Gottesdienst zu Eschede: „Gott, wo warst du?“

25 Jahre nach dem schwersten Zugunglück in Deutschland erinnerten am Freitagabend Überlebende und Helfer in der Johanniskirche im niedersächsischen Eschede an die 101 Opfer der Katastrophe. Im Zentrum stand die Mahnung, die Toten nicht zu vergessen.
Denkmal Zugunglück Eschede

In einem Gedenkgottesdienst anlässlich des schwersten bundesdeutschen Zugunglücks vor 25 Jahren im niedersächsischen Eschede haben Überlebende, Hinterbliebene, Helfende und Bahnbeschäftigte an die Opfer erinnert.

In der fast voll besetzten evangelischen Johanniskirche von Eschede wurden am Freitagabend die Namen der 101 Toten durch mehrere ihrer Angehörigen verlesen und Lichter für sie entzündet. Am 3. Juni 1998 entgleiste der ICE 884 „Wilhelm Conrad Röntgen“. Unter den Toten waren damals auch Eltern mit kleinen Kindern, die Jüngsten waren gerade drei Jahre alt.

Udo Bauch, einer der mehr als 100 Verletzten, sagte in seinem Fürbittengebet, die Katastrophe habe sein Leben verändert: „Sie hat mich versehrt. Ich bin ein anderer geworden. Und doch: Ich bin am Leben geblieben und dafür bin ich dankbar.“ Der heute 55-Jährige ist seitdem linksseitig teilweise gelähmt, kann seine Hand nur eingeschränkt bewegen und ist zu 100 Prozent schwerbehindert.

„Werden die Bilder nicht los“

Heinrich Löwen verlor in Eschede seine Frau Christl und seine Tochter Astrid. Der Sprecher der Hinterbliebenen des Bahnunglücks, der jahrelang um ein Schuldeingeständnis durch die Deutsche Bahn gerungen hatte, stellte in seinem Fürbittengebet die Frage: „Gott, wo warst du, als 101 Menschen aus dem Leben gerissen wurden?“ Der 78-Jährige betonte im Hinblick auf die Toten: „Wir ehren sie, indem wir uns erinnern und indem wir das Leben ehren und schätzen.“

Für die rund 2.000 Helfer, die in Eschede vor 25 Jahren im Einsatz waren, sagte der stellvertretende Ortsbrandmeister Martin Stöckmann: „Die Bilder des Schreckens haben sich eingebrannt. Wir werden sie nicht los und manchmal überfallen sie uns.“

Der evangelische Regionalbischof Stephan Schaede sprach in seiner Predigt von Rissen im Leben nach dem Bahnunglück, die nicht heilten, sondern womöglich noch tiefer würden. „Die Wunde des Lebensabbruchs, sie sitzt tief. Manche Hinterbliebenen sind daran zerbrochen, sind heute nicht mehr dabei.“ Die Verantwortlichen der Deutschen Bahn und auch der Kirche müssten sich fragen, ob sie nicht zu lange Gesten und Zeichen der Anteilnahme vermissen ließen.

Der katholische Pater Thomas Marx äußerte Dankbarkeit für die Helfenden der Rettungsdienste und der Feuerwehr, die sich am 3. Juni 1998 verzweifelt zu den Opfern der Katastrophe vorarbeiteten und so Menschenleben retteten.

epd
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