Analyse

Hoffnung, Realismus, Jüngerschaft: Das war Willow 2024 in Karlsruhe

Christliche Gemeinden als Orte der Hoffnung: Dazu wollte der Willow Creek Leitungskongress in Karlsruhe Inspiration liefern. Ist das gelungen? Drei Mitglieder der PRO-Redaktion schildern ihre Eindrücke.
Von PRO
Sänger und Tänzer auf der Bühne beim Willow Creek Leitungskongress 2024

Vier Jahre nachdem der Willow-Kongress wegen eines Corona-Falls abgebrochen wurde, ist er nach Karlsruhe zurückgekehrt. Damals strömten mehr als 7.000 Menschen in die „dm-Arena“, diesmal waren es gut 5.700 vor Ort, weitere 1.250 Menschen schauten sich die Vorträge in den Übertragungsorten an.

Das ist beachtlich, da Großveranstaltungen seit der Pandemie zunächst nur zaghaft wieder an Fahrt aufnahmen. Veranstalter mussten sich an eine neue Realität gewöhnen, in der sie keine Besucherrekorde mehr brachen, sondern eher zusehen mussten, dass ihr Event aufgrund geringen Zulaufs kein finanzielles Desaster wurde.

Auch für Willow Creek Deutschland ist der Leitungskongress eine finanzielle Herausforderung. Zwar waren die Teilnehmerzahlen ordentlich, aber dafür sind die Kosten für die Karlsruher Messe seit 2020 um 40 bis 50 Prozent gestiegen, wie der Willow-Vorsitzende Ulrich Eggers am Rande des Kongresses auf einem Empfang sagte.

Motto des Kongresses war schlicht „Hope“. Und die Frage, wie christliche Gemeinden in einer krisengeschüttelten Zeit und einer zunehmenden Entkirchlichung weiter Hoffnungsträger sein können. Das Kongress-Thema war weise gewählt. Nach der Corona-Pandemie und aktuell mit den Kriegen in der Ukraine und Israel suchen auch viele Christen eine Ablenkung von den tieftraurigen Nachrichten des Tages. Da tat eine Dosis „Hoffnung“ gut. Willow Creek 2024 war aber mehr als eine willkommene und wohltuende Ablenkung. 

Drei Mitglieder der PRO-Redaktion waren vor Ort. Hier schildern sie ihre Eindrücke.

Der Kongress hat durchaus Überraschendes zutage befördert. Dass die sozialen Medien mehr können als platte, oberflächliche oder selbst darstellende Inhalte zu streuen, zeigte Patrick Todjeras, Direktor am Institut zur Erforschung von Mission und Kirche. Seine Studie über 15 christliche Influencer und Netzwerke auf Instagram zeigt: Menschen finden auf Instagram zum Glauben. Todjeras hat herausgefunden, dass 56 Prozent der Follower durch Instagram eine Veränderung ihres Glaubens erlebt oder zum Glauben gefunden zu haben. Smartphone und Internet sind ergo nicht reines Teufelszeug. 

Wünschenswert wäre gewesen, wenn der Kongress auch auf aktuelle Herausforderungen der Zeit deutlicher eingegangen wäre. Die Nabelschau mit dem Blick auf Veränderung gemeindlicher Strukturen, Wachstum und Mission scheint zu kurz gedacht. Dass Rechtsextremismus und Rechtspopulismus unsere Demokratie bedrohen und einen Keil in die Gesellschaft treiben, hat sich herumgesprochen. Auch, dass es an der Zeit ist, Farbe zu bekennen. Für die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) haben sich deren „Leiter“ und Repräsentanten deutlich von der AfD und Rechtsextremismus distanziert. Von Leitern christlicher Kirchen und Gemeinden vor Ort wäre das wünschenswert. Das Thema Rechtsextremismus wurde allerdings auf dem Kongress lediglich gestreift. Es hätte deutlich mehr Beachtung verdient. Denn in den Gemeinden vor Ort werden sich die „Leiter“ – die der Kongress expressis verbis adressiert – den drängenden Fragen zu dem leidigen Thema stellen und Antworten darauf entwickeln müssen.

Norbert Schäfer

In schwierigen Zeiten wird Hoffnung mehr denn je gebraucht. Deswegen ist der Willow Creek Leitungskongress eine wichtige Anlaufstelle für Leiterinnen und Leiter in Gemeinden. Heike Springhart, Landesbischöfin der evangelischen Landeskirche in Baden, brachte es am Rande des Kongresses auf den Punkt: „Hoffnung ist der Motor, der das Gefühl nährt, dass das, was aktuell ist, nicht alles sein kann.“ Selbst in schwierigen Zeiten sei es wichtig, dass Kirchen die „Fenster der Hoffnung“ offen halten sollten.

Das wollte Willow Creek mit ihrem diesjährigen Thema „Hope“ durch die Speaker vermitteln. Und das ist ihnen gelungen – mit einer großen Bandbreite. Von Vergebung und Demut als wichtiges Prinzip zum Erfolg, von der Frage, wie Leiter als Jünger von Jesus leben können, wie sie in Menschen und Beziehungen investieren können, statt sich über die Größe der Gemeinden sorgen zu machen, bis hin zu den Umgang mit dem Einsatz von KI in den Gemeinden, traumatischen Erfahrungen und Gottes Wirken inmitten von Stürmen. Folgende Sätze des Theologen Michael Herbst hallen in mir weiterhin nach: „Jesus bringt uns ans Ziel. Die Hoffnung stirbt nicht nur zuletzt. Die Hoffnung lebt zuerst und sie lebt bis zum Ende. Denn die Hoffnung hat einen Namen. Und dieser Name ist Jesus.“

Petra Görner

Megachurches, perfekter Lobpreis, Vorträge auf Top-Niveau: Dafür stand Willow lange Zeit. Doch im Publikum sitzen eben doch die Menschen, die Philipp Bartholomä (Freie Theologische Hochschule) in seinem Vortrag die „normal ones“ nannte. Karl Vaters hatte zuvor die Teilnehmer gebeten, aufzustehen, wenn sie in einer Gemeinde mit weniger als 100 Mitgliedern sind. Der Großteil stand auf. Es sind die Menschen, die in einer kleinen Gemeinde mit viel Jesus-Liebe, aber mit begrenzten Mitteln und ganz normalen Alltagsproblemen ihren Dienst tun. Schnell kann es frustrieren, wenn man dann die Erfolgsstories aus anderen Kontexten hört. Ein hoher Anspruch, gepaart mit Idealismus und Motivation, sind gut. Aber die Psychologie weiß längst, dass das die perfekte Mischung für einen Burnout ist. Und tatsächlich streichen viele Pastoren nach ein paar Jahren frustriert die Segel. Bartholomä warb für einen hoffnungsvollen Realismus. Vielleicht ist das das Grundrezept für gesunde Gemeinden.

Nicolai Franz

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