„Ich war nicht das feministische Feigenblatt“

Bärbel Wilde war 1975 als 24-jährige Vikarin bei der Gründung der „KEP“ – der heutigen Christlichen Medieninitiative pro – beteiligt. Wie hat sie die Anfänge erlebt? Und wie blickt sie auf die heutigen Medien?
Von Christoph Irion
Bärbel Wilde

PRO: Welche Erinnerungen hast du an das Gründungstreffen der „KEP“? 

Bärbel Wilde: Bei diesem Treffen waren viele Vertreter der Gemeinden und der großen christlichen Werke beieinander. Und da war der Wunsch, dass mehr Evangelium in die Medien kommt. Ich war dankbar, dass so viele gute Impulse dazu kamen, dass auch finanzielle Unterstützung zugesagt wurde. Dass es dort wirklich zu dieser Gründung kam, geschah nicht ohne Widerspruch – aber es war wirklich der Beginn der „KEP“.

Was brachte vor einem halben Jahrhundert eine angehende Pfarrerin dazu, sich für christliche Medienarbeit starkzumachen?

Ich war als Studentin bei der Deutschen Zeltmission von Pfarrer Gerhard Bergmann mit dabei, habe Kinderprogramm gemacht. Und dann bat mich Gerhard Bergmann: Schreib doch mal was für die Presse, die berichten ja gar nicht. Ich wurde auch für die Öffentlichkeitsarbeit eingeteilt und merkte, wie schwierig das war, eine Veranstaltung wie eine Evangelisation in die Medien zu bringen. Es wurde mir immer mehr zum Anliegen, dass ich für die „KEP“, die zu gründen war, Mitstreiter finde – damit sich das in irgendeiner Weise in Deutschland ändert.

Bei dieser Initiative warst du eine der wenigen Frauen.

Auf jeden Fall fühlte ich mich ernst genommen. Es war überhaupt kein Thema, dass ich als „junges Mädchen“ bei diesen etwas älteren Herren dabei war. Ich fühlte mich auch nicht als feministisches Feigenblatt. Es war das Anliegen, das uns verband. Und wir haben gemeinsam versucht, einen guten Weg zu finden.

Bärbel Wilde

Bärbel Wilde, geboren 1950, war viele Jahre Pfarrerin in Lüdenscheid und maßgeblich am Aufbau der Veranstaltungsreihe „Gemeindetage unter dem Wort“ beteiligt. Sie war bei der Gründung der „Konferenz evangelikaler Publizisten“, kurz „KEP“ (heute: Christliche Medieninitiative pro) dabei, führte in den ersten Jahren die Geschäfte der Initiative und engagierte sich bis 2016 im Vorstand und Verein – davon fünf Jahre als Vorsitzende. Darüber hinaus war sie im Vorstand der Deutschen Zeltmission und im Präsidium von World Vision. Im WDR hielt sie über 20 Jahre Morgenandachten und verfasste mehrere Bücher.

Du warst über viele Jahre vielfältig publizistisch tätig. 20 Jahre lang hast du Morgenandachten im WDR gesprochen, hast ZDF-Fernsehgottesdienste gestaltet. Einer deiner vielen Buchtitel heißt „Volltreffer“. Wie ergab sich das, dass du als Gemeindepfarrerin immer auch mediales Sendungsbewusstsein hattest?

Weil mir auch weiterhin diese evangelistische Arbeit am Herzen lag. Medien sind notwendig, um viele Außenstehende zu erreichen. Dafür habe ich immer gekämpft, und deswegen war das mein Metier. Für die WDR-Morgenandachten bin ich angesprochen und gebeten worden. Die Bücher waren eher Abfallprodukte meiner Predigttätigkeit und meiner Gottesdienste – die Anfrage dazu kam vom Verleger Friedrich Hänssler.

Auch Hänssler zählt ja zu den „KEP“-Gründern. Weitere Pioniere unserer christlichen Medienarbeit waren Horst Marquardt oder der Unternehmer Waldemar Murjahn aus dem Niederbergischen Land.

Waldemar Murjahn kam immer mit dem Auto von Mettmann bei Düsseldorf, gabelte mich in Lüdenscheid auf. Auf der Fahrt zu den Sitzungen nach Wetzlar haben wir schon mal vorgedacht – und einiges auch erfunden: zum Beispiel den christlichen Medienpreis „Goldener Kompass“. Oder ein Bibelquiz für BTX, einen frühen Onlinedienst. Manchmal dachte ich: Wer soll das alles bezahlen? Ich erinnere mich an ein Telefonat, als Murjahn in seiner Firma anrief und sagte: „Überweisen Sie mal 10.000 Mark.“ Sein Herz brannte für die Ausbreitung des Evangeliums durch die Medien.

„Wir gläubigen Christen sind öffentlich relevant. Es ist wichtig, dass wir gehört werden.“

Wie hast du Horst Marquardt erlebt?

