Seit Juni protestieren über eine Million Menschen in Hongkong immer wieder gegen ein Auslieferungsgesetz und für eine bessere Umsetzung der Menschenrechte, etwa des Rechtes auf freie Meinungsäußerung. Auf der Straße sind neben Menschenrechtsorganisationen und politischen Gruppen auch viele Christen. Denn das umstrittene Auslieferungsgesetz könnte auch sie betreffen – etwa wenn einzelne Gläubige oder Kirchen Kontakte zu verbotenen Untergrundkirchen in China pflegen. Medienberichten zufolge fürchten sie, im Falle ihrer Entdeckung nach China ausgeliefert werden zu können. Deshalb forderte unter anderem der Dachverband protestantischer Kirchen gemeinsam mit der katholischen Diözese Hongkong eine öffentliche Erklärung gegen das Gesetz durch die Regierung in der Sonderverwaltungszone.
Die Organisation für verfolgte Christen, Open Doors, warnt nun, dass die anhaltenden Proteste und die offensive Reaktion Chinas darauf die Kirchen in Hongkong spalten könnten. In einem Papier der Organisation heißt es, die chinesische Regierung habe zur Kenntnis genommen, dass Christen an den Demonstrationen teilnähmen. Deshalb könne Peking es Hongkong-Chinesen künftig erschweren, Kontakte zu chinesischen Christen zu pflegen.
Verbindung zwischen China und Kirche
Zwar sei nicht davon auszugehen, dass christliche Versammlungen in Hongkong eingeschränkt würden – dafür sei die internationale Aufmerksamkeit zu groß. Doch es sei wahrscheinlich, dass die chinesische Regierung die Kirchen vor Ort um Unterstützung bitten werde. Schon jetzt stünden einige christliche Leiter auf der Seite der Chinesen, junge Christen hingegen schlössen sich eher den Protesten an. „Das könnte zu einer Spaltung der Kirchen in Hongkong führen“, heißt es in dem Papier von Open Doors. Schon jetzt gebe es Spannungen zwischen jenen, die sich verpflichtet fühlten, die chinesische Regierung zu unterstützen, und jenen, die eine zu starke Verbindung der Kirche zu China kritisierten.
Berichten zufolge sind Christen bisher nicht in Gefahr. Das Portal evangelisch.de etwa zitiert die Mitarbeiter der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache in Hongkong. Das Mitglied des Gemeinderats, Roland Rohde, zum Beispiel beklagt eine verzerrte Berichterstattung deutscher Medien. „Wir haben hier keine Situation wie etwa beim G20-Gipfel in Hamburg“, erklärt er. „Meine Familie und ich fühlen uns sicher. Die Demonstranten sind sehr freundlich und diszipliniert.“ Die Auslandsgemeinde aber halte sich mit politischen Statements zurück.
Kirche bietet Schutz für Demonstranten
Der Chefredakteur der Zeitung Herder Korrespondenz, Volker Resing, verglich die Rolle der Christen in Hongkong auf der Plattform katholisch.de unterdessen mit jener der Kirchen in der DDR während der Wendezeit. Damals hätten die Kirchen den Demonstranten Schutz geboten. Und auch heute in Hongkong profitierten die Protestler von der Verbindung zur Kirche: Die Religionsfreiheit schütze sie. Religiöse Veranstaltungen dürften von der Polizei nicht aufgelöst werden. Deshalb stimmten auch viele Nichtreligiöse in die inoffizielle Hymne der Demokratiebewegung „Sing Hallelujah to the Lord“ ein, die seit Wochen auf den Straßen Hongkongs ertöne.
Von: Anna Lutz