Meinung

Gewalt gehört sich nicht

Im „ZDF Magazin Royale“ spielt Jan Böhmermann auf satirische Weise mit dem Gedanken, Nazis zu „keulen“. Aber soll das Publikum der Provokation wirklich Beachtung schenken?
Von Norbert Schäfer
Zweifacher Grimmepreisträger, Quatschmacher, Humor-Aktivist:  Jan Böhmermann

Es ist noch nicht lange her, da waren viele Kollegen sehr angetan von Jan Böhmermann und seiner Fernsehsendung. Es sei dazu lediglich an „Erdogate“ erinnert, die Schmähkritik über das türkische Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdoğan. Mir gefiel die Attitüde des Künstlers nie. Daher blieb es beim kurzen Reinzappen und – schnellen – Wiederrauszappen aus seiner Sendung.

Böhmermann begegnet uns als mögliches Objekt der Berichterstattung in der Redaktion immer dann, wenn er in seiner Sendung – mutmaßlich bewusst und wohl orchestriert – Grenzen überschritt und treffsicher provozierte. Jüngst war es Böhmermanns Abmoderation seiner Sendung, die dem Vernehmen nach Rechtsextremismus und Libertäre zum Thema hatte: „Liebe 3sat-Zuschauer*innen, bitte nicht vergessen: Nicht immer die Nazikeule rausholen, sondern vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen.“

Fauliger Beigeschmack

Der jüngste Coup des – sagen wir mal – Entertainers war erneut Thema in der Tagespresse. Unter anderem hatte sich der Journalist Julian Reichelt darüber aufgeregt und hyperventiliert, dass Böhmermann zur Tötung von AfD- und FPÖ-Politikern aufrufe. Böhmermanns Reprise, das muss man zugestehen, war schlagfertig. Er postete auf X (ehemals Twitter) einen Screenshot einer Google-Suche, die die jugendsprachliche Semantik des Begriffes „keulen“ zutage förderte. „Sich einen keulen“ stehe demzufolge für Selbstbefriedigung.

Das ist nicht einmal die halbe Wahrheit, denn das Verb „keulen“ ist ein Fachbegriff aus der Tiermedizin. Nutztiere werden getötet, oder anders gesagt „gekeult“, um Tierseuchen zu verhindern oder einzudämmen. Spätesten mit diesem Wissen bekommt die Satirekost böhmermannscher Provenienz einen fauligen Beigeschmack. Zudem hat Böhmermann das Wort nicht reflexiv, also mit „sich“ verwendet, wie es die Definition nach Jugendsprache nahelegt.

Nicht über jedes Stöckchen springen

Mittlerweile ist in der Medienlandschaft immer weniger Anerkennung für Böhmermann vernehmbar. Woran könnte das liegen? Vielleicht daran, dass Böhmermann regelmäßig ethische Grenzen überschreitet? Mit seinen Provokationen die Meinungs- und Kunstfreiheit schlicht überstrapaziert? Daran, dass das Ganze einfach bewusst kalkuliert und damit vorhersehbar ist? Sollen Redaktionen voll Entrüstung über jedes Stöckchen springen, das der Entertainer seinem Publikum hinhält? Ich finde: Nein. Dem Publikum, das sich über die jüngste Entgleisung aufregt, würde ich raten: Cool down and relax. Die schlimmste Form der Beleidigung für einen von Provokation lebenden Künstler ist, ihn und sein Werk gänzlich zu ignorieren.

Es sei aber auch noch gesagt: In Deutschland sind Aufrufe zur Gewalt oder die Verherrlichung und Rechtfertigung von Gewalt strafbar. Auch die Verletzung der persönlichen Ehre durch Beleidigung, Verleumdung oder üble Nachrede sind hierzulande nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Eben auch satirische Elaborate, die in zweideutiger Weise gar mit Tötungsgedanken spielen, bewegen sich rechtlich hart an der Grenze. Zumal wenn so etwas im Öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesendet wird, das sich an die Vorgaben des Medienstaatsvertrages zu halten hat.

Ich habe Zweifel daran, dass Böhmermanns Aussage – und ich halte beileibe Rechtsextremismus für ein unsagbares Unheil – dem Ernst und der Tragweite des Themas angemessen ist. Respektvoller Diskurs, die satirische Aufarbeitung aktueller Themen, aber auch Äußerungen kritischer oder unliebsamer Meinungen sollen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ihren Platz finden. Ein Aufruf zur Gewalt, und sei der auf satirische Art und Weise noch so verbrämt, hat im Fernsehen nichts, aber auch rein gar nichts verloren.

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