„Hoffentlich überdenkt er sein Sprechverbot“

Constantin Schreiber hat Schluss gemacht. Er will sich in Zukunft nicht mehr öffentlich zum Thema Islam äußern. Viele wichtige Stimmen, die sich intensiv mit dem Islam beschäftigen, bedauern dies.
Von Johannes Blöcher-Weil
Der Journalist Constantin Schreiber möchte sich nicht mehr zum Islam äußern. Sogar seine Kritiker bedauern dies

Der Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber hat in einem Interview mit der ZEIT klar gemacht, dass er keine öffentlichen Stellungnahmen mehr zu Themen rund um den Islam abgibt. Sogar seine Kritiker bedauern diesen Schritt. In der aktuellen Ausgabe der Zeit kommen auch sie zu Wort.

Die Autorin Khola Maryam Hübsch erlebt regelmäßig Anfeindungen, wenn sie etwas zum Islam publiziert. Der eigene Glaube helfe ihr dabei, sich nicht einschüchtern zu lassen. Sie vertrete selten die gleiche Meinung wie Schreiber, aber eine Debatte lebe von Kritik und Widerspruch. Ein enger Meinungskorridor nutze niemandem: „Deshalb hoffe ich, dass Constantin Schreiber sein selbst auferlegtes Sprechverbot zum Islam überdenkt.“

Auch der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad erlebt Einschüchterung und Ausgrenzung. Die Universität Augsburg hat ihn kürzlich nach Protesten aus linken und muslimischen Kreisen von einer Podiumsdiskussion ausgeladen, weil er den Islam kritisiert. Die größte Bedrohung für sich sieht er von in Deutschland lebenden Islamisten, „die mich umbringen wollen“. Er habe oft darüber nachgedacht zu schweigen. Abdel-Samad moniert vor allem die fehlende Solidarität.

„Journalisten wahren die Vielstimmigkeit“

Die Publizistin Sineb El Masrar sieht ihre Aufgabe als Journalistin darin, diese Themen nicht zu verschweigen. Auch sie habe als Verlegerin Drohungen aus rechten und islamistischen Kreisen erhalten. El Masrar bezeichnet es als Skandal, anderen Menschen nur aufgrund einer anderen Meinung nach dem Leben zu trachten. Vor allem Journalisten müssten die Vielstimmigkeit einer Gesellschaft wahren und für die Pressefreiheit eintreten.

Mouhanad Khorchide ärgert sich, dass diese Debatte geführt werden muss. Sie zeige, wie „wirkmächtig die Ideologie des Islamismus ist“. Er selbst lehre als Professor eine progressive islamische Theologie und erlebe Diffamierung. Selbstkritik an Fehlentwicklungen im heutigen Islam und ein Kampf um Reformen und Aufklärung müssten erlaubt sein. Wer sich selbst mundtot mache, überlasse Anderen das Feld.

Die Frankfurter Wissenschaftlerin Susanne Schröter hebt den Druck hervor, der auf allen Menschen lastet, die „sich kritisch zu Missständen in der islamischen Welt und in islamischen Gemeinschaften in Deutschland äußern“. Sie selbst erforsche mit ihrem Team auf vielen Kontinenten islamischem Feminismus und Islamismus. Im Alltag erlebe sie deshalb ehrabschneidendes Mobbing, werde beschimpft oder gerate in Rufmordkampagnen. Um durchzuhalten, brauche es loyale Menschen.

„Es verstummen wichtige Stimmen“

Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschlands, Ali Ertan Toprak, der auch CDU-Mitglied ist, hat den Neuanfang seines Lebens in Deutschland als Chance begriffen, um sich in die Gesellschaft einzubringen. In Deutschland werde die Streitkultur immer mehr von einer Cancel-Culture verdrängt: „Es verstummen wichtige Stimmen.“ Der Staat hofiere den politischen Islam. Seinen Kindern zuliebe, werde er sich aber weiter für die Situation einsetzen: „Ich will, dass sie frei, unbeschwert und selbstbestimmt in ihrer Heimat Deutschland aufwachsen.“

In einem Gastbeitrag für t-online bedauert der Islamexperte Ahmad Mansour, dass sich Constantin Schreiber nicht mehr öffentlich äußern möchte. Der Vorfall lege offen, wie zerrüttet die Debattenkultur bei den Themen Islam und Migration in Deutschland sei. Schreiber habe in der Debatte einen „klaren, kritischen, analytischen und differenzierten Blick auf den politischen Islam und auf dessen Verharmlosung in Westeuropa“.

Die Debatten um Integration würden oft „emotional, faktenarm und polarisierend“ geführt. Die Entscheidung Schreibers respektiere er. Aber es brauche so viele Stimmen wie möglich, „für die Integration von Muslimen in die Demokratie, für Menschenrechte, für Vielfalt und Zusammenhalt“. Es sei aber einfacher, „kritische Stimmen zu diffamieren, als sich den Problemen zu stellen“.

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