„Ich bin jetzt eher Beruhiger, Psychologe, Papa, Coach“

Mit der Schnellfeuerpistole gewann Ralf Schumann dreimal olympisches Gold und 17 Mal Gold bei Welt- und Europameisterschaften. Seit 2017 trainiert er die italienischen Schützen. PRO sprach mit ihm über die Wettkampfbedingungen in Coronazeiten, den mentalen Herausforderungen der Olympioniken und wie er als gläubiger Christ helfen kann.
Von PRO

PRO: Wie viele Athleten betreuen Sie vor Ort?

Ralf Schumann: Wir sind mit insgesamt sieben Schützen in Tokio, vier am Gewehr, einer an der Luftpistole und die beiden an der Schnellfeuerpistole betreue ich. Das ist auch die Maximalzahl für diese Disziplin. Es gibt wenige Länder, die sich mit zwei Schützen qualifiziert haben.

Wie sind die Wettkampfbedingungen für die Athleten vor Ort?

Ich kann nur für die Pistole sprechen – und da sind sie sehr gut! Wir schießen nämlich nur in der Finalhalle. Normalerweise ist der Schießstand vorne offen, dann bist du abhängig von Tageslicht und Wind. Wir sind in der Halle und haben immer beständige Bedingungen. Gleichmäßiges Licht und vor allem kein Wind. Hier pfeift’s nämlich manchmal richtig!

Die Asaka Shooting Range ist eine Stunde vom olympischen Dorf entfernt – ganz schön weit.

Bei den Spielen versucht man die Sportanlagen zentral und eng beieinander zu machen, damit die Zuschauer schnell von einem Ort zum nächsten kommen. Der Schießstand ist jedoch „etwas Gefährliches“. Deshalb hat er hohe Sicherheitsbestimmungen und ist außerhalb der Stadt. Bei Olympia sind wir das gewohnt, bei anderen Wettkämpfen hätten wir dann eben ein Hotel neben dem Schießstand.

Werden die Corona-Regeln im olympischen Dorf strenger umgesetzt?

Es ist alles recht locker. In der Mensa haben wir Plexiglas auf den Tischen und müssen Handschuhe anziehen, um unser Essen am Buffet zu holen. Alle paar Meter gibt es Desinfektionsgeräte, aber Mindestabstand gibt es hier keinen. Unsere Unterkunft besteht aus 18 Stockwerken à neun Wohneinheiten mit je sechs Bewohnern. Die Aufzüge im Haus sind für vier Personen zugelassen, die stehen zu zehnt da drin, sonst müsste man eine halbe Stunde warten. Wir wohnen mit den Argentiniern zusammen und im Erdgeschoss gibt es einen einzigen Fernseher, da knubbelt sich dann alles.

Gab es schon Corona-Infektionen oder Quarantäne beim italienischen Team?

Ein Ruderer konnte nicht starten, weil er in Quarantäne war. Aber alle machen hier jeden Tag einen Spucktest. Wenn das Ergebnis nicht eindeutig ist, folgt ein PCR Test.

Was sind die Erwartungen an Ihre Jungs?

Die können das. Unter normalen Bedingungen schaffen sie es ins Finale und da ist alles möglich. Da geht es nur noch um Nerven. Wie kommst du im Wettkampf zurecht? Kannst du deine Leistung abrufen?

Sie sind also mehr Psychologe als technischer Trainer?

Ja, in der Technik sind wir gut vorbereitet. Da gibt es ein paar Kleinigkeiten wie Körperspannung oder Geschwindigkeiten. Mit Übungen rufen wir die Abläufe auf und ich kann mal ein bisschen korrigierend eingreifen. Aber jetzt bin ich eher Beruhiger, Psychologe, Papa, Coach.

Das deutsche Team hat Seelsorge und Gottesdienst nur digital, wie machen das die Italiener?

Hier gibt es Gottesdienste, aber wir mussten auch viele Betreuer zuhause lassen, von Seelsorgeangeboten weiß ich nichts.

Inwieweit können Sie da, auch als gläubiger Christ, einspringen?

Das hängt davon ab, wie weit sich die Sportler öffnen. Ich gebe ihnen Ratschläge, aber Olympia ist eine spezielle Geschichte. Das ist der größte und höchste Wettkampf. Aber das ist alles nur gemacht. Es ist einfach der Name. Ansonsten ist alles gleich. Derselbe Sport, dieselbe Waffe. Wir haben bei Weltcups auch Wettkämpfe auf ehemaligen Olympia-Anlagen. Hier haben wir 25 Starter, bei einem Weltcup sind das 50 bis 80! Klar sind es hier die 25 Besten. Deshalb muss man es simpel halten – sich an Positives, das was sie können, erinnern. Ich hab den Jungs zuvor schon paar Mal von Gott erzählt, aber ich bin nicht zum Missionieren hier. Sie wissen, dass Gebet hilft. Und wer das will, der kann das kriegen. Ansonsten ist es psychologische Betreuung: Ermutigen, ermutigen, ermutigen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Hannes-Christoph Buchmann.

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Eine Antwort

  1. „Ansonsten ist es psychologische Betreuung: Ermutigen, ermutigen, ermutigen.“
    Ich möchte auch biblische Ermutigung auf der Grundlage folgender Aussagen anregen:

    Mehr als auf alles andere achte auf deine Gedanken, denn sie entscheiden über dein Leben.
    Sprichwörter 4,23

    Quäl dich nicht selbst mit nutzlosem Grübeln! …sprich dir Mut zu…
    Jesus Sirach 30,21-23

    Sei stark und enschlossen! Hab keine Angst…
    Josua 3,25

    Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden…
    Jesaja 40,31

    Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Ängstlichkeit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und Besonnenheit.
    2.Timotheus 1,7

    Der Schwache spreche: Ich bin stark!
    Joel 4,10

    Allem bin ich gewachsen, weil Christus mich stark macht.
    Philipper 4,13

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