Als Chef des Evangeliumsrundfunks war er jemand, der immer präzise arbeitete und sehr engagiert etwas durchsetzen konnte. Er hatte immer kleine Zettel, machte sich Notizen zu den Themen, die er übernommen hatte. Und er arbeitete sie wirklich ab, darauf konnte man sich hundertprozentig verlassen. Zugleich war er eine geistliche Persönlichkeit. Ich erinnere mich an ein Telefonat: Es ging um eine wichtige Frage, die meine Arbeit betraf. Horst Marquardt betete am Telefon mit mir – das hat mich sehr berührt.

Und Friedrich Hänssler?

Er hatte ja diesen bekannten christlichen Verlag in Holzgerlingen, auch einen großen Musikverlag: Er war ein wunderbarer Mensch, ein Christ, der viel zustande gebracht hat. Zum Beispiel hat er die Gebetsfrühstücke für Politiker mit angestoßen: Da konnte er seine Verbindungen nach Amerika einbringen. Es war natürlich ein Hauptgewinn, in dieser personellen Zusammensetzung für die „KEP“ zu arbeiten.

Ein echter Meilenstein war der erste christliche Medienkongress 1982 in Böblingen. Was wurde da angestoßen?

Unser Anliegen war es, zu zeigen, dass wir gläubigen Christen öffentlich relevant sind. Und dass es wichtig ist, dass wir gehört werden. Dafür haben wir alles aufgeboten, was publizistisch möglich war. Zum Beispiel: 15 Verlage, 300 christliche Zeitschriften, den Evangeliumsrundfunk. Wir haben eine Live-Fernsehsendung produziert – eine der ersten Satellitenübertragungen in Deutschland. Damals wurden wir in der Öffentlichkeit wahrgenommen: Horst Marquardt, Gerhard Bergmann und Jürgen Werth sprachen in den nächsten Jahren das Wort zum Sonntag. 1986 starteten im ZDF die Fernsehgottesdienste …

Mit dem Medienkongress 1982 tauchte Wolfgang Baake auf der Bildfläche auf. Anschließend wurde er der erste hauptamtliche Geschäftsführer der „KEP“. Was bedeutete diese Weichenstellung für die Zukunft der christlichen Medienarbeit?

Bis dahin hatte ich die Geschäfte ehrenamtlich geführt, neben Pfarramt und Zeltmission. Es war mein Herzenswunsch: Wir müssen einen hauptamtlichen Geschäftsführer haben. Dass Wolfgang Baake zu uns gefunden hat, war ein riesiger Schritt nach vorne. Ein großer Segen: Mehr als drei Jahrzehnte hat er unsere christliche Medienarbeit geleitet, entwickelt und entscheidend geprägt.

Heute nutzen die Menschen digitale Medienangebote, wann und wo immer sie wollen, sie kommunizieren interaktiv. Unsere Gesellschaft ist diverser und säkularer als früher, Werte wandeln sich – und der Umgang miteinander ist rauer geworden. Welche Hoffnungen, Erwartungen und Aufträge siehst du für unsere christliche Medienarbeit in der Zukunft?

Wenn man sich bewusst macht, wie viel Schund, Verfälschung und Radikalisierung durch „soziale Medien“ zu den Menschen kommt, dann sehe ich darin eine große Herausforderung: Ich glaube, dass Christen diese Medien nutzen müssen, um auch die junge Generation mit der besten aller Botschaften, mit dem Evangelium zu erreichen. Ich weiß, dass das sehr schwer ist: Mit Häme und Hass kriegt man mehr Klicks als mit der guten Nachricht, dass Jesus Christus ein Leben sinnvoll und reich macht. Aber es gibt auch christliche Influencer, die erstaunliche Klickzahlen haben. Es ist also möglich. Ich wünsche mir so sehr, dass die Christliche Medieninitiative pro auch in diesem Bereich erfolgreich ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 2/2025 des Christlichen Medienmagazins PRO. Hier können Sie das Heft kostenlos bestellen oder online anschauen.

Das Video ist der erste Teil der Reihe „Geschichte und Geschichten“ über die Entwicklung der Christlichen Medieninitiative pro. Wolfgang Baake berichtet im zweiten Teil davon, wie er 1982 als erster hauptamtlicher Geschäftsführer zum Verein kam und die Arbeit 31 Jahre lang leitete.

In Teil 3 erfahren Sie, wie Margarete Hühnerbein am 27. Februar 2002 völlig unvorbereitet und „flugs“ das Amt der Vereinsvorsitzenden übernahm, weil ihre Vorgängerin spontan ihr Amt niedergelegt hatte. An diesem Tag bat Margarete Hühnerbein Gott im Gebet um „Weisheit“ – über einen Zeitraum von fast 16 Jahren hat sie den Verein dann in seine größte Expansionsphase und ins digitale Zeitalter geführt.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen