IJM-Chef sieht „Globalisierung sexueller Ausbeutung“

Durch die Corona-Pandemie hat Pädokriminalität im Internet zugenommen. Das sagt Dietmar Roller von der Menschenrechtsorganisation IJM. Er bemängelt, dass in Deutschland Gesetze zur Strafverfolgung hinter der Technik herlaufen.
Von Norbert Schäfer
Dietmar Roller

Die sexuelle Ausbeutung von Kindern über das Internet hat durch die Corona-Pandemie zugenommen. Kinder würden zunehmend in Livestreams sexuell ausgebeutet, sagte Dietmar Roller, Vorstandsvorsitzender der International Justice Mission (IJM), am Dienstag auf dem Kongress „Gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung“. Die Lockdowns hätten den Machenschaften Pädokrimineller weltweit in die Karten gespielt. Roller sprach von einer „Globalisierung“ der sexuellen Ausbeutung von Kindern.

Derzeit findet im christlichen Gästezentrum Schönblick in Schwäbisch Gmünd der Kongress „Gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung“ statt. Die Veranstaltung soll unter Christen Bewusstsein schaffen für die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, unter denen Betroffene von sexueller Ausbeutung und modernem Sklavenhandel leiden.

Eltern sind Teil des Systems

Pädosexuelle würden auf den bekannten Social-Media-Plattformen und Foren auf Mittelsmänner stoßen, erklärte Roller. Nach der Zahlung über Online-Bezahldienste sorgten diese dafür, dass beispielsweise auf den Philippinen ein Kind in Livestreams die Wünsche des Täters vor laufender Kamera erfüllt.

Meist seien die Eltern bei der sexuellen Ausbeutung der Kinder über Livestreams beteiligt. Gerade arme Familien könnten mit dem Geld eine lange Zeit leben. Die Eltern gingen zunächst davon aus, dass kein fremder Mann dabei sei und daher nichts passiere. „Die Forderungen fangen ganz klein an und werden immer stärker und brutaler. Das ist absolut perfide“, sagte Roller.

750.000 Pädophile im Netz

Roller beklagte, dass in Deutschland die Täter nur sehr schwer zur Verantwortung gezogen werden könnten. „In dem Moment, wo die Online-Konferenz abgebrochen wird, ist das Beweismaterial weg“, sagte er. Die Gesetze zur Strafverfolgung von Online-Kriminalität und Sexualdelikten über das Internet hinkten hinter den technischen Entwicklungen hinterher.

„Unser Strafrecht hat die Globalisierung noch nicht erfasst“, sagte Roller. Straftaten mittels neuer Kommunikationstechnologien könnten von Ermittlungsbehörden und Richtern mit bestehenden Gesetzen nur sehr schwer verfolgt und geahndet werden. IJM versuche mit Fachanwälten daran zu arbeiten, dass die Politik die Gesetzeslücken schließen kann.

„In Wirklichkeit führt der Täter die Regie. Das heißt, von ihm geht die Vergewaltigung aus“, erklärte Roller. Hier würde bei der Strafverfolgung aber lediglich das Anschauen pornografischen Materials geahndet. Nach Rollers Kenntnis sind praktisch nur Männer die Täter. Die Dunkelziffer Pädophiler sei enorm hoch. Roller geht davon aus, dass diejenigen, die Kinder in Livestreams ausbeuteten, hier auch Kinder mit sexuellen Absichten kauften. „Wir sprechen nicht von Einzelfällen“, erklärte der IJM-Vorsitzende, und verdeutlichte: „Während wir hier sprechen, sind etwa 750.000 Pädophile im Netz unterwegs und suchen nach Kindern.“

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