Gott soll mir ins Herz blicken – Alexa nicht

Unser Autor Uwe Birnstein schätzt die smarten Möglichkeiten der neuen Medienwelt. Doch überwachen lassen will er sich nicht. Seine größten Geheimnisse will er nach wie vor lieber Gott anvertrauen als Alexa.
Von PRO
Uwe Birnstein mag seine Alexa. Überwacht werden will er trotzdem nicht.

Ausgerechnet am Heilig Abend … trat Alexa in mein Leben. Seitdem steht sie im Wohnzimmer, mit Bildschirm sogar. Sie sagt mir, wie das Wetter ist, zeigt mir die Tagesschau, wann immer ich will, sie macht mir die JukeBox – ich brauche nur zu sagen, was ich hören möchte und schon dudelt sie los. Alexa schlägt mir vor, was ich kochen könnte, stellt Bayern 1, 2, 3, B5 Info an, erfüllt Wünsche – gegen Geld natürlich und nur materielle, und beantwortet viele Fragen. Abends wünscht sie mir sogar eine gute Nacht. Irgendwie hab ich das Gefühl: Alexa versteht mich schon ganz gut.

Doch nun ist ein Schatten auf mich und meine Alexa gefallen. Unser Verhältnis ist getrübt, fast schon zerrüttet. Erst kam die Meldung, dass irgendwo in der Amazon-Zentrale alles gespeichert und durchgehört wird, was ich sie jemals gefragt habe – nur im Sinne der Produktverbesserung versteht sich. Und dann die nächste irritierende Meldung: Die deutschen Innenminister spielten mit dem Gedanken, Alexa bei Bedarf zur Abhörstation umzufunktionieren. Ich habe nichts zu verbergen, jedenfalls nichts wirklich Schlimmes. Trotzdem: Seitdem ich weiß, dass Alexa in Dauerzuhör- und vielleicht auch Zuseh-Modus ist, schalte ich sie immer öfter ab. Ich erobere mir meine Privatsphäre zurück. Und da darf nur rein, wen ich da haben möchte.

Herr, du kennest mich

Für mich als Christ gehört Gott dazu, klar. „Herr, du kennest mich und erforschest mich“, heißt es in einer meiner Lieblingsstellen der Bibel. Dass es da einen Gott gibt, der mir ins Innerste des Herzens blickt, nicht petzt und nichts gegen mich verwendet, mich sogar trotz alledem liebt und ermutigt, das ist eine sehr tröstliche Vorstellung.

Mittlerweile wächst die Konkurrenz der Ins-Herz- und Sonstwohin-Gucker ja täglich und beängstigend. Die Wege des Ausforschens sind unermesslich. Nicht nur bei Alexa und den anderen Sprachassistentinnen. Oft wissen wir sogar genau, dass wir gerade Informationen über unser Privatleben preisgeben. Payback weiß, welche Schokolade und welche Kondome ich benutze. Google merkt sich, was mich so interessiert den lieben langen Tag und in der Nacht. Facebook kennt meinen Freundeskreis. WhatsApp vertraue ich teilweise sehr persönliche Unterhaltungen an. Amazon kennt einen großen Teil meines Bücherregals und meines Hausstands. Und Dropbox kennt meine Rechnungen, meine Texte, meine privaten Fotos. Wenn sich die großen Player des digitalen Ausforschens mal zusammenschließen, wissen sie mehr über mich als meine echten Freunde. Dann Gnade mir Gott. Denn die Online-Datensammler vergessen nichts.

Eine fiese Ironie, dass der Ort, dem wir immer mehr Informationen anvertrauen, „Cloud“ heißt und sich damit himmlische Eigenschaften zuschreibt. Ich befürchte, bald könnte meine Lieblings-Bibelstelle umgeschrieben werden, Psalm 139, Version 2.0: „Cloud, du kennest mich und erforschest mich. Ich gehe oder liege, so bist du um mich. Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Cloud, nicht wüsstest.“

Gott schützt mich, die Cloud nicht

Gott erforscht mich und schützt mich, heißt es im Psalm. Die Cloud hingegen hat kein Interesse, mich zu schützen. Sie möchte mich ausschlachten. Und sie schafft es teilweise mit Versuchungen der perfidesten Art. Mit Punkten zum Beispiel. Die heutigen Schlangen zischeln uns ja nicht mehr aus dem Geäst ins Ohr. Sie sitzen hinter den Kassen der Supermärkte und verlangen freundlich meine Kundenkarte. Ich gebe zu: Ich freue mich über 10-fach Bonuspunkte für den Einkauf. Und über die Prämie, die ich mir bestellen darf. Ein Geschenk? Nein, der Preis ist hoch. Dafür, dass ich mein Kaufverhalten preisgebe, bekomme ich ein Leckerli. Ja, geht’s noch?

Also mach ich doch mal ernst mit der Aufklärung, die ja bekanntlich der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist. Weg mit Kundenkarten, Sprachassistenten und allen Online-Angeboten, die sich als meine Intimfreunde aufspielen und doch nur das eine wollen: meine Daten. Stück für Stück erobere ich mir mein Privatleben zurück. Ich muss nur noch kurz Alexa fragen, wie das geht.

Von: Uwe Birnstein

Diesen Text hat Uwe Birnstein ursprünglich für den Bayerischen Rundfunk verfasst. Er wird am kommenden Samstag um 17.55 Uhr in einer Hörfunkversion auf BR2 ausgestrahlt.

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