Impfdiskussion bescherte Politikerin Morddrohung

Hass und Hetze im Internet nehmen zu. Zwei Politiker aus dem Lahn-Dill-Kreis berichten zum Nationalen Aktionstag gegen Hasskriminalität von Ihren Erfahrungen mit Anfeindungen. Beide wollen trotz Verrohung der Umgangsformen weiter ansprechbar bleiben.
Von Norbert Schäfer
Vor allem die sozialen Netzwerken sind oft Schauplatz von Hass und Hetze

Am Donnerstagmorgen ist die Polizei bundesweit mit mehr als 130 Maßnahmen gegen die Verfasser von Hass und Hetze im Internet vorgegangen. Laut Bundeskriminalamt (BKA) wurden dabei mehr als 70 Wohnungen durchsucht und zahlreiche Beschuldigte vernommen.

Zum 10. Nationalen Aktionstag gegen Hasskriminalität erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD: „Wir müssen die Spirale aus Hass und Gewalt stoppen. Der Hass, der im Netz verbreitet wird, ist der Nährboden für Gewalt.“ Nach Angaben des Innenministeriums wurden seit den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel 9.850 Hasspostings durch das BKA gelöscht.

„Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hetze vor, die den Terror der Hamas verherrlicht und Israel die Existenz abspricht“, erklärte Faeser in einer Pressemitteilung. Auch gegen rechtsextremistische und demokratiefeindliche Hasspostings bis hin zu Morddrohungen gegen Amts- und Mandatsträger werde „entschieden gehandelt“.

„Hemmschwelle deutlich geringer“

Dass Politiker immer wieder zur Zielscheibe von Hass und Hetze werden, bestätigt der Abgeordnete der CDU für den Wahlkreis Lahn-Dill im hessischen Landtag, Frank Steinraths. „Die Hemmschwelle ist deutlich geringer geworden“ erklärt Steinraths auf PRO-Anfrage. Die Absender von E-Mails versuchten, weitgehend die Anonymität zu wahren und sich nicht zu erkennen zu geben. Handfeste Bedrohungen hat der Christdemokrat noch nicht erlebt, kleinere Beleidigungen „hin und wieder“. Anzeigen musste Steinraths deshalb bislang niemanden, auch wenn es bei Wahlkampfveranstaltungen bereits „verbale Auseinandersetzungen“ gab, die „schon etwas lauter wurden“. Die Personen hat Steinraths gebeten, weiterzugehen.

Anders bei der SPD-Bundestagsabgeordneten Dagmar Schmidt (Wetzlar). „Vereinzelt, vor allem während der Diskussion um eine mögliche Impfpflicht, habe ich Beschimpfungen und auf Facebook sogar eine Morddrohung erhalten“, erklärte die Abgeordnete für den Wahlkreis Lahn-Dill im Bundestag auf PRO-Anfrage. Die Morddrohung und andere justiziable Vorgänge auf sozialen Medien hat Schmidt zur Anzeige gebracht. „Auch hier gilt es eine klare Linie zu ziehen und deutlich zu machen, dass auch das Internet kein rechtsfreier Raum ist“, sagt sie.

„Mehr denn je“ ansprechbar sein

Auch die SPD-Politikerin hat in den vergangenen Jahren festgestellt, dass Einschüchterungsversuche zugenommen haben. „Tätliche Angriffe, wie sie meine Kolleginnen und Kollegen erfahren musste, habe ich zum Glück noch nicht erfahren müssen“, erklärt die Sozialdemokratin, und weiter: „Allerdings wurden mein privates Auto und mein Privathaus mit Aufklebern beklebt. Dadurch wurde zum Ausdruck gebracht, dass man weiß, wo ich wohne. Das hinterlässt schon einen bleibenden Eindruck für mich und meine Familie.“ Die allermeisten Menschen, das unterstreicht die Politikerin, seien aber freundlich, auch wenn sie eine andere politische Einstellung hätten. 

Mindestens einen Vorsatz teilen der CDU-Landtagsabgeordnete Steinraths und die SPD-Bundestagsabgeordnete Schmidt: Die beiden Politiker wollen trotz aller Verrohungen weiterhin unbedingt ansprechbar bleiben – „jetzt mehr denn je“.

Laut einer BKA-Mitteilung vom Donnerstag wurden mehr als die Hälfte der bearbeiteten Hasspostings „dem Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität -rechts- zugerechnet“. Demnach macht der „Bereich -sonstige Zuordnung-“ etwa ein Drittel der Fälle aus. Genauere Angaben über Fälle aus den „Phänomenbereichen -ausländische Ideologie- sowie -religiöse Ideologie-“ teilte das BKA nicht mit.

Die polizeilich registrierten Fallzahlen von Hasspostings sind laut BKA im letzten Jahr massiv angestiegen. Insgesamt habe sich die Anzahl von 3.396 auf 8.011 Fälle mehr als verdoppelt. Dabei habe sich die Anzahl der Hasspostings in den Bereichen der Politisch motivierten Kriminalität -ausländische Ideologie- und -religiöse Ideologie- sogar vervierfacht, bei rechter Ideologie verdreifacht. Als einen Grund für den Anstieg nennt das BKA unter anderem die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet des BKA (ZMI BKA).

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