den Westen. Dieses Wort hat sich mir eingeprägt, ich hatte es noch nie zuvor gehört. Es macht sehr plastisch, wie die Produzenten dieser Bücher uns betrachten. In den afghanischen Büchern hat mich erschreckt, wie mit den religiösen Schriften umgegangen wird. Tatsächlich waren in diesen Büchern stets Ausschnitte aus dem Koran zu lesen, in denen es um Hölle, Rechenschaft, Ungläubige und im negativen Sinne um Juden ging. Es wäre genauso gut möglich, andere Teile aus dem Koran auszuwählen und ein positiveres Bild zu vermitteln. Das tut aber niemand. Zum Vergleich: In der Bibel stehen auch gewalttätige und abwertende Dinge, aber niemandem würde es einfallen, sie herauszupicken, aneinanderzureihen und damit ein Schulbuch zu gestalten.

Constantin Schreiber: „Kinder des Koran“, Ullstein, 304 Seiten, 18 Euro, ISBN 139783430202503 Foto: Ullstein
Constantin Schreiber: „Kinder des Koran“, Ullstein, 304 Seiten, 18 Euro, ISBN 139783430202503

Sie sprechen in Ihrem Buch von „Gehirnwäsche“ und beschreiben, wie palästinensischen Schülern eingeimpft wird, ihre israelischen Nachbarn zu hassen.

Ja: In diesen Schulbüchern wird ein Feindbild aufgebaut. Es gibt eine ganz klare Trennung der Welt in gut und schlecht und eine Forderung gesellschaftlicher Homogenität. Nicht Vielfalt gilt dort als erstrebenswert wie bei uns. Sondern es gibt eine einzige richtige Verhaltensform und die steht im Einklang mit der Tradition, der Lehre der Mullahs oder anderen staatlichen Vorgaben. Die Lehrinhalte sind pseudoreligiös legitimiert. Obwohl ich dieses Denken kenne, war ich schockiert davon, es Schwarz auf Weiß zu lesen.

Sie schreiben in Ihrem Buch: „Wenn man die Durchdringung der muslimischen Welt mit Antisemitismus abstreitet, dann hat das etwas mit Realitätsverweigerung zu tun.“

Es gibt hierzulande die Diskussion, inwieweit muslimischer Antisemitismus ein Vorurteil ist. Ich weiß aus meiner Zeit in der arabischen Welt, dass es ihn gibt. Nun ist es in meinem Buch belegt. Niemand kann mehr sagen, das ist nur ein Vorurteil.

Haben Sie den Eindruck, es gibt zu viele „Realitätsverweigerer“ in Deutschland?

Ich sehe, dass es Debattenbeiträge in dieser Richtung gibt von Menschen, die noch nie in einem arabischen oder muslimischen Land gelebt haben. Die sich noch nie in solchen Ländern als Frau, Jude oder Westler bewegen mussten. Ich frage mich schon, woher sie die Gewissheit nehmen, die Existenz eines muslimischen Antisemitismus an sich in Frage zu stellen und so zu tun, als gäbe es dieses Problem nicht.

Was haben die Probleme in den Schulen dieser arabischen Länder eigentlich mit Deutschland zu tun?

Es ist sehr relevant für uns hier. Denn die Lage an den Schulen dieser Länder sagt etwas über den gesellschaftlichen Mainstream aus, der auch zu uns kommt. Natürlich bekommen Einwanderer auch europäischen Einfluss mit. Aber sie kappen selbstverständlich nicht jedes Band zu ihrer Kultur. Sie sind dadurch geprägt, konsumieren vielleicht weiterhin Medien aus ihrer Heimat oder reden mit ihren Familien über Glauben und Werte. Ich habe schon oft die Rückmeldung von deutschen Lehrern bekommen, dass sie nicht verstehen, was auf ihre zugewanderten Schüler einwirkt. Wer 14 oder 15 ist, kann das selbst auch schwer artikulieren. Aber wer in diese Schulbücher schaut, der sieht die Einflüsse, denen die Kinder jahrelang ausgesetzt waren.

Sie plädieren in diesem Zusammenhang sogar dafür, Religion fächerübergreifend in der Schule zu thematisieren. Als Hilfe zur Integration.

Ja. In vielen Klassen gibt es heute eine große Zahl an Schülern mit muslimischem Hintergrund, die einen Sexualkundeunterricht per se ablehnen und boykottieren. Das ist ihre Prägung und die basiert auf religiösen Werten. Deshalb finde ich, dass man Religion in den Sexualkundeunterricht hineinnehmen muss, es also zum Thema machen, wie der Koran zu Sexualität steht. So kann man eine Diskussion beginnen.

Einige sehen Sie nach Ihren Büchern als Islamkritiker. Können Sie mit dieser Zuschreibung etwas anfangen?

Ich bin Journalist, der zusätzlich Bücher schreibt. Ich habe keine Mission. Für Menschen wie Seyran Ates mit ihrer liberalen Moschee oder Ahmad Mansour ist der Islam und dessen Liberalisierung Lebensinhalt. Ich will keinen liberaleren Islam produzieren, ich sehe mich nicht einmal in der Rolle, ihn zu kritisieren. Ich beschreibe so sachlich wie es geht Entwicklungen. Übrigens sehe ich den Islam und auch Religiosität als solche nicht als etwas Schlechtes. Ganz im Gegenteil, ich treffe religiöse Menschen, die ich sehr bewundere und die offensichtlich viel Kraft daraus ziehen.

Herr Schreiber, vielen Dank für das Gespräch!

Constantin Schreiber moderiert unter anderem die ARD-Tagesschau und ist Redakteur bei der Sendung ARD aktuell. Er wurde 2016 für die deutsch-arabische n-tv-Sendung „Marhabe – Ankommen in Deutschland“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Von 2007 bis 2009 war Schreiber Korrespondent der Deutschen Welle in Dubai. Anschließend arbeitete er als Medienberater für den Nahen Osten im Auswärtigen Amt. 2017 erschien sein Buch „Inside Islam – Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“.

Die Fragen stellte Anna Lutz

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