Gemeinsam mit seinem Sohn Will ist der Prediger und Evangelist Franklin Graham nach Berlin gekommen, um vor Kirchenleitern über Evangelisation zu sprechen. Einen eigenen Kongress mit eintausend Teilnehmern aus 56 Nationen hat er mit der „Billy Graham Evangelistic Organisation“ ins Leben gerufen, den „European Congress on Evangelism“. Nach Angaben der Veranstalter ist es die größte Veranstaltung dieser Art seit 25
Jahren.
Graham ist 73 Jahre alt, der Leiter der weltweiten Hilfsorganisation „Samaritan’s Purse“ und natürlich schon lange nicht mehr einfach der Sohn des vielleicht bekanntesten Evangelisten des 20. Jahrhunderts, Billy Graham. Und doch spricht man immer auch über den Vater, wenn man den Sohn trifft. So auch auf der Pressekonferenz zum fünftägigen Kongress am Dienstag in Berlin.
Sein Vater habe sich einst in Deutschland verbliebt, aber auch gespürt, dass es eine Not der Menschen gebe, das Evangelium zu hören, sagt Graham da. Deshalb will er nun vor allem junge Menschen dazu inspirieren, das Evangelium zu verbreiten. „Ich will mich auf Europa konzentrieren“, sagt er, denn von dort seien einst Missionare und Kirchenleiter in seine Heimat, die USA gekommen, um von Gott zu erzählen. Das aber sei vorbei. Er sehe eine Generation ohne Evangelisten. Ein Zustand, den er offensichtlich ändern will.
Trump, Transgender, Ukraine
Fast ebenso natürlich wie Franklin Graham mit seinem Vater in Verbindung gebracht wird, sehen die meisten ihn wohl auch als Freund eines anderen, aber zumindest in Europa wesentlich unbeliebteren Mannes: Donald Trump. So ist auch der amerikanische Präsident, den Graham einst im Wahlkampf unterstützte, Thema der Pressekonferenz.
„Trump ist der Präsident, ich habe ihn da nicht hingesetzt“, sagt Graham, auf seine Verbindung zu Trump angesprochen und wiegelt ab: „Politiker kommen und gehen, Gottes Wort aber bleibt immer dasselbe.“ Er habe seit Richard Nixon jeden Präsidenten getroffen. Auch Trump. Aber er arbeite nicht für ihn und „Samaritan’s Purse“ nehme keine staatlichen Gelder an. Trump sei sehr freundlich zu ihm gewesen, gibt er zu. Freundlicher als andere Präsidenten.
Und so geht es in Berlin an diesem Nachmittag nicht mehr so sehr um Evangelisation, sondern um Politik. Was er den Europäern mit Blick auf die Lage in der Ukraine rate, fragt ihn jemand. „Beten“, lautet die schlichte Antwort des Predigers. Erwartbar, wäre da nicht der Zusatz: „Für Putin und Selenskyj, dass Gott an ihren Herzen arbeitet, um eine Lösung für diesen Krieg zu finden.“ Und weiter: „Dass sie alle neu überdenken.“ Der Plural ist hier wichtig, denn er zeigt: Einen Verantwortlichen für diesen Krieg, verortet Graham offenbar auf keiner Seite. Und schließlich sei auch für Präsident Trump zu beten, denn „er versucht, zu helfen“.
„Sie wären überrascht, wie viele junge Menschen nicht wissen, was in der Bibel steht!“
Wie er die jungen Menschen mit dem Evangelium erreichen wolle, fragt ein Journalist. Graham ist vor allem eines wichtig: Das Evangelium sei nie politisch korrekt gewesen. Das störe junge Menschen aber weit weniger, als viele annähmen. Sie wollten herausgefordert werden. Die ältere Generation habe versucht, das Evangelium zu verwässern, um es ansprechender zu machen und niemanden zu verletzen – ein Fehler.
„Sie wären überrascht, wie viele junge Menschen nicht wissen, was in der Bibel steht!“, sagt er und nennt gleich ein Beispiel für die Verwirrung, die daraus entstehe: Transgender. Junge Menschen seien derart irritiert, dass sie nicht mehr wahrnähmen, dass Gott Frau und Mann geschaffen habe. Oder in Sachen Ehe: „Niemand hätte zu Zeiten meines Vaters gedacht, dass jemals jemand die Ehe als etwas anderes verstehen würde als das, was die Bibel sagt: Eine Ehe zwischen Mann und Frau.“
An junge Menschen gerichtet, sagte er: „Nehmt eure Köpfe vom iPhone hoch und studiert die Bibel. Hört, was Gott – nicht, was Franklin Graham – zu sagen hat.“ Das sei umso wichtiger, denn die Angriffe auf Christen weltweit nähmen zu. „Es gibt einen starken Widerstand gegen Christen“, sagt er, ohne das weiter auszuführen. Und in Zukunft werde es noch schlimmer werden.
Sichtlich irritiert zeigte der Evangelist sich dann von der Frage eines christlichen Journalisten: Bei der Konferenz seien wesentlich weniger weibliche Sprecher dabei als männliche. Ob das nicht wenig repräsentativ für Predigerinnen sei? Graham fragt zweimal nach, bevor er antwortet: „Wir haben keine Quoten. Wir wollten Sprecher finden, die die Botschaft (Gottes, d.Red.) verbreiten.“ Eine Botschaft offenbar, die für Graham eben nicht nur vom Kreuz und Jesus Christus handelt. Sondern auch viel mit politischen Streitfragen zu tun hat.